Die Schaltanlage 30 im Kraftwerk Dresden-Mitte — hier die „Himmelsleiter“ – wird zum Inkubator umgebaut. Foto: Heiko Weckbrodt
„Sachsenenergie“ baut Klinkerbau im alten Braunkohle-Kraftwerk für 15 Millionen Euro um
Dresden, 22. September 2025. Wo noch vor 40 Jahren Starkstrom für Dresdner Industrie und Wohnviertel erzeugt und verteilt wurde, entsteht derzeit ein schneller Brüter für die Zukunftstechnologien von morgen: Im früheren Braunkohle-Kraftwerk Mitte baut „Sachsenenergie“ derzeit für 15,45 Millionen Euro seine alte „Schaltanlage 30“ zu einem Hightech-Inkubator um.
Brutkasten für ein paar Monate
In der Regie des „Technologiezentrums Dresden“ (TZD) soll dieser Inkubator soll ab April 2026 frisch gegründete Uni-Ausgründungen, Innovatoren sowie junge Tech- und Bildungsunternehmen für jeweils einige Monate aufnehmen und fit für die „freie Wildbahn“ machen. „Hier entsteht Platz für Zukunftsthemen“, freut sich Dresdens Wirtschaftsbürgermeister Jan Pratzka (CDU) jetzt schon.
Einst Teil des Braunkohle-Heizkraftwerkes
Die Heimstatt für diesen Hightech-Ausbrüter hat eine fast 100 Jahre zurückreichende und recht wechselvolle Geschichte: 1926 entstand der Klinkerbau am Wettiner Platz als Teil des Heiz- und Lichtkraftwerkes Altstadt: Die Schaltanlage 30 verteilte in der Nähe der Braunkohleanlagen bis zu 45 Megawatt Energiereserve aus dem Pumpspeicherwerk Niederwartha auf die Stadt. 1994 fuhren die Dresdner Stadtwerke das Kohlekraftwerk herunter, das Pumpspeicherwerk ist auch nicht mehr in Betrieb.
Woher der Spitzname „Alcatraz“ kam
Die Schaltanlage diente nach der Wende zeitweise als Party- und Ausstellungsort. Wegen seiner zellenartigen Struktur für die Schalter und seiner Glasbeton- und Gitter-Decken bekam sie damals den Spitznamen „Alcatraz“. 2011 begann dann auf städtisches Geheiß der Generalumbau des denkmalgeschützten Kraftwerkes Mitte: Zunächst bekamen die Staatsoperette und das „Theater Junge Generation“ in der Maschinenhalle neue Domizile, ebenso das ehemalige „Kino im Dach“ – das dadurch zum „Zentralkino“ wurde -, ein Energiemuseum und anderes mehr.
In der VW-Manufaktur Dresden gab es früher einen Inkubator für innovative Mobilitäts-Konzepte. Foto. VW
Inkubator soll Lücke in Dresden schließen
Mit der „Alacatraz“-Schaltanlage folgt nun der nächste Akt: Die TZD hatte schon länger Bedarf an einem „Inkubator“ angemeldet. Bisher betreibt die Stadttochter nämlich vor allem Technologiezentren und Gewerbehöfe, in denen Unternehmen, die noch kein Geld für eine eigene Fabrik oder ein selbstgebautes Hauptquartier haben, ein paar Jahre wachsen können. Für die Frühphase junger Hightech-Ausgründungen gibt es dagegen in Dresden nur punktuelle Angebote wie die privaten „Impact-Hubs“, die aber eher Kurzzeitbüros („Coworking“) anbieten und nicht immer für die Maschinen von Tiefentechnologie-Firmen („Deeptech“) geeignet sind, wie sie gerade in Dresden im Umfeld der Uni und der außeruniversitären Forschungsinstitute entstehen. Mit dem „Future Mobility“-Inkubator gab es zwar zeitweise in der gläsernen VW-Manufaktur zeitweise solch einen Ausbrüter. Der war jedoch auf Mobilitätsthemen spezialisiert und ist zudem seit Corona und im Zuge der Volkswagen-Krise langsam eingeschlafen. Und eben diese Lücke soll nun die „Schaltanlage 30“ alias „Alcatraz“ füllen.
Centrum-Inkubator des „Impact Hubs“. Foto: Heiko Weckbrodt
Himmelsleiter und Amphitheater
Dafür ließ der regionale Energieversorger „Sachsenenergie“ ab April 2023 den fast 100 Jahre alten Klinkerbau entkernen, die Schalterzellen sowie die zu schwachen Zwischendecken abreißen und neue Geschosse einziehen. Durch die neue Aufteilung entstehen nun auf rund 3000 Quadratmetern Büros, Coworking-Arbeitsplätze und Besprechungsräume. „Eine Herausforderung dabei war, in einem denkmalgeschützten Gebäude Lösungen für schnell wechselnde Nutzer zu finden und skalierbare Räume zu schaffen“, erzählt Architekt Walter Miller vom gleichnamigen Dresdner Architekturbüro. Fürs Erdgeschoss haben er und seine Mitstreiter sowie TZD-Chef Torsten Fahrig sich etwas Besonderes ausgedacht: Dort nimmt bereits eine Art „Amphitheater“ Gestalt an, umgeben von „Macher Spanes“. In denen können dann die Gründer – von der Straße aus sichtbar – mit 3D-Druckern, Laserschneidern, Fräsen und anderen Gerätschaften Prototypen ihrer Erfindungen bauen und dann dem Publikum im Amphitheater vorstellen. Ein weiterer Clou ist die „Himmelsleiter“: Eine Treppenflucht von ganz unten bis hinauf ins vierte Geschoss mit Blick auf ein Glasdach – als Reminiszenz an den einstigen, an einen Knast erinnerten inneren Aufbau der Schaltanlage.
„Die Schaltanlage steht sinnbildlich für Fortschritt und Verbindung.“
Sachsenfenergie-Prokurist Frank Neuber
Die künftige Anmutung lässt sich bereits erahnen, wie sich Besucher eines „Baustellenfestes“ heute überzeugen konnten. Im April 2026 soll der Inkubator startbereit sein. Ein erster Ankermieter, der auf Technologietransfer spezialisiert ist, hat bereits Interesse angemeldet, verrät TZD-Chef Fahrig. Und konzeptionell ernten Bauherren, Architekten und Bauleute schon einige Vorschusslorbeeren: „Die Schaltanlage steht sinnbildlich für Fortschritt und Verbindung, sowohl technisch als auch symbolisch“, sinniert Sachsenfenergie-Prokurist Frank Neuber. „Hier wird nicht einfach saniert, sondern mit Präzision und Leidenschaft neu gedacht und aufgebaut. So entsteht ein Standort für Innovation, Wissenstransfer und Bildung.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Vor-Ort-Besuch, Auskünfte TZD, Sachsenenergie, LHD, Pfeilerarchitektur, Oiger-Archiv, Wikipedia
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