Man kennt die Situation: Vom Einkauf zurück, muss zunächst die teuer erstandene Ware in Kühlschrank, Gefrierfach und Vorratskammer verstaut werden. Auch für den Rasendünger und die Kakteen- und Sukkulentenerde muss im Gartenschuppen ein Plätzchen gefunden werden. Viel Stress also. Erst dann fällt der Blick auf die Füße. „Mein Gott, ich bin ja barfuß!“ Keine Ahnung, wo die handgefertigten orthopädischen Schuhe aus Yakleder geblieben sind. Beim Metzger vergessen? Und wo bitte schön ist der Ralph-Lauren-Cordblouson geblieben? Vielleicht dort, wo auch der Luxus-Regenschirm mit dem vergoldeten Griff verloren gegangen ist. Natürlich ist die Beschreibung maßlos übertrieben. Aber es ist schon erstaunlich, was so an teuren Gegenständen vergessen – und nie wieder abgeholt wird. Und dieses Phänomen macht auch vor Schulen nicht halt.
Einen sorglosen Umgang mit teuren Klamotten im Wert von über tausend Euro hat Lehrer Oliver Löscher vom Europa-Gymnasium in Wörth im Gespräch mit RHEINPFALZ-Mitarbeiter Joachim Paul beklagt. Seit fünf Jahren widmet sich Löschers Umwelt-AG den Fundsachen am EGW. „Enorme Mengen an verlorener Kleidung, vor allem im sportlichen Bereich, aber auch Schulmaterialien aus den Spinds, darunter ausgeliehene Bücher mit Leihgebühren fallen in kürzester Zeit an“, erzählt Löscher. Nach wenigen Wochen sind die Fundkisten unter der Treppe am Haupteingang gefüllt. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft leeren dann die Fundkisten und sortieren die Gegenstände im Fundraum im Keller in die Regale ein. „Auf Anfrage kann der Kellerraum geöffnet werden und Verlorenes kann wieder gefunden werden. Aber leider haben auch angekündigte betreute Fundraumaktionen in den Pausen nur wenig Resonanz gehabt“, erzählt Löscher.
„Flohmarkt-Happening“ ohne gewünschten Erfolg
Das Sommerfest und der Präsentationstag nach der Projektwoche seien laut Löscher ein weiterer Anlass, Eltern und Schülern ein „Flohmarkt-Happening“ zu bieten. Aber auch dabei bleibt immer vieles liegen. Alle zwei Jahre wird dann der Fundraum komplett geleert und die Kleidung an bedürftige Kinder bei der Tafel in Wörth gespendet. „Wir sind sehr dankbar für diesen Kontakt und freuen uns, etwas Gutes mit verlorenen Dingen zu tun“, sagt der Lehrer. Die Vorsitzende der Tafel Wörth, Uschi Bisanz , freut sich ebenso für ihre Kunden: „Wir sind froh, wenn wir unsere Kunden und ihre Kinder mit solchen Kleidungsstücken für einen geringen Preis ausstatten können.“
Aber Pädagoge Löscher appelliert auch an die Schüler und deren Eltern, doch etwas genauer auf verloren gegangene teure Kleidungsstücke zu achten. „Das müsste doch auffallen, bevor wieder neue Kleidung angeschafft wird“, wundert sich Löscher. In der Tat, es sollte ein Thema beim Abendessen sein, wenn manch Schüler halbnackt nach Hause gekommen ist. Natürlich werden nicht nur am Europa-Gymnasium viele Dinge einfach liegen gelassen. An anderen Schulen sieht es ähnlich aus. Und nicht nur an Schulen, überall wo Menschen zusammengekommen, werden Gegenstände vergessen. Und häufig sind es halt Kleidungsstücke, die liegen bleiben.
Preise für Kleidung steigen stetig
Nach dem Einbruch während der Corona-Pandemie sind die Preise für Kleidung und Schuhe zuletzt stetig gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt haben die privaten Haushalte im Jahr 2024 rund 77,49 Milliarden Euro für Bekleidung ausgegeben, das ist ein Plus von 2,4 Milliarden im Vergleich zum Vorjahr. Kein Wunder, könnte man sagen, wenn sich viele Menschen gar nicht erst die Mühe machen, nach verlorener Kleidung zu suchen, sondern lieber unverzüglich in neue Mode investieren.
In der heutigen Zeit wird viel über nachhaltigen Konsum debattiert. Kleidung wird da in machen Kreisen gerne ausgeklammert, weil der Kauf von Klamotten angeblich das Wohlbefinden steigert. Nicht umsonst gilt Kleidung als Konsumliebling. Vielleicht sollten die gefundenen Klamotten in der Schule nicht einfach zum (kostenlosen) Abholen im Fundbüro gelagert oder kostengünstig auf einem Flohmarkt verkauft werden, sondern teuer in einer Boutique im Foyer der Schule zum Kauf angeboten werden. Der ein oder andere Schüler würde sich vielleicht gut dabei fühlen, wenn er seine Markensporthose für viel Geld erneut kaufen könnte.
Jörg PetriFoto: Nicole Tauer