Junge WLB Esslingen: Kuscheltiere isst man nicht Szene aus der neuen Junge-WLB-Produktion Foto: Tobias Metz

Die Esslinger Junge WLB startet mit „Hey, ich bin der kleine Tod – aber du kannst auch Frida zu mir sagen“ von Anne Gröger turbulent in die neue Saison.

Samuel will leben. Aber seine existenzbedrohende Immunerkrankung verbannt den Jungen in die Isolation eines Krankenhauses. Siebenmal schon ist er dem Tod von der Schippe gesprungen. Sein bester Freund Toby hat das nicht mehr geschafft. Dann aber bringt eine neue Stammzellentherapie Hoffnung. Samuel darf nach Hause. Im hellblauen Kampfanzug, die Desinfektionspistole immer im Anschlag, trotzt er allen Krankheitserregern. Sein einziger Freund: die Spinne Frank. Auch die Eltern können ihn nicht dazu bringen, mal an die frische Luft zu gehen. „Der Spielplatz ist eine Brutstätte des Todes“, schreit er. Doch auch in der selbst verordneten Sicherheitszone wird plötzlich ein Albtraum wahr.

Ein Stück über die letzten Dinge

An der Esslinger Jungen WLB wurde die neue Saison jetzt mit einer Uraufführung eingeläutet: „Hey, ich bin der kleine Tod – aber du kannst auch Frida zu mir sagen“ von Anne Gröger, für die Bühne eingerichtet von der jungen Dramaturgin Sarah Frost. Es ist ein Stück über die letzten Dinge, vor allem aber eines über den menschlichen Überlebenswillen und das Leben. Und es ist eine Produktion für wirklich „alle“ ab zehn Jahren.

Der Tod dringt plötzlich ganz körperlich ein in Samuels Zimmer. Er ist ihm schon öfters im Traum erschienen: ganz klassisch mit Sense und schwarzem Umhang. Aber dieses Geschöpf da – mit Totenkopf-Smiley auf dem Pulli – ist vor allem eines: echt krass drauf. Es ist Frida, ein „Kleiner Tod“ in Ausbildung. Soll an Samuel üben, wie man Menschen aus dem Leben „holt“, gleichzeitig aber auch lernen, was den Menschen das Leben bedeutet. Das Erste, was sie veranstaltet, ist: Chaos! Spinne Frank muss dran glauben, Puppen werden geköpft, Kuscheltiere gebissen, und dann pieselt Frida auch noch in Samuels Bett. Bazillen-Horror für Samuel, Frida soll weg. Aber die tödliche Azubine ist ehrgeizig, will selbst mal „Großer Tod“ werden, klebt an seinen Fersen, drängt ihn schließlich hinaus ins gefährliche Leben: auf den Spielplatz.

Johannes Schleker hat das Stück turbulent in Szene gesetzt – pointenreich, witzig, nachdenklich stimmend, poetisch – mit einem starken Ensemble. Das Bühnenbild von Katharina Müller gibt sich expressionistisch. Bizarr schiefe, kantige Kulissenelemente lassen sich unterschiedlich kombinieren: zur Zimmerwand mit Bett, zur Wald-, Moor- oder Berglandschaft. Schattenprojektionen sorgen für Effekte, die Schauspielenden mit allerlei Klangkörpern für die musikalische Untermalung.

Neben den Rollenswitchern Felix Albers, Michaela Henze und Paula Dehner brilliert Julian Häuser als Samuel: ungeheuer empathisch, die Balance zwischen Komik und Ernst immer perfekt treffend. Samuel ist nicht selbstmitleidig, seine Todesangst überdeckt er mit erwachsener Ratio, mit Schlagfertigkeit und ein bisschen Besserwisserei. Das stellt Häuser sehr berührend und differenziert dar. Mit der draufgängerischen, aber auch charmanten Frida an der Seite (sehr lustig: Nicky Taran) gelingen unheimlich-komische Szenen. Und das Leben da draußen, wo Samuel bald Pfadfinder-Freunde findet, bietet viele spannende wie witzige (Slapstick-)Szenen – ob es dabei um Moorleichen geht, die Frida erhofft, oder um die Erfüllung eines Traums, den Samuel zusammen mit Toby hegte: die Erklimmung eines Bergs. Frida lernt über die Menschen so viel dazu, dass sie am Ende zur echten Freundin wird. Sie lässt deshalb von Samuel ab, schenkt ihm ein neuntes Leben und geht zurück ins Reich der Finsternis – fürs Erste.

Die nächsten Vorstellungen: 28. September, 12. und 26. Oktober sowie am 30. November.