Am Mittwoch, dem 16. April, ging es in der Ratssitzung auch um die Frage, ob die Leipziger Kita-Beiträge nach acht Jahren wieder steigen oder nicht. Eine Frage mit Brisanz. Denn mit der Entscheidung, die Kita-Beiträge trotzdem nicht anzuheben, reißt sofort ein 9,6-Millionen-Euro-Loch im Haushalt auf. 9,6 Millionen Euro, die Leipzig eigentlich nicht hat. Aber gerade deshalb machte die Debatte am Mittwoch deutlich, was finanzpolitisch auf Bundes- und Landesebene falschläuft. Und die Schelte musste sich auch CDU-Stadtrat Michael Weickert gefallen lassen.
Denn dass die Stadt so dringend auf die Beiträge der Eltern angewiesen ist, hat auch mit dem sächsischen Kita-Gesetz zu tun, das – anders als in anderen Bundesländern – die Kommunen und die Eltern besonders stark mit der Finanzierung der Kindertagesstätten belastet. Längst trägt die Stadt selbst 60 Prozent der Kita-Kosten, wie Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus in ihrer einführenden Rede betonte, über 100 Millionen Euro jährlich, die natürlich den Haushalt stark belasten.
Und seit 2017 hat der Stadtrat aus guten Gründen jede Erhöhung der Kita-Beträge für die Eltern abgelehnt. Unter anderem – wie Linke-Stadträtin Juliane Nagel zu Recht feststellte – weil sowohl Mieten als auch Lebenserhaltungskosten in dieser Zeit um 40 Prozent gestiegen sind. Was natürlich auch und gerade Familien mit Kindern besonders belastet.
Und das in einer Stadt, in der die Einkommen im Median nur um 30 Prozent gestiegen sind. Aber auch nicht für alle. Denn jeder Blick in die Statistik zeigt, dass davon vor allem hohe Einkommen profitieren, während gerade kleine und mittlere Einkommen viel weniger davon hatten.
Michael Weickert (CDU) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan Kaefer
Doch selbst CDU-Stadtrat Michael Weickert schien da auf einmal sein Herz für Familien zu entdecken, sprach vor allem von „denjenigen, die gerade so über der Bedarfsbemessungsgrenze“ verdienen, die also auch keine Ermäßigung für ihre Kinder in den Kitas bekommen, steigende Kitabeiträge also voll bezahlen müssten.
Was ungerecht ist, wie auch SPD-Stadtrat Frank Franke feststellte, der auf andere Bundesländer verwies, die ganz selbstverständlich eine Staffelung der Kita-Beiträge nach Einkommen haben. Es ginge. Wenn denn Sachsens Landesregierung nur wolle.
Aber die CDU in der Regierung will nicht, hat sogar das erst im Herbst verkündete Kita-Moratorium, nach dem die Landeszuschüsse für die Kitas zumindest stabil bleiben, nicht mit in den Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt 2025/2026 übernommen. Das Land spart also mal wieder auf Kosten der Kommunen. Und FDP-Stadtrat Sven Morlok fragte berechtigterweise: Wie verhalten sich denn dann eigentlich all die Politiker, wenn sie im Landtag, in Kabinettsbesprechungen oder auf Parteitagen über solche Dinge abstimmen?
Lehne ein Michael Weickert auch das Koalitionspapier von Friedrich Merz ab, das ja die verfahrene Finanzierungspolitik der Bundesrepublik festschreibe? Stimmen die SPD-Genossen in der sächsischen Minderheitsregierung gegen die Haushaltspläne des CDU-Finanzministers? Stimmen Grüne und BSW im Landtag gegen den Haushaltsentwurf, wenn das Geld für das Kita-Moratorium nicht drin steht?
Juliane Nagel (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan Kaefer
In Morloks Rede wird etwas deutlich, was in Stadtratsreden selten benannt wird: dass lokale Politiker vor Ort meist Reden schwingen, die mit den Beschlüssen ihrer Kollegen auf Landes- und Bundesebene nicht übereinstimmen.
Und nicht nur Morlok erinnerte daran, dass das Geld, das Leipzig durch die Nichterhöhung der Kita-Beiträge nicht einnimmt, für andere wichtige Projekte der Stadt fehlen wird. Das tat auch Marsha Richarz, Sprecherin für Jugend, Inklusion, Gleichstellung und Queerpolitik der Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat.
Die auch daran erinnerte, dass nicht die Verwaltung den Abstimmungstermin für die Kita-Beiträge erst auf einen Termin nach dem Haushaltsbeschluss im März verschoben hatte, sondern die Fraktionsvorsitzenden von Linken und CDU diese Verschiebung mitverantworteten. So dass der Haushalt am 12. März beschlossen wurde, ohne zu wissen, ob es die Kita-Gebührenerhöhung gibt oder nicht.
Die Gegenfinanzierung fehlt
„Die Ablehnung der Beitragserhöhung ohne jeglichen Gegenfinanzierungsvorschlag ist verantwortungslos. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass die dadurch entstandene Haushaltslücke nicht durch Kürzungen bei essenziellen freiwilligen Leistungen wie dem Demokratiereferat, der Jugendhilfe oder der Schulsozialarbeit oder der gerade erst beschlossenen Qualitätsverbesserung in zehn ausgewählten Schwerpunkt-Kitas kompensiert wird“, kommentiert Richarz die Entscheidung des Stadtrates im Nachhinein.
Denn nicht allein die Vorlage der Stadt wurde mit 15:4 Stimmen abgelehnt (bei acht Enthaltungen), sondern auch der Kompromissvorschlag, den die SPD-Fraktion eingebracht hatte, den Beitrag deutlich weniger anzuheben. Der wurde mit 17:49 Stimmen abgelehnt.
Denn ein Problem sieht Richarz: Dass die nun fehlenden Gelder nun ausgerechnet im Dezernat für Jugend, Schule und Demokratie aufgetrieben werden müssen. Wsa ja bedeutet, dass das Geld dann trotzdem wieder Angeboten für Kinder und Familien entzogen wird.
„Es wäre fatal, wenn die vermeintlich elternfreundliche Entscheidung letztlich zu Lasten derselben Kinder und Jugendlichen ginge, indem wichtige Förderstrukturen und Angebote reduziert werden müssten“, so Richarz.
Die Grünen-Fraktion will deshalb darauf drängen, dass die freiwilligen Leistungen im Bereich Jugend, Schule und Demokratie nicht nur erhalten, sondern, wie ursprünglich geplant und vom Stadtrat mit dem Haushaltsbeschluss am 12. März bestätigt, ausgebaut werden. „Gerade in Zeiten, in denen demokratische Strukturen unter Druck stehen, brauchen wir mehr und nicht weniger Investitionen in diesen Bereich“, betont Marsha Richarz.
Der Verweis von CDU und AfD auf die Entlastung von Familien sei pure Heuchelei, sagt Richarz: „Dieselben Parteien haben in den Haushaltsverhandlungen gegen zentrale familienfördernde Maßnahmen gestimmt – sei es der Sicherung der Schulsozialarbeit, der verbesserten Finanzierung der Erziehungs- und Familienberatungsstellen, der Deckung steigender Kosten in der Kinder- und Jugendhilfe, selbst beim Spielplatzausbau.
Jetzt besteht die Gefahr, dass die entstandene Finanzierungslücke die Genehmigungsfähigkeit des eben erst beschlossenen Kommunalhaushaltes und damit auch die so wichtige Finanzierung zahlreicher sozialer wie demokratiefördernder Projekte infrage stellt, ein Kalkül, was diese Fraktionen möglicherweise bewusst in Kauf genommen haben.
Wir werden nicht zulassen, dass sogenannte freiwillige Leistungen der Stadt, die Familien, Jugendliche und demokratische Strukturen stärken, nun zum Opfer einer kurzsichtigen Finanzpolitik werden. Die Verantwortung für die Haushaltslücke tragen jene, die die notwendige und seit Jahrzehnten unter CDU-Regierung gesetzlich festgeschriebene Anpassung der Kita-Beiträge abgelehnt haben. Sie müssen nun auch konstruktive Vorschläge zur Gegenfinanzierung machen!“
Zwei Probleme für die Stadt
Weil die Vorlage zur Erhöhung der Kita-Beiträge abgelehnt wurde, hat Leipzig jetzt zwei Probleme. Die Stadt muss 9,6 Millionen Euro pro Jahr auftreiben, um die Deckungslücke im Haushalt zu schließen. „Wir müssen schauen, wie wir damit umgehen“, sagte OBM Burkhard Jung nach der Debatte.
Und noch ein Problem steht, denn bei den Beiträgen für die Krippenplätze reißt Leipzig die vom sächsischen Kita-Gesetz vorgegebene Mindestmarke von 15 Prozent, die für Elterbeiträge vorgesehen ist. Das heißt – wie Jung auch betonte – der Beschluss ist eigentlich ein Gesetzesverstoß. Ob der damit geheilt wird, dass die Stadt die Differenz übernimmt, ist offen.
Nur eines wird immer deutlicher: Wie sehr Bundes- und Landespolitik versagen, wenn es um die grundlegende Finanzierung der Kommunen geht. Sie lassen sie mit notwendigen Ausgaben einfach im Regen stehen. Während andere Bundesländer – so die Linke-Stadträtiun Juliane Nagel – längst an der beitragsfreien Kita-Betreuung arbeiten. Wohl wissend, dass gute Bildung auch im Vorschulalter beitragsfrei sein muss und eigentlich die Länder dafür in der Verantwortung stehen.