Polens Außenminister Radosław Sikorski hat Russland eindringlich vor weiteren Verletzungen des Nato-Luftraums gewarnt und mit dem Abschuss von eindringenden Kampfflugzeugen gedroht. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagte Sikorski am Montag in einer von Estland beantragten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Er habe nur eine Bitte an die russische Regierung: „Wenn eine weitere Rakete oder ein weiteres Flugzeug ohne Erlaubnis, absichtlich oder versehentlich, in unseren Raum eindringt und abgeschossen wird und die Trümmer auf Nato-Gebiet fallen, kommen Sie nicht hierher und weinen sich aus darüber. Sie wurden gewarnt“. Nach Angaben Estlands sind am 19. September drei russische Kampfjets zwölf Minuten lang in den Luftraum des Nato-Staates eingedrungen.  An diesem Dienstag berät die Nato auf Antrag Estlands über den Vorfall.

Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) warf Russland in seinem ersten Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat eine „weitere gefährliche Eskalation“ vor, nachdem es vor knapp zwei Wochen mit mehr als 20 zum Teil von Nato-Jets abgeschossenen Drohnen tief in den polnischen Luftraum eingedrungen war. „Wir verurteilen diesen schweren Verstoß gegen das Völkerrecht. Das ist kein Verhalten eines Staates, der den Weltfrieden und die Sicherheit bewahren will, sondern das eines Staates, der internationale Normen rücksichtslos missachtet“, sagte er. Die „rücksichtslosen Provokationen“ würden aber nicht funktionieren. Dringend nötig sei nun ein bedingungsloser Waffenstillstand in der Ukraine. Die Ukraine sei dazu bereit, während Russland immer weiter auf Eskalation setze.

„Wir sind zu flexiblen Antworten jederzeit fähig“, sagt Außenminister Wadephul

Zur Warnung Sikorskis äußerte sich Wadephul im Anschluss auf Nachfrage zurückhaltend. „Jedes souveräne Land verteidigt seinen Luftraum. Polen macht es in der Art und Weise, wie es das für richtig hält“, sagte er. „Alle Länder der Nato haben unsere volle Solidarität“, betonte Wadephul. Wie die Nato im Einzelnen militärisch auf Verletzungen des Bündnisgebiets reagiere, werde auf „Ebene der Nato“ entschieden. „Wir sind zu flexiblen Antworten jederzeit fähig und fordern Russland auf, von weiteren aggressiven Akten und insbesondere Rechtsverletzungen Abstand zu nehmen“, sagte er. Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, Jürgen Hardt, hatte sich am Wochenende dafür ausgesprochen „bis hin zum Abschuss russischer Kampfjets“ mit militärischen Mitteln auf Grenzverletzungen zu antworten. „Der Kreml braucht ein klares Stoppschild“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Der neue UN-Botschafter der USA, Mike Waltz, forderte Russland während der Sitzung „dringend auf, derartiges gefährliches Verhalten zu stoppen“. Die USA und ihre Verbündeten würden „jeden Zoll des Nato-Territoriums verteidigen“. US-Präsident Donald Trump hat klare Solidaritätsbekundungen an Estland, Polen und das ebenfalls von einem russischen Drohnenüberflug betroffene Rumänien bisher allerdings vermieden.

Russlands Vertreter sprach von „Hysterie“ und „Paranoia“

Umso deutlicher äußerten sich während der Sondersitzung des Sicherheitsrates Vertreter etlicher Nato-Staaten. Die britische Außenministerin Yvette Cooper warnte, Russland riskiere mit seinen  „rücksichtslosen Handlungen“ eine direkte bewaffnete Konfrontation zwischen der Nato und Russland. „Unsere Allianz ist defensiv, aber machen Sie sich keine Illusionen, wir sind bereit, den Himmel und das Territorium der Nato zu verteidigen“, sagte sie.

Russland verfolge mit seiner „rücksichtslosen und gefährlichen Eskalation“ das Ziel, die Nato-Länder von der Unterstützung der überfallenen Ukraine abzubringen, sagte der dänische Außenminister Lars Løkke Rasmussen. Dies werde aber im Gegenteil nur „unsere Entschlossenheit stärken und unsere langfristige Unterstützung stärken“.

Der russische Vertreter wies alle Vorwürfe als angebliche Lügen und „phobische Hysterie“ zurück. „Die Paranoia hat ungekannte Höhen erklommen“, sagte der stellvertretende UN-Botschafter Russlands, Dmitrij Poljanskij. Die russischen Jets seien zu keinem Zeitpunkt in estnischen Luftraum eingedrungen. Der Behauptung, es seien keine Beweise vorgelegt worden, widersprach der Außenminister Estlands, Margus Tsahkna. Es handele sich um „Fakten und sonst nichts“. Tsahkna legte Aufzeichnungen der Flugbahnen und Fotos der drei bewaffneten russischen Jets vom Typ MiG-31 vor. „Die Verletzung ist kristallklar. Russland lügt so, wie es zuvor wiederholt gelogen hat“, sagte er.

„Russland testet die europäischen Grenzen, stellt unsere Entschlossenheit auf die Probe und untergräbt die Sicherheit ganz Europas“, betonte die aus Estland stammende EU-Außenbeauftragte und Vizepräsidentin der EU-Kommission, Kaja Kallas. „Russland wird weiter provozieren, solange wir es zulassen“, warnte sie.