Ganz unrecht hat sie damit nicht, und dass Omas liebste Sehenswürdigkeiten „zur bayerischen Allgemeinbildung dazugehören“, wie sie findet, stimmt ja auch – meistens jedenfalls. Trotzdem: München kann mehr. Wer also nach den von der Verwandtschaft empfohlenen Standards noch Zeit und Lust hat, alternative, vegetarische und vielleicht etwas jugendlichere Sehenswürdigkeiten und To-Dos abzuklappern, dem sei hier ein Vorschlag für ein Wochenende im jungen München gemacht.
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Schlendern und Snacken
Wer am Schwabinger Elisabethmarkt mit einem Frühstück in den Samstag starten möchte, der hat die Qual der fruchtigen, koffeinhaltigen Wahl: An den Ständen in Schwabing, die erst vor gut einem Jahr nach einer Generalsanierung neu eröffnet worden sind, kann man etwa mit einem trendigen Matcha Latte (Neosociety Munich) oder einem knallbunten Obstsaft (Vital-Bar) richtig wach werden. Dazu schmecken: Focaccia (Focacciaria), die sizilianischen Bowls (Ofner’s Bistro) oder – für diejenigen, die es auch vormittags schon deftig mögen – eine Ochsensemmel (Ochsenbraterei) mit Fleisch aus der Region.
Angenehm ist hier die Nähe aller Snack- und Drink-Optionen zueinander, man kann gut erstmal schlendern, sich einen Überblick verschaffen, geschäftige Schwabinger beim Samstagseinkauf beobachten und dann erst irgendwo reinbeißen. Aufpassen muss man bloß bei den Öffnungszeiten, sind sie doch von Stand zu Stand verschieden. Spätenstens um 11 Uhr herrscht aber samstags reges und, versprochen, junges Treiben.
Preiswert und feministisch
Gleich die Nordend- beziehungsweise Barer Straße hinunter liegt „Glitch“, ein kollektivistischer Frauenbuchladen. Die 30 Betreiberinnen und Betreiber sagten dem Patriachat den Kampf an, so steht es auf ihrer Website, seit sie den Laden im Sommer 2023 von älteren Frauen übernahmen. Glitch versteht sich nicht allein als ein Buchladen für Frauen, natürlich sind auch Männer willkommen, und überhaupt gehe es dem Laden nicht allein um Mann-Frau-Konflikte: Zwischen queeren Liebesromanen kann man hier auch in postkoloniale Sachbücher, Essays und Prospekte von Autorinnen, die aus dem sogenannten Globalen Süden kommen, hineinlesen.
Wer sich bei der Auswahl an ernsten wie komödiantischen Büchern nicht entscheiden kann, dem steht das Personal zur Seite. Und wer eine Pause braucht und auf dem Markt noch nicht satt geworden ist: Mitunter gibt es für Kundinnen und Kunden ein kostenloses Kuchenstück zum Mitnehmen.
Buchläden mit einem speziellen Angebot
:Besondere Buchhandlungen
Ob queer-feministisch oder jüdisch, ob englischsprachig oder kindgerecht – wer in München ein spezielles Sortiment sucht, wird leicht fündig. Und nicht nur mit Büchern, auch mit Do-it-yourself-Material oder Kaffee kann man sich eindecken – oder gar einen Kurs zum Stressmanagement besuchen.
Von Sina Möhlenkamp und Andra Vahldiek
Essen, malen oder nichts tunAuf dem Flux-Areal gibt es keinen Konsumzwang. (Foto: Florian Peljak)
Weiter geht es zum Flux, dem kreativen Areal an der Pinakothek der Moderne, das ungefähr so bunt daherkommt wie die Obstsaft-Optionen vom Vormittag: Neonfarbene Buden aus Holz umrahmen eine weitläufige und barrierefreie Treppe, die in den ersten Stock der Freilicht-Konstruktion führt. Freie Flächen wie diese, die zum Herumsitzen und Quatschen ohne Konsumzwang einladen, sind in München rar. Im „Flux“ finden außerdem kostenlose Workshops zum Malen und Basteln für jedes Alter statt, es gibt aber auch ruhigere Tische, an denen man in Ruhe in seiner eben gekauften feministischen Literatur schmökern kann.
Oder man gönnt sich im Erdgeschoss zum Mittagessen einen Veggie-Burger oder ein Falafelsandwich? Aber Achtung: Es besteht die Möglichkeit, von einer strahlenden Mitarbeiterin zu einem Yoga- oder Tanzkurs aufgefordert zu werden – beides findet gratis und bei jedem Wetter statt, bei Regen unter dem Vordach der Pinakothek.
Vintage-Shoppen mit kleinem Budget
Gut gestärkt vom Veggie-Burger kann man in der Amalien-, Türken- oder Schellingstraße natürlich gleich weiterbummeln, so liegt es in der Natur der Sache, dass das Univiertel in der Maxvorstadt eines der jüngsten in München ist. Paradoxerweise ist es aber auch eines der teuersten, dort kann ein Aperol am Samstagnachmittag schon mal zehn Euro kosten. Also auf in ein anderes Quartier, das zwar nicht so nah, aber trotzdem direkt mit der U3 erreichbar ist: das Schlachthofviertel.
Auf dem Gelände des Bahnwärter Thiel, auf dem sich tatsächlich bis 2017 ein Viehhof befunden hat, steht heute neben einem Techno-Club sowie Schmuck- und Kunstateliers ein Container, in dem man billig Vintage-Designer-Mode aus Italien ergattern kann: Bei Seconda Pelle, der samstags erfreulicherweise bis 20 Uhr göffnet hat, gibt es alles von Blazern und Abendkleidern bis zu lockeren T-Shirts und Jeansröcken – Second Hand natürlich.
Mit dem E-Moped nach Neuhausen
Auf dem Gelände kann man auch gleich in den Samstagabend starten, sich dazu beim Streetfood satt essen und in der Tram Bar auf die gerade ergatterten Cowboystiefel oder den reduzierten Kaschmirschal anstoßen. Tanzen kann man ab etwa 20 Uhr, für die spontanen Jazz-Konzerte und das gesamte Programm im Club sollte man vorher die Website checken. Oder man bricht doch noch einmal auf, wenn man an diesem Wochenende möglichst viel sehen will?
Da wäre zum Beispiel das Import Export in Neuhausen zu empfehlen, mit den bei (nüchternen!) Studenten sehr beliebten E-Mopeds von Emmy ist das locker in 20 Minuten zu erreichen. Auch wegen der Events im Kulturclub Import Export sollten sich Gäste davor online vergewissern, besonders beliebt sind etwa die transnationalen Trance-Abende oder das Techno-Tischtennisturnier.
Katerfrühstück am Gärtnerplatz
Sonntagmorgen heißt für viele Studis erstmal: ausschlafen! Und Kopfweh vom Vorabend. Wer sich motivieren kann, auch am zweiten Tag des Wochenendes junge To-Dos in der neuen Heimat zu entdecken, der sollte am Gärtnerplatz starten. Seit den 1980ern gilt das Glockenbachviertel als die queere Gegend in München. Gastro-Institutionen wie der Deutschen Eiche ist zu verdanken, dass sich auch schwule und lesbische Menschen in Bayerns Landeshauptstadt wohl und zu Hause fühlen.
Mittlerweile ist auch im Glockenbach die Münchner Schickeria angekommen, und das Viertel ist von seiner Historie ein wenig abgerückt. Das Gastroangebot ist entsprechend vielfältig: So lässt es sich etwa beim Trachtenvogel auch traditionell bayerisch frühstücken. Das Bellevue di Monaco hingegen bietet eine Tageskarte mit Speisen aus aller Welt, dank der Einrichtung für Geflüchtete im Hinterhof geht es dort besonders multikulturell zu.
Kicken auf dem DachBolzen mit Aussicht: Der Platz auf dem Dach des Bellevue di Monaco ist ein Geheimtipp. (Foto: Stephan Rumpf)
Apropos Bellevue di Monaco: Nicht nur brunchen lässt es sich hier gut – man kann auch sporteln, wenngleich der Platz dazu etwas schwer zu finden ist. Der Grund: Man sieht ihn nicht von der Straße und auch nicht vom Innenhof aus, weil der Bolzplatz auf dem Dach liegt. Dort kommen Kinder und Senioren zusammen, Geflüchtete wie Münchner Großfamilien. Beim Fußballturnier entstehen so die buntesten, diveresten Teams. Wer eine Pause vom Kicken braucht, der kann eine der schönsten, kostenlosen Aussichtsplattformen auf die Stadt genießen.
Oder wie wäre es mit einer Abkühlung in der nahegelegenen Isar? Ja, das geht auch im Wintersemester, wie hartgesottene Schwimmer dem Beobachter bei wirklich jeder Wetterlage demonstrieren. Besonders beliebt zum Schwimmen ist bei Schülern und Studierenden die Weideninsel. Dazu noch eine Limo am Kiosk auf der Reichenbachbrücke, und schon ist der halbe, seit dem Frühstück wohlgemerkt komplett kostenlose Sonntag vorbei.
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Imbiss statt Mittagessen
Willkommen im Münchner Osten, erst in Giesing, dann in Haidhausen! Naja, erstmal muss man sich noch den Nockherberg hochschleppen, vorbei an der charmanten Mini-Bar Crönlein – geplättet vom Kicken kann der Berg schon ganz schön steil daherkommen. Wie gut, dass es eine Straßenbahn gibt. Am Rande des familienfreundlichen Haidhausen befindet sich der Ostbahnhof mit seinem seit Jahrzehnten für seine Clubs berühmten Werksviertel. Früher runtergerockt, heute teils mit den schicksten Bürogebäuden der Stadt ausgestattet, kann ein Mittagessen dort den Geldbeutel ganz schön belasten.
Eher zu empfehlen: Orleans Kebab, ein kleiner Imbiss am Orleansplatz, der auch sonntags bis Mitternacht geöffnet hat und den die Autorin dieses Textes durchaus empfehlen kann. Nicht nur beladen die immer fröhlichen Mitarbeiter den Döner großzügig mit frischem Tabouleh, Cranberries und Zitronensaft – wer sich ihre Namen merkt, bekommt sogar ein schallendes Lachen und eine Essiggurke extra.
Hoch über dem WerksviertelDas Umadum-Riesenrad ist das weithin sichtbare Wahrzeichen des Werksviertels. (Foto: Robert Haas)
An dieser Stelle muss man wohl doch noch eine Lanze für das Werksviertel brechen, weil es gerade am Sonntagnachmittag, wenn die Unternehmensberater zu Hause sind, doch einiges zu bieten hat. Der Hingucker, naheliegend: das Riesenrad Umadum. Von dort oben sieht man bei gutem Wetter in südlicher Richtung bis zu den Alpen, westlich eröffnet sich Besuchern eine wunderbare Aussicht auf die Stadt. Darauf kann, wer möchte, mit einem kleinen Sekt anstoßen, den es an der Kasse gibt. Vielleicht kann man den Freunden auf dem Dach des Bellevue di Monaco ja sogar winken?
Zugegeben, dafür bräuchte es eher ein Fernglas. Viel näher, nämlich auf dem Nachbardach, grasen Schafe. Das begrünte Dach des Werk 3 gilt als die höchste Alm Münchens – und ist Ausflugsziel etwa für Schulklassen, um etwas über Nachhaltigkeit zu lernen.
Zum Ausklang auf den Dachgarten
An den Besuch des Werksviertels sollte man unbedingt einen Spaziergang durch Haidhausen anhängen, das an dieser Stelle auch den Spitznamen Franzosenviertel trägt: Unweit des fotogenen Bordeauxplatzes ist zum Beispiel das Café Fortuna an der Metzstraße der ideale Ort für einen nachmittäglichen Espresso. Ach, und Geschichte gibt es dort auch: Wer sich für die Vergangenheit des Viertels interessiert, analoge Fotos mag und die großen Museen der Stadt schon auswendig kennt, der sollte das Haidhauser Stadtteilmuseum besuchen.
So, Geschichte hat man an diesem Wochenende also auch noch abgehakt. Ganz schön intensiv alles, wenn man überlegt, was man seit dem Elisabethmarkt an jungen, alternativen Münchner Sehenswürdigkeiten alles gesehen hat. Da bleibt nur noch: ein Sundowner auf dem Dach des ehemaligen Kulturzentrums Gasteig. Die Terrasse ist Teil des Zwischennutzungsprojekts Fat Cat, die Drinks sind preislich schwer in Ordnung – teuer wird’s bei den Mahlzeiten.
Wer sich’s leisten kann: Die Pizzen sind exzellent. Wer sparen mag, genießt auch die dritte Aussicht des Tages ohne Konsum, auch dort muss man kein Geld ausgeben. Wenn man auf einer der hölzernen Etagen des Dachgartens sitzt und an einem Sonntagabend der Stadt beim Herunterfahren zusieht, kann man über seine neue oder alte Heimat eigentlich nur denken: Mei, is des schee.