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  1. Seite 1Kann Europa sich das leisten?
  2. Seite 2Europa ersetzt die USA

Viele Alternativen, um die Hilfen zu erhöhen, verbleiben den Europäern derweil nicht. Rein rechnerisch fallen die Finanzhilfen zwar im Vergleich zur gesamten Wirtschaftsleistung Europas kaum ins Gewicht. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) gaben europäische Länder 2024 nur etwa 0,1 Prozent ihres BIP für die Unterstützung der Ukraine aus. Seit Monaten, wenn nicht Jahren, fordern Militär- und Sicherheitsexperten deshalb mehr Unterstützung. Dabei mussten die Europäer in diesem Jahr allerdings bereits eine doppelte Last tragen, um die weggebrochene Unterstützung aus Washington zu kompensieren.

Bislang läuft dies besser, als viele befürchtet hatten. Laut des IfW summierten sich die militärischen und finanziellen Hilfen der Europäer in der ersten Jahreshälfte auf rund 38 Milliarden Euro. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres lag die Summe noch bei lediglich 23 Milliarden. Um den Ausfall der US-Hilfen vollständig zu ersetzen, müsste die Summe am Jahresende etwa 82 Milliarden betragen. Bisher scheint Europa zumindest hier auf gutem Weg zu sein.

Seit Juli laufen zudem internationale Waffenkäufe für die Ukraine in den USA über das sogenannte Purl-Programm. Für dieses haben europäische Länder wie Deutschland, Norwegen und eine Reihe nordischer Staaten insgesamt rund zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die ukrainische Regierung rechnet bis Oktober mit einer Summe von insgesamt 3,5 Milliarden, für die in erster Linie Flugabwehrraketen und Munition für den Mehrfachraketenwerfer Himars beschafft werden soll.

Eine Erhöhung der Hilfen europäischer Staaten über dieses Niveau hinaus, wie es für die Ukraine nun notwendig wäre, erscheint jedoch politisch schwierig. Vor allem, wenn das Geld aus den laufenden Haushalten stammen soll. Zum einen investieren fast alle Länder gleichzeitig auch in die eigene Verteidigungsfähigkeit. Zum anderen sind Länder wie Frankreich, Italien aber auch Großbritannien bereits hoch verschuldet und müssten eigentlich kräftig sparen. Auch Deutschland will die bisherigen bilateralen Hilfen an die Ukraine in den kommenden Jahren auf dem Niveau von neun Milliarden stabilhalten.

Alle Ressourcen angezapft

Die Ukraine hat längst die meisten ihrer verbliebenen inländischen Ressourcen angezapft. Im laufenden Jahr hat das Land die sogenannte Kriegssteuer auf alle Einkommen auf fünf Prozent erhöht. Banken müssen nun 50 Prozent Steuern auf Gewinne zahlen. Kleinunternehmen und Onlinehändler zahlen ebenfalls höhere Abgaben. Die Subventionen für Strom und Gas wurden spürbar gekürzt. Bis Ende August sind die Einnahmen des ukrainischen Staates aus Steuern und Abgaben dadurch bereits um 25 Prozent höher ausgefallen als im gleichen Zeitraum 2024. Die Inflation lag derweil bei rund 13 Prozent. Auch im kommenden Jahr rechnet das Land mit einem Einnahmenplus von 18,8 Prozent.

Dennoch reichen all diese Steigerungen nicht aus. Nach Angaben des ukrainischen Finanzministeriums fließen derzeit etwa 30 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes in den Verteidigungskrieg gegen Russland. Ein Wert, den kein modernes Land ohne äußere Unterstützung auch nur ansatzweise stemmen könnte. Derweil lässt die wirtschaftliche Erholung, die nach dem Absturz des ersten Kriegsjahres zwischenzeitlich eintrat, nach. In diesem Jahr erwarten die meisten Experten nur noch ein Wachstum von zwei Prozent. Und das trotz einer weiterhin boomenden Rüstungsbranche. Parallel dazu muss die Ukraine immer mehr Waren einführen, während die Exporte bestenfalls stagnieren. Die Handelsbilanz im ersten Halbjahr fällt ernüchternd aus. Die Summe der Einfuhren war fast doppelt so hoch wie die der Ausfuhren. All diese Zahlen verdeutlichen: Ohne Geld aus Europa wäre das angegriffene Land bald bankrott.