Es ist das Bild dieses ersten Wiesnwochenendes: Statt eines Masskrugs halten viele Besucherinnen und Besucher einen Fächer in der Hand. Und wer keinen mitgebracht hat, nimmt eine Speisekarte oder notfalls das Handy. Sagenhafte 31 Grad hatte es auf der Theresienwiese am Anstichstag – so heiß war es noch nie, heißer sogar als beim bisherigen Hitzerekord im Jahr 1993 mit 29,7 Grad, auch am Sonntag hatte es ähnliche Temperaturen. Das hat Folgen, die nicht zuletzt die Aicher Ambulanz zu spüren bekommt.
Deren Einsatzkräfte mussten am Samstag bereits in den Mittagsstunden viele Menschen mit Kreislaufproblemen versorgen. Und, das ist das eigentlich Besondere: die meisten nicht durch Alkohol bedingt, sondern durch die hohen Temperaturen.
Das Wetter beeinträchtigte auch Dieter Reiter beim Anzapfen. Der Schlegel sei ganz feucht und rutschig gewesen, sagte der Oberbürgermeister. „Er wäre mir fast aus der Hand gefallen.“ Doch es gelang ihm doch noch, das Gerät festzuhalten. Lediglich zwei Schläge benötigte der SPD-Politiker, dann war das 190. Oktoberfest am Samstag um 12 Uhr eröffnet, und Reiter konnte sich mit einem Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn wischen. Einmal mehr hieß es: O’ zapft is!
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:US-Tourist in der Nähe der Wiesn von Tram überrollt
Das weltweit größte Volksfest zieht am zweiten Tag noch einmal bei traumhaftem Wetter Besucher an. Doch neben der guten Stimmung gibt es auch Hitze-Zusammenbrüche – und einen schweren Unfall.
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Dass es für die Sanitäter viel zu tun gab, könnte auch damit zu tun haben, dass der Andrang zum Wiesnauftakt aufgrund des schönen Wetters besonders groß war. Vor den Eingängen hatten sich deutlich längere Schlangen als im Vorjahr gebildet. Manche hatten seit dem Abend ausgeharrt, mit Decken und Schlafsäcken. Als die Eingänge öffneten, sprinteten sie los, um einen Tisch im Zelt zu ergattern.
Die „Pullach Cowboys“ rannten schnell genug. Die Freunde, alle um die 20 Jahre alt, belegten einen Tisch im Schottenhamel-Festzelt – wie jedes Jahr direkt hinter der Band, die Bedienung erkannte sie schon. Bequemer hatte es da Florian Silbereisen: Für den Schlagersänger war wieder der Tisch direkt gegenüber der Anzapfbox reserviert. Diesmal setzte sich Kollege Jürgen Drews neben ihn, auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) schaute vorbei. Zu späterer Stunde wurde als vielleicht prominentester Wiesn-Gast an diesem Wochenende außerdem der US-Rapper Drake gesichtet, der sich erst im Schützen-Festzelt und später in der Käfer-Wiesn-Schänke unters feiernde Volk mischte.
Der Andrang war groß, besonders gesucht waren im Freien Schattenplätze. (Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)
Der Trachtenverein Birkenstoana Stamm aus Oberschleißheim reihte sich in den Umtzug am Sonntag ein… (Foto: Stephan Rumpf)
.. und auch der Fanfarenzug Weissenau war Teil der Schau. (Foto: Stephan Rumpf)
Derweil drehten die Massen in der Schaustellerstraße Runden in den Fahrgeschäften. Und in den Biergärten blieb an diesem Samstag keine Bierbank leer. Dort besonders begehrt: Schattenplätze. Als im Schottenhamel-Zelt die ersten Masskrüge geleert und die ersten Hendl verspeist waren, stimmte der Oimara höchstselbst seinen „Wackelkontakt“ an, einen heißen Favoriten auf den diesjährigen Wiesnhit.
Während die meisten der am Premierentag 450 000 Besucherinnen und Besucher trotz der Hitze ausgelassen feierten, gab es allerdings auch einige, denen die Hitze zu Kopf gestiegen sein dürfte. In jedem Fall aber beschäftigten sie am Samstag die Polizei: So begrüßte ein 25-jähriger Tourist einen Souvenirverkäufer mit dem sogenannten Hitlergruß, im Käfer-Zelt kam es zwischen zwei ziemlich betrunkenen Männergruppen zu einer Schlägerei, bei der auch ein Masskrug zum Einsatz kam, Platzwunde am Kopf inklusive. Zudem verzeichnete die Polizei insgesamt fünf Fälle von sexueller Belästigung, in allen Fällen hatten Männer Frauen am Gesäß angefasst.
Ein 50-Jähriger wurde daraufhin in der Bräurosl, ein 40-Jähriger an einem Stand auf dem Festgelände festgenommen. Außerdem wurden zwei Notfallsanitäterinnen von einem 23-Jährigen, der die medizinische Behandlung verweigerte, an den Brüsten und am Gesäß begrapscht. Am frühen Abend gerieten außerdem zwei Jugendgruppen in einen Streit im Hacker-Festzelt. Beamte die versuchten, die Streithähne zu trennen, wurden ebenfalls angegriffen. Der Vater eines 19-Jährigen versuchte daraufhin seinen Sohn zu befreien und ging ebenfalls auf die Beamten los.
Kurz vor dem Ende des ersten Wiesn-Tags legte die Polizei zudem noch drei Taschendieben das Handwerk. Sie wurden ebenso wie der 23-Jährige, der die Sanitäterinnen sexuell belästigt hatte, noch am Sonntag einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Für sie gibt es also aller Voraussicht nach keinen weiteren Wiesn-Tag mehr in diesem Jahr.
Sofern er denn wirklich auf dem Heimweg von der Wiesn war, dürfte es das aber auch für einen 24-jährigen Touristen mit dem Oktoberfest gewesen sein: Der junge Amerikaner überquerte an der Schwanthalerhöhe die Straßenbahngleise, ohne auf den Verkehr zu achten und wurde dabei trotz Notbremsung von einer Tram überrollt. Er erlitt ein Schädelhirntrauma, in Lebensgefahr befindet er sich laut Polizei aber offenbar nicht. Gegen den 24-Jährigen wird nun wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ermittelt.
Weil aber doch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Anstich gesagt hatte, die Wiesn sei eine „Auszeit von den Krisen“, zurück zu den erfreulichen Dingen: dem traditionellen Trachten- und Schützenumzug zum Beispiel. An dem nahmen am Sonntag rund 9000 Trachtlerinnen und Schützen von nah und fern teil, angeführt von der Reiterstaffel des Münchner Polizeipräsidiums, und na klar, auch Söder selbst war mit von der Partie.
Ein Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war anders als der bayerische Ministerpräsident nicht in der Festkutsche, sondern zu Fuß unterwegs. Man sah vielen deshalb, als sie nach rund sieben Kilometern an der Theresienwiese ankamen, an, wie heiß ihnen unter der Tracht war. Aber was tut man nicht alles für die Tradition? Und auf der Wiesn hat danach sicherlich auch die ein oder andere kühle Mass gewartet. Denn so viel steht fest: Hitze hin oder her, das Bier auf dem Oktoberfest fließt wie eh und je.
