Sechs Jahrzehnte lang waren britische Streitkräfte auf einem großen Stützpunkt in Mönchengladbach stationiert – bis zum Abzug 2013. Militärisch international wird jedes Jahr in Mönchengladbach dennoch: Jedes Jahr trainieren beim Internationalen Militärwettkampf (IMM) Kräfte aus unterschiedlichen Ländern gemeinsam.
53 Vierer-Teams aus acht Nationen waren dieses Mal dabei. Sie kommen aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweiz und den USA, auch aus der Mongolei ist ein Starter dabei. In Rheindahlen und Rheydt stellen sie sich den Herausforderungen unterschiedlicher Disziplinen, möglichst nah an der Realität, und messen sich in ihren Fähigkeiten. Die weiteste Anreise aus Europa hatten diesmal italienische Fallschirmjäger-Reservisten aus Triest und Soldaten der britischen Luftwaffe, die auf Zypern stationiert sind.
Die militärische Großveranstaltung ist gut abgesichert – durch Polizei, Zoll, Feuerwehr und THW als offizielle „BOS-Organisationen“ (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben). Aus Mönchengladbach ist die Freiwillige Feuerwehr Kothausen mit dabei. Unterstützung aus dem Rhein-Sieg-Kreis liefert das Jugend-Rotkreuz St. Augustin, dessen Kräfte eine realistische Unfalldarstellung bei der Disziplin „Erste Hilfe“ übernehmen. Die Teams versorgen dabei nicht nur Verletzte, sondern schirmen den Einsatzort zusätzlich ab und führen anschließend eine Notevakuierung durch.
„Ich bin begeistert von der Professionalität der freiwilligen Darsteller“, sagt Peter Müller, Oberstleutnant der Reserve, der für die Organisation des IMM verantwortliche Reservist. Drei weitere Disziplinen zeigen, dass beim diesjährigen Wettkampf vor allem die physische Fitness im Vordergrund steht. So müssen in voller Montur und im Laufschritt Munitionskisten einen Hang hinauf geschleppt und sicher wieder nach unten getragen werden. „Das ist eine coole Chance zum Team-Building und eine gute Gelegenheit, Mitstreiter aus anderen Nationen kennenzulernen“, sagt Valerie vom gemischten Team aus der Schweiz.
Dänisches Team feuert sich selbst an
In der Dahlener Heide erwartet die Teilnehmer ein Reifenparcours. Dort gilt es, einen Lkw-Reifen sicher und schnell über Holzbretter zu manövrieren. Das ist harte Arbeit, denn der Reifen ist schwer, wiegt etwa 40 Kilogramm. Im Stadtpark Rheydt geht es dann aufs Wasser. In den großen Mannschaftsschlauchbooten wirken die Viererteams etwas verloren. Das dänische Team feuert sich selbst kräftig an und ist – wieder an Land – sichtlich geschafft.
Die weiteren Disziplinen des IMM auf der rund 25 Kilometer langen Strecke sind Schießen mit der P8 und dem G36, Eilmarsch und Militärisches Allgemeinwissen. Unter dem Motto „Back to The Roots“ (deutsch: Zurück zu den Wurzeln“) kehrte der IMM mit dem neuen Untertitel „Niederrhein-Challenge“ (deutsch: Niederrhein-Herausforderung) nach fünf Jahren zurück nach Rheindahlen.
Bisher war das Landeskommando NRW in Düsseldorf für die Organisation des Wettkampfs zuständig. In diesem Jahr zeichnete jedoch zum ersten Mal das Streitkräfteamt in Bonn verantwortlich. Es führte die Veranstaltung gemeinsam mit dem Reservistenverband, Kreisgruppe Niederrhein, durch. „Weil für uns damit der Neustart in Eigenregie im Vordergrund stand, haben wir diesmal ganz bewusst auf ein begleitendes Besucherprogramm verzichtet“, sagt Müller. Bislang hatte der Wettbewerb auch das Ziel, das Interesse der Bevölkerung stärker auf das Militär zu lenken und womöglich auch Nachwuchs zu werben. Doch die Einbindung der Öffentlichkeit sei bei künftigen Wettbewerben wieder vorgesehen, versichert Müller.
Preis von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius
Der Preis des Gesamtsiegers, der Ehrenteller des Bundesministers der Verteidigung, Boris Pistorius, ging in diesem Jahr an das Team des 13. dänischen Infanterie-Bataillons. Doch nicht nur für die siegreiche Mannschaft, sondern für alle Wettkämpfer und Hilfskräfte steht eines fest: In Zeiten vieler aktueller Kriege und Brandherde weltweit, kommt der militärischen Verteidigung – insbesondere in den westeuropäischen Staaten – eine wachsende Bedeutung zu. Angesichts des brutalen russischen Angriffskriegs in der Ukraine und dem Eindringen von russischen Drohnen in polnischen und estnischen Luftraum – und damit in Nato-Gebiet – ist das besonders relevant.
In Deutschland versucht die Politik dem durch ein neues Wehrdienstmodell gerecht zu werden. Auf zunächst freiwilliger Basis soll die Zahl der Wehrdienstleistenden bis 2030 um bis zu 100.000 aufgestockt werden. Eine gesetzliche Wiedereinführung der in 2011 bis auf Weiteres ausgesetzten Wehrpflicht ist zurzeit nicht geplant.
Und wie schätzt Oberstleutnant der Reserve Peter Müller die aktuelle, militärische Weltlage ein? „Politische Erfordernisse und militärische Realität sind grundsätzlich nicht deckungsgleich“, sagt Müller. Er glaubt nicht, dass ein baldiges Ende des Krieges zwischen Russland und der Ukraine in Sicht ist. Deshalb spricht er sich „als nächsten Schritt“ für einen Waffenstillstand aus. Für ihn sei eine Zukunft der Nato „ohne den Beitrag der USA bis auf Weiteres nicht denkbar“.