Viele Stuttgarter Bürger hadern mit den hohen Anschlusskosten der EnBW. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft etwa setzt dennoch oft auf Fernwärme. Was spricht dagegen und was dafür?

Noch immer gehen bei unserer Zeitung Nachrichten von Hausbesitzern ein, die Interesse an einem Fernwärmeanschluss hätten, den Preis der EnBW von bis zu 46.000 Euro aber als viel zu hoch kritisieren. Das ist die Pauschale, die der Energieversorger für die Verlegung der Rohre ins Haus verlangt. In Esslingen liegt der Preis genau bei der Hälfte, und es ist sogar der Wärmetauscher inbegriffen. Von beiden Beträgen gehen noch Fördergelder ab. Ob die beiden Preise aber völlig vergleichbar sind, lässt sich aus den offiziellen Angeboten nicht ganz erkennen.

In Stuttgart wundern sich jedenfalls manche über den EnBW-Preis. So rechnet ein Eigentümer eines Achtfamilienhauses in Bad Cannstatt unserer Zeitung vor, dass bei ihm der Anschluss von der Straße ins Haus nach Abzug der staatlichen Förderung rund 30.000 Euro kosten würden.

Hinzu kämen aber 110.000 Euro für die Arbeiten im Haus, ebenfalls den Zuschuss schon abgerechnet. Das wären umgelegt 17.500 Euro pro Wohnung. „Wir haben die Maßnahme nicht umgesetzt“, zieht der Hausbesitzer sein Fazit: „Wir bauen nun eine Wärmepumpe für 80.000 Euro nach Förderung ein.“ Sprich, pro Wohnung macht das dann 10.000 Euro an Kosten.

Zwei Quartiere in Bad Cannstatt bekommen Fernwärme-Angebote

Konkret hatte die EnBW die Menschen in zwei Quartieren angeschrieben und zu Infoveranstaltungen eingeladen. In der Neckarvorstadt zwischen dem Rosensteinpark und der Krefelder Straße sind die Anschlüsse etwas günstiger – die EnBW nennt einen Nettopreis nach Förderung für den Hausanschluss von 21.420 Euro pro Haus. Die Arbeiten sollen schon im Herbst beginnen.

In den Wohnvierteln Kurpark und Seelberg, ebenfalls in Bad Cannstatt, liegt der Nettopreis bei 27.500 Euro. Die Leitungen sollen ab dem 2. Quartal 2026 verlegt werden. Auf der Homepage der EnBW erhält man für die genannten Quartiere mehr Informationen. Die Preise Der Preis gelten jeweils für ein ganzes Haus, egal wie viele Wohnungen es darin gibt.

Marc Jüdes, der Leiter des Bereichs Fernwärme bei der EnBW, erklärt, dass die Kosten für einen Anschluss von vielen Faktoren abhänge – wenn zum Beispiel ein Abwasserkanal in der Straße aufwändig unterfahren werden müsse, werde es eigentlich viel teurer. In Bad Cannstatt werde nun ein Durchschnittspreis angeboten, damit alle klar kalkulieren könnten. Auch ließen sich die Kosten in verschiedenen Städten nur bedingt vergleichen, weil es einen Unterschied mache, ob man in einer Altstadt oder in einem Wohngebiet Fernwärme anschließe.

Erst im April ist das Kraftwerk Münster von Kohle auf Gas umgestellt worden – zusammen mit den Kraftwerken in Gaisburg und Altbach liefert es die Fernwärme für Stuttgart und Esslingen. Foto: Lichtgut

Jüdes verweist zuletzt darauf, dass der Hausanschluss immer den kleineren Kostenblock ausmache: „Wenn sich jemand gegen Fernwärme entscheidet, dann liegt das meist an den Gesamtkosten, von denen ein großer Teil oft durch die Umbaumaßnahmen an der Heizungsanlage im Haus entstehen.“ Dort müssen etwa neue Leitungen verlegt werden, wenn zuvor in jeder Wohnung eine Gas-Etagenheizung existierte.

Matthias Bauer, der Energieexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, kann den Preis der EnBW nicht wirklich erklären. Er ist der Ansicht, dass so hohe Hausanschlusskosten in Baden-Württemberg höchst ungewöhnlich seien.

Viele Faktoren sprechen für Fernwärme in Stuttgart

Experten betonen dennoch, dass die Fernwärme auch in Stuttgart eine Alternative sein könnte. Gerade bei größeren Mehrfamilienhäusern verteilten sich die Kosten gut, so dass diese unter dem Preis einer Wärmepumpe für 20.000 bis 25.000 Euro (nach Zuschüssen) pro Wohnung liegen könnten.

Außerdem müsse man berücksichtigen, dass die Fernwärmetechnik wartungsarm ist und gerne 50 Jahre hält – eine Wärmepumpe muss dagegen womöglich schon nach 25 Jahren wieder ausgetauscht werden. Die Fernwärme komme ganz grundsätzlich in Frage, wenn in sehr dicht bebauten Vierteln gar kein Platz für eine Wärmepumpe ist.

Es gilt also, jeden Fall für sich zu beurteilen und gut zu berechnen. Ein wichtiger Punkt ist dabei auch die Förderhöhe. Es gibt das Förderprogramm für effiziente Wärmenetze (30 bis 40 Prozent Zuschuss für Hausanschlusskosten), die Bundesförderung für effiziente Gebäude (bis zu 70 Prozent Zuschuss für Kosten im Haus) und den Zuschuss von 20 Prozent der Stadt Stuttgart. Nicht alles ist aber mit allem kumulierbar.

Tatsächlich entscheidet sich etwa die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWSG bei Sanierungen und Neubauten recht häufig für die Fernwärme. Etwa 25 Prozent der Wohnfläche der Bestände würden durch Fernwärme versorgt, betont SWSG-Sprecherin Saskia Bodemer-Stachelski. Weitere fünf Prozent seien an ein Nahwärmenetz angeschlossen.

Zwar ziehe man alle Heizungsformen in Betracht, so die Sprecherin weiter, aber wenn Fernwärme in der Nähe liege, werde diese Option priorisiert. Als Vorteile sieht Saska Bodemer-Stachelski die Wartungsarmut und Langlebigkeit der Fernwärme, die zumindest perspektivisch hohe Klimafreundlichkeit, die gute Umsetzbarkeit im dicht bebauten urbanen Raum sowie manchmal auch die relativ geringen Investitionskosten.

Fernwärme-Betriebspreis ist in Stuttgart unauffällig

Ein Nachteil der Fernwärme sind allerdings die höheren Betriebskosten. Laut dem neuesten bundesweiten Heizspiegel liegt der Durchschnittspreis für Fernwärme bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung bei 1100 Euro jährlich. Die Wärmepumpe kostet dagegen 910 Euro im Jahr.

Die Arbeits- und Grundpreise der EnBW in Stuttgart sind im bundesweiten Vergleich unauffällig. Laut einer Auswertung des gemeinnützigen Portals CO2online lag die EnBW im zweiten Quartal 2024 bei einem Fernwärmepreis von 307 Euro pro Monat für eine Wohnung mit 120 Quadratmetern.

Die Spannweite bei den 160 ausgewerteten Versorgern reichte von 152 bis 493 Euro. Bei einem Monitoring des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen gehörte Stuttgart 2024 dagegen zu den teureren Fernwärmenetzen im Vergleich zum jeweils größten Netz der anderen 15 Bundesländer.

Fernwärme ist in Stuttgart erst zu einem Viertel klimaneutral

Ganz grundsätzlich hat ein Eigentümer mit einem Anschluss an die Fernwärme in Stuttgart alle Vorgaben der Bundesregierung im Heizungsgesetz erfüllt – für ihn ist die Wärmewende damit erledigt. In Wirklichkeit ist die Fernwärme in Stuttgart aber noch recht fossillastig; der grüne Anteil liegt erst bei einem Viertel. Durch die bald vollzogene Umstellung der Fernwärmekraftwerke von Kohle auf Gas sinken die CO2-Emissionen aber deutlich.