Standdatum: 20. September 2025.

Autorinnen und Autoren:
Désirée Bertram

Viele Menschen sitzen an Tischen vor der Eckkneipe "Horner Eck"

Die Kneipe „Horner Eck“ wird von einer Genossenschaft betrieben.

Bild: Radio Bremen

2025 ist das internationale Jahr der Genossenschaften. In Bremen gibt es derzeit 36 eingetragene Genossenschaften mit vielen tausenden Mitgliedern. Wie funktionieren sie eigentlich?

Was ist eine Genossenschaft?

Bei einer Genossenschaft tun sich Menschen zusammen, die gemeinsam ein Ziel verfolgen, das für alle Mitglieder Vorteile bringt. Anders als bei einer normalen Firma geht es nicht in erster Linie um Gewinn für Einzelne, sondern um den Nutzen für alle Mitglieder.

Wie funktioniert eine Genossenschaft?

Das Prinzip einer Genossenschaft funktioniert ähnlich wie das eines Vereins. Es gibt einen Vorstand, Mitglieder, die ein- und austreten können, und eine Versammlung aller Mitglieder, die sogenannte Generalversammlung, erklärt Mathias Fiedler, Vorstandssprecher des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften: „Als Unterschied gibt es bei der Genossenschaft noch einen Aufsichtsrat und die Mitglieder beteiligen sich mit Einlagen finanziell an der Genossenschaft.“

Die Idee der Genossenschaft sei, dass ein „gemeinschaftliches“ Unternehmen geführt wird, das von den Mitgliedern genutzt wird. Idealerweise sind also Mitglieder Gesellschafter/innen und Kund/innen gleichermaßen, so Fiedler.

Die Ausrichtung auf die ‚Förderung‘ der Mitglieder ist der prägende Zweck der Genossenschaft.

Mathias Fiedler, Vorstandssprecher des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften

Genossenschaften in Bremen

„An Stelle von Notlagen könnten wir heute von speziellen Bedürfnissen sprechen“, sagt der Vorstandssprecher und nennt als Beispiel die Genossenschaft des Horner Ecks. Die sei nicht entstanden, weil es im Viertel gar keine Kneipen mehr gibt, sondern weil eine bestimmte Kultur erhalten werden sollte. So hatte eine Gruppe von Menschen im Jahr 2019 die von der Schließung bedrohte Kneipe übernommen. „Wir möchten in dem Haus Wohnraum schaffen, die Kneipe erhalten und einen Teil für Kunst- und Kulturprojekte nutzen“, heißt es in ihrer Selbstauskunft.

Ein weiteres Beispiel ist die Bremer-Energiehaus-Genossenschaft. Diese habe sich zu Zeiten des Gaspreisprotests gegründet. Eine Notlage an Gas gab es nicht, ’nur‘ an Transparenz und angemessenen Preisen, erklärt Fiedler: „Wenn den Menschen etwas fehlt, was der Markt nicht bietet, dann kann dies durch gemeinschaftliche Selbsthilfe gemacht werden.“ Ganz nach dem Motto: Was einer alleine nicht schafft, schaffen viele gemeinsam.

Welche Arten von Genossenschaften gibt es?

In einer Konsumgenossenschaft kaufen die Mitglieder ein, in einer Wohnungsgenossenschaft nutzen die Mitglieder den Wohnraum und mit einer Kreditgenossenschaft machen die Mitglieder ihre Bankgeschäfte. „Durch diese Doppelrolle soll gewährleistet werden, dass Gewinninteressen, die Kapitalgesellschaften haben, nicht verfolgt werden.“ Deshalb können die Leistungen einer Genossenschaft günstiger angeboten werden als auf dem normalen Markt. 

Warum gibt es Genossenschaften? 

Die Motive, warum Genossenschaften gegründet werden, sind sehr unterschiedlich. Meist sei es ein Marktversagen, sagt Fiedler: „Wenn eine Leistung oder Ware gar nicht oder nicht in der gewünschten Qualität oder zum angemessenen Preis zur Verfügung steht –  dann kann daraus Engagement entstehen, das zur Gründung führt.“ Quasi als gemeinschaftliche Selbsthilfe, um diesen Mangel abzuschaffen. Daher komme auch die Aussage, Genossenschaften seien Kinder der Not.

Sind Genossenschaften noch zeitgemäß – und warum?

„Aus meiner Sicht sind sie das auf jeden Fall“, ordnet Fiedler auf Nachfrage von buten un binnen ein. „Miteinander kooperieren, um gemeinsam Ziele zu erreichen wird meiner Ansicht nach nie unmodern werden.“ Auch die besondere Ausrichtung an den Interessen der Mitglieder, und damit nicht am größtmöglichen Profit, sei sehr modern. Vor allem in Zeiten, in denen es viele Diskussionen um Unternehmen mit Gemeinwohlbezug gibt. Genossenschaften hingegen hätten dies schon sehr lange als Teil ihrer Identität verstanden.

Der Internationale Genossenschaftsbund habe Werte und Prinzipien der Genossenschaft beschlossen – darunter auch solche, die sich auf die lokale Gemeinschaft beziehen, erklärt er: „Zwar sind Genossenschaften in Deutschland in erster Linie ihren Mitgliedern verpflichtet – durch ihre Arbeit haben sie aber viele positive Effekte.“ Etwa Energiegenossenschaften, die ihren Mitgliedern guten und günstigen Strom liefern und so der Umwelt Gutes tun.

Was braucht eine Genossenschaft, damit sie langfristig funktioniert? 

Eine Genossenschaft könne nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn es ihr gelingt, dass die Leistungen, die sie ihren Mitgliedern erbringt, von diesen als vorteilhaft wahrgenommen werden. Laut Fiedler kann der Vorteil dabei sehr unterschiedlich sein. Meist seien es finanzielle Aspekte – wie Nutzungsentgelte für den Wohnraum, Kreditbedingungen oder Preise für die Waren. Es könne aber auch um andere Aspekte gehen, wie soziale oder kulturelle Aspekte.

Denn wenn die Mitglieder in der Nutzung der Genossenschaft keinen Vorteil mehr sehen, dann macht die Genossenschaft langfristig weniger Umsatz. Die Folge: Sie kann als Unternehmen nicht überleben. Insofern braucht es ein rentabel wirtschaftendes Unternehmen, das die Förderung der Mitglieder berücksichtigt, so Fiedler: „Dann können Genossenschaften langfristig existieren.“

Information zum Thema
Genossenschaften in Bremen

In Bremen gibt es derzeit 36 eingetragene Genossenschaften mit vielen tausenden Mitgliedern, informiert der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften. Dazu gehören etwa Wohnungsgenossenschaften wie KARL, Energiegenossenschaften wie Benergie und Erdwärmedich sowie Lebensmittelgenossenschaften wie Supercoop.

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