Die Stadt und ihre Parteien haben einen wochenlangen Kommunalwahlkampf hinter sich. Kandidaten für den Rat und den Posten als Oberbürgermeister haben zahlreiche Termine in den Bezirken absolviert, sich auf Diskussionsrunden vorbereitet und Wahlkampfstände besucht. Doch in Duisburg heißt es in diesem Jahr: Nach der Wahl ist vor der Wahl.
Im Rennen um die Macht im Rathaus müssen der amtierende Oberbürgermeister Sören Link (SPD) und Herausforderer Carsten Groß (AfD) am 28. September in die entscheidende Stichwahl. Wer mehr Stimmen bekommt, wird für die nächsten Jahre der erste Bürger der Stadt sein und ihre politische Richtung vorgeben. Was hat man von diesem ziemlich ungleichen Duell zwischen AfD und SPD zu erwarten?
Zurück zum 14. September, dem Tag der Kommunalwahl. Link lässt sich an diesem Abend überraschend viel Zeit, bis er im Rathaus vor die Mikrofone und Kameras tritt. Die Ausgangslage in dieser Oberbürgermeisterwahl war nicht leicht.
Elf Kandidaten traten an, vier Frauen, sieben Männer, ein Rekord für die Stadt. Ein Durchmarsch eines Bewerbers im ersten Wahlgang (dazu müssen mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht werden) galt da als extrem unwahrscheinlich. Schließlich würde jeder der elf Kandidaten versuchen, die eigene Klientel, das persönliche Umfeld zu mobilisieren. Und die Partei des Amtsinhabers, die SPD, schwächelt im Bund wie im Land. Aber in Duisburg, gelten da vielleicht andere Gesetze?
Offenbar ja. Gegen 18.30 Uhr zeichnet sich ab: Es wird eindeutiger als gedacht. In der Ratswahl landet die SPD später bei 32,6 Prozent, sogar ein unerwarteter Zuwachs von 1,8 Prozentpunkten im Vergleich zu 2020. In einem ähnlichen Bereich hätte man wohl auch ein Ergebnis für Link vermutet. Doch schon die Auszählung der ersten Wahlbezirke zeigt, dass der amtierende Oberbürgermeister die 40-Prozent-Marke knacken wird. Vielleicht noch mehr. Am Ende sind es 46 Prozent.
Für Link ist das erfreulich und bitter zugleich. Das Ergebnis ist für einen SPD-Mann in diesen Zeiten mehr als ordentlich. Es bestärkt den Oberbürgermeister in seinem Kurs, der nicht immer deckungsgleich mit der Landes- und Bundes-SPD war. Andererseits fehlen nur ein paar Stimmen, um einer Stichwahl aus dem Weg zu gehen – ausgerechnet gegen einen AfD-Bewerber.
Für die AfD hingegen ist die Stichwahl ein Erfolg auf ganzer Linie. Man hatte ihr ein solches Szenario in NRW noch viel häufiger zugetraut. Doch nur in Gelsenkirchen, Hagen und Duisburg kommen Kandidaten der in Teilen rechtsextremen Partei in die Stichwahl. In Duisburg mag das auch an der Schwäche der CDU-Kandidatin liegen, die sich nicht deutlich genug vom Amtsinhaber abgegrenzt hat. Im Wahlkampf war Sylvia Linn offenbar nicht präsent genug. Unklar war auch, was sie wirklich anders machen würde, als Sören Link, der nicht gerade zu den Linken in der SPD gehört.
Bahn frei also für Carsten Groß, den bis zu seiner Kandidatur nur wenige Duisburger gekannt haben dürften. Die zentralen Figuren der Duisburger AfD sind eigentlich der gut vernetzte Andreas Laasch, Chef des AfD-Bezirks, der Bundestagsabgeordnete Sascha Lensing und der Fraktionschef im Rat, Alan Imamura. Groß ist seit mehr als 30 Jahren bei den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) beschäftigt. Er setzt sich vor allem für mehr Sicherheit auf den Straßen ein und will die Zuwanderung aus Osteuropa auf den Prüfstand stellen.
Am 14. September ist ihm aber möglicherweise sein geringer Bekanntheitsgrad zum Verhängnis geworden. In der Stichwahl ist Groß immerhin mit einem schlechteren Ergebnis gelandet, als die AfD stadtweit bei der Ratswahl erreicht hat: 19,7 gegen 21,2 Prozent. Bei starken Kandidaturen ist es eigentlich andersherum.
Im Rathaus hat sich Link am vergangenen Sonntag indirekt auch mit einer Kampfansage an die AfD gewandt. Unter Beifall erklärte er: „Ich werde dafür sorgen, dass Duisburg offen und demokratisch bleibt.“ Link geht nicht nur mit einem Amtsbonus ins Rennen, er hat es auch immer wieder geschafft, sich von schlechten Umfragewerten der SPD zu emanzipieren. Später teilte er in einem Interview mit der „Bild“ weiter aus, als es um Sozialbetrug ging: „Ich bin Mitglied der Partei der Arbeit geworden, bin für soziale Gerechtigkeit. Ich habe keine Lust, verarscht und beschissen zu werden.“
Mittlerweile haben die meisten Parteien, etwa FDP, CDU und Grüne, zur Wahl von Link aufgerufen. An seinem Vorsprung dürfte sich deshalb wenig ändern, auch wenn die Wahlbeteiligung bei Stichwahlen erfahrungsgemäß etwas niedriger ist als im ersten Wahlgang.