Vor der Stadtratsabstimmung zum Planungsbeschluss für das Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz ging es noch einmal hoch her, wurde diskutiert über Sinn und Aussehen des im Oktober 2024 gekürten Siegerentwurfs. Eine Diskussion, die so auch in der Haushaltsdebatte des Stadtrates im März wetterleuchtete. Und manchmal hatte man fast den Eindruck: Nun scheitert auch der zweite Anlauf kurz vor dem Ziel. Doch am 16. April kam es anders.
Zwar verkündeten BSW- und AfD-Fraktion mal wieder, dass sie gegen das Denkmal wären. Den einen war es dem Oktober 1989 nicht angemessen. Die anderen beharrten wieder auf einem Bürgerentscheid, meinten – wie AfD-Stadtrat Sascha Jecht – erst dann bekäme so ein Denkmal Legitimation. Was natürlich so nicht stimmt und auch nicht gewährleistet, dass dann ein besserer Denkmalentwurf gewählt würde.
Und CDU-Stadtrat Michael Weickert – der sich als im Herbst 1989 Geborener geradezu als „Kind der Revolution“ empfindet – sagte etwas Wichtiges, was in den Diskussionen um Bürgerentscheid und Bürgerbeteiligung immer wieder ignoriert wird: dass der Leipziger Stadtrat ein demokratisch frei gewähltes Parlament ist und in freie Entscheidung bisher jeden Schritt hin zum Freiheits- und Einheitsdenkmal selbst entschieden hat. Das nennt sich repräsentative Demokratie.
Und deshalb haben die 70 gewählten Stadträt/-innen alles Recht, selbst zu entscheiden, ob der von der Jury im Herbst 2024 zum Sieger gekürte Entwurf „Banner, Fahnen, Transparente“ von ZILA Architekt.innen, Architekten, Leipzig (Clemens Zirkelbach, Peter Ille, Dirk Lämmel und Alexej Kolyschkow) und Bea Meyer und Michael Grzesiak auch so umgesetzt wird.
Michael Weickert (CDU) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan Kaefer
Genau das stand am Mittwoch zur Debatte. Und einige Rednerinnen und Redner nutzten die Gelegenheit natürlich, auch auf die Schwierigkeit jedes Denkmal-Prozesses hinzuweisen. Die durch den Entwurf mit seinen weiß gestalteten Transparent-Elementen noch verstärkt werden. Denn genau deshalb regen sie zur Debatte und zur Kontroverse an. Gar nicht erst, wenn das Denkmal mal eingeweiht wird.
Sondern – wie zu erleben – schon im Vorfeld. Die Grünen-Stadträtin Dr. Gesine Mertens wies darauf hin, wie provozierend weiß bleibende Transparente tatsächlich sind. Erst recht in einer Zeit, in der man medial beobachten kann, wie Menschen in autoritären Regimen wie Russland mit leeren, weißen Blättern demonstrieren, weil ihnen jede Äußerung zur Politik des russischen Präsidenten verboten ist.
Weiß provoziert. Und deutet – so Mertens – eben auch darauf hin, dass es sowohl bei der Einheit als auch bei der Freiheit um „unvollendete Projekte“ geht. Die Einheit ist es ganz unübersehbar. Auch 35 Jahre nach dem Vollzug der Einheit wird eifrig über die Spaltung in Ost und West debattiert und einige Leute wünschen sich sogar die Mauer zurück, weil sie die Widersprüche nicht aushalten oder glauben, früher wäre alles besser gewesen. Und mit der Freiheit ist es genauso: Man kann sie sich erkämpfen.
Aber sie ist keine Trophäe, die man dann einfach in die Vitrine stellt. Das machen die Entwicklungen in den USA derzeit mehr als deutlich. Es gibt immer wieder Kräfte, die mit brachialer Rücksichtslosigkeit daran arbeiten, die gewonnene Freiheit wieder zu zerstören. Es bleibt ein Prozess. Und das nun geplante Denkmal eröffnet auch diesen Raum der Unsicherheit, sich darüber immer wieder neu zu verständigen.
Oder mit den Worten von SPD-Stadträtin Pia Heine: „Ein Denkmal darf kontrovers sein.“
Mertens wurde dabei ganz klassisch und zitierte Aristoteles’ „horror vacui“. „Wir können es nicht aushalten, dass da nichts ist“, so Mertens.
Sven Morlok (Freie Fraktion/FDP) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan Kaefer
Weshalb es dann in Folge des CDU-Antrags, die leeren Transparente mit Losungen aus dem Herbst 1989 zu bespielen, auch intensive Kontakte zu den Künstlern gab, die zwar – so OBM Burkhard Jung – zu Recht darauf beharrten, dass der Siegerentwurf so umgesetzt wird, wie er im Herbst 2024 ausgezeichnet wurde. Aber eine temporäre Bespielung der Banner finden die Künstler gut, weil sie genau das schaffe, was das Denkmal bezweckt: Eine Aneignung des Denkmals durch die Leipzigerinnen und Leipziger, wie CDU-Stadträtin Sabine Heymann betonte.
Noch kurz vor der Ratsversammlung formulierte die Grünen-Fraktion einen Änderungsantrag zum CDU-Antrag, der doch erheblich in die Kunstfreiheit eingriff und auch das Wort „temporär“ nicht enthielt. Und das, was das Künstlerkollektiv eigentlich bezweckte – den „Interpretationsspielraum“ – eher negativ interpretierte. Obwohl das – so OBM Jung – geradezu die Stärke des Entwurfs wäre.
Pia Heine (SPD) im Leipziger Stadtrat am 16.04.25. Foto: Jan Kaefer
Die CDU-Fraktion übernahm dann auch lieber den Grünen-Änderungsantrag, der die Worte „temporär und reversibel“ enthielt und auch darauf aufmerksam machte, dass die Bespielung der Elemente nicht dem OBM oder dem Stadtrat zur Entscheidung verbleiben dürfe. Was auch FDP-Stadtrat Sven Morlok betonte. Parteipolitik habe auf den Kunstelementen nichts zu suchen. Die Grünen schlugen stattdessen vor: „Die notwendigen technischen Voraussetzungen für regelmäßige temporäre Interventionen und Installationen auf 30 % der weißen Flächen werden geplant und mit dem Bau des Denkmals geschaffen.
Die Stadt wird beauftragt, zusammen mit der Künstler*innengruppe um den Siegerentwurf, dem Kuratorium Friedliche Revolution und der Initiative ‘Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989’ bis zur Einweihung des Denkmals dem Stadtrat eine Rahmenkonzeption für eine breite Beteiligung der Leipziger*innen und ihrer Gäste für mögliche Interventionen im Geiste der Grundwerte der Friedlichen Revolution vorzulegen.“
OBM Burkhard Jung übernahm diesen Antrag mit in die Vorlage der Stadt. Und auch wenn AfD- und BSW-Fraktion schon klargemacht hatten, dass sie gegen die Vorlage stimmen würden, und sich auch die meisten Linke-Stadträte nicht entschließen konnten, dafür zu stimmen, bekam die Vorlage dennoch eine deutliche Mehrheit von 42:27 Stimmen. Die Planungen für das Denkmal können also beginnen und am 9. Oktober 2025 kann der Grundstein gelegt werden.