In der Stadtratssitzung am 16. April gab es – eigentlich folgerichtig – auch noch eine kleine Debatte zu Leipzigs Straßenbäumen. Denn die Bäume in der Stadt spielen eine enorme Rolle beim Klimaschutz und der Kühlung der Stadt in den zunehmend heißeren Jahren. Gleichzeitig leiden sie auch für alle sichtbar unter der Dürre der vergangenen Jahre. So gesehen war schon verständlich, dass der Ökolöwe nach dieser Ratssitzung herb enttäuscht war. „Katastrophale Bilanz bei Straßenbaumpflanzungen!“, meldete er sich danach zu Wort. „Die Stadt Leipzig pflanzt 2024 nur jeden zweiten versprochenen Straßenbaum“.

Die Debatte entspann sich in der Fragestunde des Stadtrates zur Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen „Baumfällungen: Wo bleibt der grüne Nachschub?“. Die Grüne hatten sehr detailliert gefragt und sich dabei auch auf sehr irritierende Zahlen bezogen, welche die LVZ verkündet hatte: „Regelmäßig erfragen wir im Frühjahr eine Bilanz der Baumfällungen nach Baumschutzsatzung nach Ende der Fällsaison. Ebenso interessieren wir uns für die Entwicklung des Leipziger Stadtbaumbestands an Straßen, in Grünanlagen und Parks.

Denn meist fallen mehr Bäume als neue gepflanzt werden – bestehenden Bemühungen und Zielsetzungen zum Trotz. Laut Straßenbaumkonzept 2030 sollen in Leipzig jährlich zusätzlich zum Erhalt des Straßenbaumbestands 1.000 Neupflanzungen erfolgen. In der LVZ vom 19. Februar steht, dass 2024 2.533 Bäume gefällt wurden und nur 745 nachgepflanzt wurden, wobei unklar bleibt, ob es sich dabei um Straßenbäume, Stadtbäume (in Parks und Grünanlagen) oder Bäume auf privaten Grundstücken handelt.“

Im LVZ-Artikel scheint es dabei drüber und drunter gegangen zu sein. Die Unklarheit, die die Grünen empfanden, war wohl im Text angelegt. Dabei wissen die Grünen über die Zahlen besser Bescheid als die LVZ-Redakteure.

Zahlen zu Fällungen auf Privatgrundstücken fehlen

Die Antwort aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer bot dann folgerichtig ein völlig anderes Bild. Übrigens mit der Grundaussage: „Der Straßenbaumbestand konnte in den letzten Jahren wieder kontinuierlich erweitert werden.“

Dazu gehört auch die Aussage, dass seit März 2023 allein auf privaten Grundstücken 588 neue Bäume gepflanzt wurden. Eine Zahl, die dann über 2.000 Anträgen auf Genehmigung von Eingriffen in den geschützten Gehölzbestand in den Jahren 2023 und 2024 gegenüber steht. Aber diese über 2.000 Anträge sind nicht alles Baumfällungen, betonte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am Mittwoch, als Dr. Nicole Schreyer für die Grünen nachfragte. Darin stecken auch Baumschnitte und Eingriffe in Gehölze. Wie viele Baumfällungen darunter sind, das verrate das EDV-System um ASG leider nicht, so Rosenthal. Das müsse man händisch auswerten. Wofür er wieder nicht die Leute hat.

Bessere Übersicht hat die Stadt bei den Straßenbäumen und den Bäumen in Parks und Grünanlagen. Denn da gibt es zu jedem einzelnen Baum eine Dokumentation.

Die Kritik des Ökolöwen

Auch wenn der Ökolöwe erst einmal nur eine negative Botschaft aus der Antwort des Amtes für Stadtgrün und Gewässer mitnahm: „Auf Anfrage im Stadtrat gab die Verwaltung diese Woche die aktuellen Zahlen zu den Straßenbaumpflanzungen bekannt. Die Bilanz ist katastrophal: Statt der beschlossenen 1.000 neuen Bäume hat die Stadt Leipzig im vergangenen Jahr nur 556 neu gepflanzt – über weitere 200 Bäume weniger als im Jahr 2023.“

„Während die Temperaturen steigen, versagt Leipzig beim einfachsten Klimaschutz: dem Pflanzen von Bäumen. Das ist ein klimapolitisches Armutszeugnis!“, meint Niclas Rosendahl, umweltpolitischer Sprecher des Umweltverbands Ökolöwe e. V. Seit dem Beschluss des Straßenbaumkonzepts im Jahr 2019
habe Leipzig in keinem einzigen Jahr die 1.000 versprochenen Erstpflanzungen annähernd erreicht.

Stattdessen habe die Stadt inzwischen einen Pflanzrückstand von 3.169 Bäumen aufgestaut. Im Straßenbaumkonzept wurden Leipzigs Straßen analysiert und ein Potenzial von 45.391 Erstpflanzungen berechnet – bei 1.000 neuen Bäumen pro Jahr wäre das Ziel in 45 Jahren erreicht.
„Das Potenzial ist doch da, also Schluss mit den ewigen Ausreden!“, meint Rosendahl. „Wenn Leipzig in diesem Tempo weiter pflanzt, brauchen wir über 100 Jahre, um unsere Straßen zu begrünen!“

Baumpflanzungen im Wettlauf mit der Dürre

Aber auch das deckt sich nicht wirklich mit den Zahlen aus der Antwort des ASG. Zumindest bei Straßenbäumen nicht. Denn von den 1.000 vom Stadtrat beschlossenen zusätzliche Straßenbäumen pro Jahr entfallen nur 500 auf das ASG. Die anderen 500 entfallen vor allem auf Stadtentwicklungsprojekte.

Aber da trifft tatsächlich zu, dass die beschlossene Größenordnung nicht erreicht wurde: „Erstpflanzungen aus zusätzlichen Stadtentwicklungsprojekten (wachsende Stadt) in Größenordnungen von 250 Bäumen pro Jahr (vgl. Straßenbaumkonzept S. 68) konnten in den vergangenen Jahren nicht annähernd in der Höhe realisiert werden, da entsprechende Projekte nicht umgesetzt wurden“, heißt es in der Antwort. Und: „Erstpflanzungen im bisherigen Umfang aus städtischen Projekten in Größenordnungen von 250 Bäumen pro Jahr (vgl. Straßenbaumkonzept S. 68) konnten nicht immer vollständig erreicht werden.“

Baumpflanzungen und Baumfällungen in Parks und bei Straßenbäumen. Grafik: Stadt LeipzigBaumpflanzungen und Baumfällungen in Parks und bei Straßenbäumen. Grafik: Stadt Leipzig

Aber genau da fragte am Mittwoch niemand nach, warum das so ist. Und ob man die Bäume nicht doch lieber dem ASG zuschlägt, damit es neue Straßenbäume pflanzt.

Oder noch besser: neue Parkbäume. Denn da wird das eigentliche Problem sichtbar. Die Bäume in Leipzigs Grünanlagen leiden massiv unter Trockenstress, wie Heiko Rosenthal feststellte. Und er rechnet in den nächsten Jahren noch mit weiteren Abgängen im Baumbestand der Leipziger Parks. Schon die Abgänge in den letzten beiden Jahren waren heftig.

Allein 2022 kamen auf 745 neu gepflanzte Parkbäume 2.066, die gefällt werden mussten, weil sie – vor allem durch Trockenstress – abgestorben waren oder nicht mehr standsicher. Die langen Dürrejahre seit 2018 machen sich überall bemerkbar. 2023 wurde 432 neue Parkbäume gepflanzt, aber wieder mussten auch 1.756 Bäume in Parks und Grünanlagen gefällt werden. Und 2024 sah es nicht besser aus: Auf 313 Neupflanzungen kamen 1.775 gefällte Parkbäume. In Leipzigs Parks wird am stärksten sichtbar, was die Dürren der letzten Jahre für Folgen haben.

Herr Andreas Geisler (SPD) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan KaeferAndreas Geisler (SPD) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan Kaefer
Positive Entwicklung bei Straßenbäumen

Gerade bei den Straßenbäumen sieht es etwas besser aus. 2022 kamen auf 769 gefällte Straßenbäume 872 durch das ASG neu oder nachgepflanzte Bäume. 2023 kamen auf 729 Fällungen 1.370 Neu- und Nachpflanzungen und 2024 dann auf 758 gefällte Straßenbäume 1.029 Neu- und Nachpflanzungen. 2023 hat das ASG zumindest für seinen Teil das vom Stadtrat gesetzte Ziel von 500 zusätzlichen Straßenbäumen geschafft. Nicht nur durch Bepflanzung der amtlich vorhandenen über 14.000 leeren Baumscheiben, sondern – in vielen Ortsteilen zu beobachten – die Anlage neuer Baumscheiben im Straßenraum.

Aber Heiko Rosenthal erklärte auch, warum das Ziel von 1.000 zusätzlichen Bäumen nicht erreicht wird: Es sind die massiven Abgänge von Bäumen durch die Folgen der jahrelangen Dürre, auf die auch das ASG „ressourcentechnisch nicht eingestellt“ sei. Was im Klartext ja heißt: Die Ressourcen, die eigentlich für den Aufbau des Straßenbaumbestandes gebraucht würden, werden allein schon durch die notwendig werdenden Fällungen verdorrter Bäume und der notwendigen Neupflanzungen an ihrer Stelle gebunden.

Die Stadt befindet sich in einem Rennen gegen die zunehmende Hitze und Trockenheit. Hier wird es ganz explizit sichtbar.

Und auch die 14.325 gezählten unbepflanzten Baumscheiben stehen nicht alle für Bepflanzung zur Verfügung. Danach fragte SPD-Stadtrat Andreas Geisler. Denn – so Rosenthal – unter etlichen älteren Baumscheiben verlaufen auch noch Leitungen. Die da eigentlich gar nicht hingehören, wie CDU-Stadtrat Falk Dossin feststellte. Aber darauf haben wohl die früheren Leipziger Verwaltungen in vielen Fällen einfach nicht geachtet. Also muss jede Baumscheibe für sich untersucht und geplant werden. Und das sei – so Rosenthal – viel aufwendiger, als man sich das für gewöhnlich so vorstelle.