Dass John Watts gleich beim allerersten Konzert in Deutschland einen Haufen Halbstarker verprügelte, hat seiner Popularität hierzulande nicht geschadet. Im Gegenteil, viele Zeitungen berichteten über diesen Haudrauf aus Großbritannien, der seine Ansage „Wenn ihr nicht die Klappe haltet, komme ich runter und reiße euch den Kopf ab“ in die Tat umgesetzt hatte. Und auch viele der unbeschadeten Zuschauer zollten dem blutend auf die Bühne zurückgekehrten Frontmann der Band Fischer-Z Respekt dafür, dass er die Störenfriede in ihre Schranken gewiesen hatte.

Angst vor irgendwelchen Rüpeln hatte der damals knapp 20-Jährige keine. Vor den Konzerten mit seiner aufstrebenden Band in England arbeitete der Student der klinischen Psychologie tagsüber in einer Klinik für psychisch Kranke; als stämmiger Rugby-Spieler war es seine Aufgabe, ausrastende Patienten niederzuwerfen. „Ich bin selbst von Natur aus nicht aggressiv, aber ich hatte buchstäblich den ganzen Tag mit tobenden Psychopathen zu tun“, so erinnert er sich in einem Begleit-Interview zum neuen, seinem 26. Album. „Da hast du keinen Bammel mehr vor ein paar Punks.“ Denn wenn er dann abends „vor ein paar rotzfrechen kleinen 17-Jährigen“ spielte, die drohten, ihm eine Zigarette auf dem Bein auszudrücken, dann habe er sich gedacht: „Okay, dann komm ruhig her!“

Das klingt jetzt schwer nach dem rauflustigen Punk in den Endsiebzigern, also nicht die feine englische Art. Aber im Grunde waren Fischer-Z von 1977 bis 1982 beides: „Wir waren Art-Punks.“ Also Kunst-Rüpel – feingeistig und wehrhaft. Sowas sagte deren Anführer auch im ersten offiziellen Interview der Band im Magazin Sounds: „Ich nehme an, wir sind pseudointellektuelle Möchtegern-Kunststudenten aus der Mittelschicht.“ Von da an galt er als Klugscheißer, und in seiner Heimat ging es bergab mit Fischer-Z (mal abgesehen von Edel-Fans wie BBC-Moderatoren-Guru John Peel). In Rest-Europa hatte man wohl mehr Sinn für schwarzen britischen Humor, vor allem in Deutschland, wo sich das hymnisch-kritische Album „Red Skies Over Paradise“ mit Hits wie „Marlies“ und „Berlin“ bis zu 50 000 Mal die Woche verkaufte.

Fischer-Z (was sich wie Fish’s Head, also Fischkopf anhören sollten) waren richtige Stars der Post-Punk- und New-Wave-Ära, die mit Talking Heads, The Cure, Depeche Mode gemessen wurden, die mit Peter Gabriel, Dire Straits, The Police und Bob Marley spielten (auch weil sie anständigen Reggae abliefern konnten), die immer auch politisch und links agierten, wenn sie sich mit Margaret Thatcher anlegten oder den großen britischen Bergarbeiter-Streik in Songs thematisierten.

Obwohl Watts ein geborener Entertainer ist, blieb er in den Clubs und Underground – vielleicht auch, weil er lange lieber Alleinunterhalter war, die Band 1982 auflöste und solo alles mögliche probierte: Poesie, DJ-Beats, ein Multidmediaprojekt mit Straßenmusikern zu 9/11. Er sah sich stets als Gesamtkünstler, dessen Helden sowohl Captain Beefheart als auch Andy Warhol waren.

Immer noch will das Publikum seinen großen Hit „Marlies“ hören.Immer noch will das Publikum seinen großen Hit „Marlies“ hören. (Foto: André Symann)

So will er nun (wieder als Fischer-Z) auch von anderen gesehen werden. „Hallo, ich bin John Watts, ihr kennt mich für meine Musik, wenn ihr mich überhaupt kennt. Aber was ihr nicht wisst: Ich mache auch viele Zeichnungen“, so stellt der Mann mit Hut sein Projekt „Punkt!“ in einem Video vor.  Es gibt also nicht nur zehn neue Songs wie den schunkligen Maracas-Soul „When Love Goes Wrong“ oder die Polit-Meditation „Conclusion“. Dazu packt Watts auch zehn Kunstwerke und einen Kurzfilm. Und das alles gibt es zunächst vor allem limitiert und analog, also mit echter Schallplatte – John Watts’ Gegenmaßnahme zu KI.

Dazu gehört auch der feine Rahmen seiner „Punkt!“-Tour, die ihn zunächst in einige deutsche Kunst-Galerien bringt, zu denen sich auch das Münchner Kulturzentrum Pasinger Fabrik wegen seiner feinen Ausstellungen zählen darf. Hier will Watts erst mal für eine kleine Zahl Pop– und Kunstinteressierter spielen. Die schauen sich davor auch seine Zeichnungen an und sagen (so hofft er) „mein Gott sind die toll, und kaufen welche“. 2026 geht er dann in größeren Hallen auf 50-Jahre-Fischer-Z-Tournee. Natürlich besonders gerne in Deutschland, wo man ihm seine Provokationen nicht übel nimmt, wie: „Ich wünschte, mein Publikum wäre nicht so hässlich.“ Zuhause wären sie dafür beleidigt, sagt er, in Deutschland feiere man ihn dafür als lustigen, mürrischen Engländer, einen politischen Pop-Autor zwischen Paul Weller und Billy Bragg.

Fischer-Z, „Punkt!“-Galerien-Tour, Mittwoch, 24. September, 18 bis 21.30 Uhr,  München, Pasinger Fabrik; 50-Jahre-Tour, 20. Oktober, Alte Kongresshalle