Radfahrer aus Baden-Württemberg demonstrierten am Sonntag in Stuttgart und auf dem Weg dorthin. 5400 nahmen laut Veranstalter teil. Die Polizei nennt Details zu dem einen Unfall.

Zweirad neben Zweirad, Demonstrant neben Demonstrant: Der Stuttgarter Schlossplatz füllt sich an diesem Sonntag zügig mit Fahrradfahrern – und zwar aus den verschiedensten Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg. Der Grund: Tausende von ihnen haben sich auf den Weg nach Stuttgart gemacht, um für ihre Anliegen – darunter mehr Sicherheit und eine besser Radwegeinfrastruktur – zu demonstrieren.

Nach einer sechsjährigen Pause lud der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) wieder zu einer Sternfahrt in die Landeshauptstadt ein. Dort stand am Schlossplatz die Abschlusskundgebung mit Politprominenz, darunter Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), an.

Doch zunächst mussten die Radfahrer überhaupt erst dort ankommen. An 40 Treffpunkten konnten die Teilnehmer auf zwölf von der Polizei eskortierten Routen dazustoßen – etwa in Heilbronn, Karlsruhe und Schwäbisch Gmünd. Auch in Stuttgart selbst war der spätere Einstieg möglich. Aus den Etappen ergaben sich acht Zubringer – etwa die in Göppingen und Sindelfingen.

Anschließend sammelten sich die Radfahrer in Waiblingen, Esslingen, am Stuttgarter Pragsattel sowie in Stuttgart-Vaihingen und begaben sich von dort aus über die B10 und die B14 durch den Kappelbergtunnel, das Neckartal, den Rosensteintunnel und den Heslacher Tunnel in die Innenstadt. Die Bundesstraßen waren für Autofahrer daher gesperrt worden. Da das aber jeweils nur abschnittsweise und kurzzeitig der Fall war, blieben nach Angaben der Polizei auch die Auswirkungen auf den Autoverkehr im erwarteten Rahmen.

Polizei: Ein Unfall bei Sternfahrt

Sie berichtet am Sonntag von einem Unfall kurz nach dem Kappelbergtunnel, bei dem sich ein Mann eine Kopfverletzung zuzog. Er habe zwar in ein Krankenhaus müssen, sich aber nicht schwer verletzt, sagt ein Sprecher am Abend. Der Sturz habe sich mutmaßlich aufgrund eines Fahrfehlers und ohne Fremdeinwirkung ereignet. Zuvor hatten Schilderungen von Augenzeugen den Eindruck erweckt, der Mann könne schwerer verletzt sein.

Abgesehen von diesem Unfall gab es bei der Sternfahrt nach Polizeiangaben keine Zwischenfälle.

Der Veranstalter ging im Vorfeld von rund 6000 Teilnehmern aus, letztlich berichtet er von 5400. Daniel Reinke ist in Obertürkheim losgefahren und vor Ort, „um ein Zeichen zu setzen“ – in einer Stadt, die von Autos geprägt sei, solle aufgezeigt werden, wie viele Menschen Fahrradfahren und berücksichtigenswerte Verkehrsteilnehmer sind. Ihm gehe es vor allem um den Aspekt der Sicherheit.

„Wir brauchen sicherere Radwege, eine bessere Radwegeinfrastruktur“, fordert Bernadette Gehrung, die mit ihrem Dreirad in Stenhaldenfeld gestartet ist. Der Stuttgarterin sei wichtig, „dass wir eine Stimme haben“. Deshalb sei sie am Schlossplatz dabei.

Dort treffen später auch die Jüngsten ein. Denn gemeinsam mit der Fahrradinitiative KidicalMass Stuttgart bot der ADFC auch eine Route für Kinder an. Die führte vom Kronprinzenplatz aus zum Schlossplatz, dort kam die Gruppe unter Geklingel inmitten der prominent besetzten Abschlusskundgebung an.

„Wir wollen ja nicht wirklich auf der B10 fahren, aber wir wollen Wege haben, die für uns das gleiche Level bringen“, sagt der ADFC-Landesvorsitzenden Matthias Zimmermann und fordert zugleich auch mehr Wege und mehr Sicherheit. Er nennt die Vorteile des Radfahrens – und platziert die Forderung an die künftige Landesregierung: Sie solle ihre Radverkehrspolitik konsequent an der Vision Zero ausrichten. Heißt: Im Straßenverkehr dürfen keine Radfahrer schwer verletzt werden oder sterben. Zudem müssten die getätigten Investitionen, die den Radverkehr betreffen, auch in den nächsten Jahren verstetigt werden.

Der ADFC-Landesvorsitzende Matthias Zimmermann bei seiner Begrüßung. Lichtgut

Einige der Punkte, die Zimmermann anspricht, wiederholen sich in den Reden der Gäste. Winfried Hermann (Bündnis 90/Grüne) kann zum Ende seiner Zeit als Landesverkehrsminister nochmal bei einer Sternfahrt dabei sein. „Wir machen Baden-Württemberg zum Rad-Land“, sagt er und verspricht: „Ich werde noch mit viel Power das letzte halbe Jahr machen und ich werde die Spuren legen.“

Der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger (verkehrspolitischer Sprecher), der den Landtagswahl-Spitzenkandidaten Manuel Hagel vertrat, und der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister und Grünen-Spitzenkandidat für die Wahl 2026, Cem Özdemir, geben ebenfalls Statements auf der Bühne ab. Sie machen sich für das Rad stark – und sind Teil einer kleinen Fragerunde mit der ADFC-Moderatorin, die unter anderem einen Wunsch der beiden aus ihrer Sicht als Radfahrer für Stuttgart im Jahr 2026 entlocken will.

Dörflinger und Özdemir blicken voraus

„Ich wünsche mir, dass Fahrradfahren einfach eine Selbstverständlichkeit ist, das Fahrrad ist ja kein Nischenprodukt. Und dass am Ende – wenn wir die Fahrradwege weiter ausbauen, wenn wir für Verkehrssicherheit sorgen – das Fahrradfahren nicht eine weitere Option ist, sondern die beste Wahl, um dann von A nach B zu kommen“, antwortet Dörflinger.

„Ich würde mir eigentlich wünschen, dass wir es in der Verkehrspolitik schaffen, aus diesen alten Kulturkämpfen rauszukommen“, sagt Özdemir und ergänzt: „Alle sollten sich gleichermaßen für Fahrradfahrer einsetzen“ – und dafür, „dass sich zu bewegen nichts ist, wo man Risiko eingeht, wo man sich gefährdet oder andere gefährdet werden. Das sollte unser gemeinsames Anliegen sein.“

Weitere Sternfahrt nach Stuttgart angedacht

Auch Silke Gericke (Grüne), verkehrspolitischen Sprecherin im Landtag, FDP-Stadtrat Cornelius Hummel und der Bundestagsabgeordnete Luigi Pantisano (Die Linke) sind anschließend Teil der Abschlusskundgebung.

„Wegen des Erfolges will der ADFC auch in Zukunft wieder eine Radsternfahrt nach Stuttgart planen“, teilt der Veranstalter selbst mit. Nach eigenen Angaben beteiligten sich zwischen 2013 und 2019 bis zu 7000 Personen an den Fahrten in die Landeshauptstadt.