Stand: 22.09.2025 20:36 Uhr
Michel Friedman sollte im mecklenburgischen Klütz über Demokratie sprechen. Doch nun sagten die Veranstalter den Auftritt ab – möglicherweise aus Angst vor rechten Protesten. Friedman reagierte empört.
Erst Ende August war Michel Friedmans Buch „Mensch!“ erschienen. Es trägt den Untertitel „Liebeserklärung eines Verzweifelten“. Als Sohn von Holocaust-Überlebenden ist er ein energischer Kämpfer für die Demokratie. In dem Buch warnt er vor Populismus, rechtsextremer Gewalt und gesellschaftlicher Gleichgültigkeit.
Absage der Veranstaltung mit Friedman
Mit seinem Buch, seinen Vorträgen und Diskussionsrunden ist er ein gern gesehener Gast – eigentlich. Denn wie Michel Friedman entsprechende Medienberichte bestätigte, sagte die Stadt Klütz in Mecklenburg-Vorpommern eine Veranstaltung mit ihm ab. Im Oktober kommenden Jahres sollte er dort im Literaturhaus Uwe Johnson anlässlich des 120. Geburtstages von Hannah Arendt über Demokratie sprechen. Die vom Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, übermittelte Begründung der Stadt lautete laut Friedman, es könne zu rechten Demonstrationen kommen und es sei mit Gegendemonstrationen zu rechnen.

Aus Angst vor rechten Protesten hat das Literaturhaus „Uwe Johnson“ den Publizisten für nächstes Jahr ausgeladen – von einer Veranstaltung zu Demokratie.
Friedman nennt Vorgang „peinliche Heuchelei“
Michel Friedman kritisierte im Interview mit NDR Kultur den Vorgang scharf und griff damit den Bürgermeister von Klütz an. Es sei eine peinliche Heuchelei, dass der Bürgermeister behaupte, zu seinem (Friedmans) Schutz zu handeln und ihn deshalb auszuladen, anstatt eine Kulturveranstaltung vor Anti-Demokraten polizeilich zu schützen. Es mache anderen Initiativen wenig Mut, sich darauf verlassen zu können, dass die Politik die Freiheit der Kunst, die Freiheit der Presse die Freiheit der Meinung gewährleistet. Auch die Landesregierung reagierte. Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) meinte, es wäre ein „verheerendes Zeichen, wenn – wie berichtet wird – die Verantwortlichen sich durch die Annahme möglicher Proteste aus der rechtsextremen Ecke einschüchtern lassen und im vorauseilenden Gehorsam Herrn Friedman ausladen“.
Literaturhaus-Chef drohten angeblich Konsequenzen
Oliver Hintz hätte gern an der Einladung festgehalten. Da ihm aber laut eigenen Aussagen mit beruflichen Konsequenzen gedroht wurde, zog er sie im Auftrag der Stadt zurück und machte diesen Vorgang öffentlich: „Ich halte es für einen Skandal, Räume zu schaffen, in denen nicht mehr offen gesprochen gesprochen, gelesen werden kann.“ Befürchtete rechte Demonstrationen gegen Friedmann seien „aber nicht das Hauptargument“ gewesem, so Hintz gegenüber dem NDR. Hintergrund sei ein Streit zwischen Hintz und einer Mitarbeiterin des Literaturhauses gewesen, wobei es um Friedmans früheren Lebensstil und die befürchteten hohen Kosten der Veranstaltung gegangen sei. Kurz danach habe sich der Gemeinderat mehrheitlich gegen die Veranstaltung ausgesprochen, obwohl die Kosten laut Hintz von Sponsoren übernommen worden wären.
Klützer Bürgermeister nennt hohe Kosten als Grund
Am Montagabend bestätigte Bürgermeister Jürgen Mevius (Unabhängige Wählergemeinschaft) am Rande einer Sitzung der Stadtvertretung die Ausladung. Allerdings seien allein die hohen Kosten ausschlaggebend gewesen. Die Stadt werde nun aber noch einmal mit dem Förderverein des Literaturhauses über die geplante Veranstaltung reden. Mevius wies zudem die Behauptung zurück, dass Friedman in Klütz nicht willkommen sei. Willkommen ist Friedman auch am 28. Oktober in Schwerin. Dort wird er, wie die SPD-Landtagsfraktion miteilte, die Festrede bei der Verleihung des Johannes-Stelling-Preises halten.

Oliver Hintz, Leiter des Literaturhauses Klütz, erläutert die Hintergründe zur Ausladung von Michel Friedman.
Video:
Publizist, Jurist und Moderator Michel Friedman (20 Min)

Friedmans „Liebeserklärung eines verzweifelten Demokraten“ ist eine Verteidigungsschrift für Demokratie und Menschenrechte.

Der Philosoph und Publizist hat die Veranstaltung zusammen mit Igor Levit initiiert.

In seinem neuen Buch „Mensch“ warnt er vor Populismus, rechtsextremer Gewalt und gesellschaftlicher Gleichgültigkeit.

Beim Auftakt in der Regionalbibliothek Neubrandenburg ist die Preisträgerin vom vergangenen Jahr Iris Wolf zu Gast.

Nach der NS-Zeit analysierte die Politologin die Wirkung totalitärer Herrschaft und löste kontroverse Debatten aus.