Susanne Baer, 2011 bis 2023 Richterin am Bundesverfassungsgericht, berichtet mit wohltemperierter Offenheit über ihre Arbeit in Karlsruhe. Ein enorm wichtiges Buch in Zeiten der Demokratieverdrossenheit.
Rechtsprechung ist immer auch Theater, und die bekannteste Kulisse Deutschlands ist in dieser Hinsicht eine hölzerne Wand mit einer Tür, aus der acht Menschen in roten Roben treten, angekündigt durch einen lang gezogenen Ruf. „Daaas Bundesverfassungsgericht.“ Das kann man bei Urteilsverkündungen verfolgen. Unsichtbar bleiben die Minuten davor: Wie die Richterinnen und Richter im Ankleidezimmer eintreffen, alle mit weißem Hemd oder weißer Bluse, natürlich langärmlig, weil alles andere unter den weiten Ärmeln der roten Robe seltsam aussehen würde. Wie die Amtsmeister ihnen helfen, die Roben aus dem „schwerroten“ Stoff namens Duchesse überzustreifen. Wie sie hinter der Tür Aufstellung nehmen. Susanne Baer war bei ihrem ersten Auftritt angespannt. Dann raunte ein Kollege ihr zu: „Wir sind ein freundliches Gericht! Sie können ruhig lächeln!“