Am Donnerstag traf sie Donald Trump im Weißen Haus, am Freitag trifft sie jetzt seinen Vize JD Vance in Rom.
Keine andere europäische Regierungschefin hat so gute und so enge Kontakte zur
US-Administration wie die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Das
ist zunächst einmal eine gute Sache. Denn trotz aller Zerwürfnisse sollten die
Europäer mit Trump im Gespräch bleiben. Trump mag sich noch so verächtlich über
die EU äußern, er mag noch so vulgär und verletzend auftreten, Europa sollte
von sich aus nichts tun, um den Konflikt zu verschärfen.

Da kommt eine wie Meloni gerade
recht. Sie kann mit Trump, und er kann mit ihr.

Meloni stand ihm schon in ihrer
Zeit als Oppositionspolitikerin nahe. Nachdem sie 2022 italienische
Regierungschefin geworden war, baute sie zum damals amtierenden demokratischen
Präsidenten Joe Biden gute Beziehungen auf, ohne die Verbindungen zu Trump
abreißen zu lassen. Es war dabei aber immer klar, in welchem Lager sie sich ideologisch
verortete: nicht bei den Demokraten, sondern bei den Republikanern, gerne auch
in ihrer radikalisierten Form.

Meloni bezeichnete Donald Trump kürzlich
als einen „great leader“. Das ist keine Schmeichelei. Das meint sie ernst. Denn
ob es um Wokeness, um Migration oder um Diversität geht – die beiden teilen sehr
viele Überzeugungen, oder besser: Instinkte. Das gilt auch für ihr Verhältnis
zu JD Vance. Seine inzwischen berüchtigte Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz, bei der er Europa frontal angriff, in der er behauptete,
es gäbe dort keine Meinungsfreiheit, fand sie im Kern richtig. Tatsächlich
zieht Meloni gerne gegen vermeintliche linksliberale Eliten, die Italien
beherrschten, zu Felde, das tat sie als Oppositionspolitikerin, und das tut sie als
Regierungschefin.

© Lea Dohle

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Wenn also Meloni sich mit Trump
und Vance trifft, dann ist sie unter Freunden. Ein Problem lässt sich allerdings
auch für sie nicht aus der Welt schaffen: Sie ist die Regierungschefin eines
Mitgliedslandes der Europäischen Union.

In dieser Eigenschaft hat sie
kein Mandat, über den Zollkonflikt mit den USA zu verhandeln. Das ist alleinige
Kompetenz der EU-Kommission, sprich von Ursula von der Leyen. Die beiden
Politikerinnen haben in den letzten Jahren ein sehr gutes Arbeitsverhältnis
entwickelt. Sie schätzen sich und vertrauen einander. Die beiden haben sicher viel
miteinander gesprochen, bevor Meloni zu Trump fuhr.

Verbündete im Schaffen einer Wertegemeinschaft

Meloni hat sich seit der Wahl
Trumps immer wieder als Brückenbauerin angeboten. Bei ihrem Auftritt im Weißen
Haus wurde deutlich, dass sie es damit ernst meint. Sie kann es als Erfolg
verbuchen, dass Trump offenbar eine Einladung zu einem Besuch in Rom „in naher
Zukunft“ angenommen hat. Wobei die Versprechungen Trumps bekanntlich eine sehr
geringe Halbwertszeit haben – aber dafür kann Meloni nichts. In Rom, sagte sie, könne sich Trump
dann mit „Europa“ treffen. Mit Europa war wohl Ursula von der Leyen gemeint. Trump
hat sich bis heute beharrlich geweigert, die EU-Kommissionschefin zu treffen.

Am Freitag nun hatte Meloni eine
weitere Gelegenheit, die US-Regierung zu bearbeiten. Sie aß mit dem
konvertierten Katholiken JD Vance zu Mittag, bevor er an der Karfreitagsmesse
im Petersdom teilnahm. Die beiden werden sich über den aktuellen Zollkonflikt
hinaus einiges zu sagen gehabt haben. Denn Meloni hat sich selbst vor Jahren
mit folgendem Satz beschrieben, ja definiert: „Ich bin Giorgia, ich bin eine
Frau, ich bin eine Mutter, ich bin eine Christin!“ Vance wie Meloni stehen für ein
kulturkämpferisches, konservatives Christentum, nicht für ein liberales und offenes Christentum, wie es Papst Franziskus vertritt. Meloni definiert den Westen nicht
als „geografischen Raum“, sondern als Zivilisation, als eine Wertegemeinschaft. „We will make western civilization great
again“ – sagte sie zu Trump im Weißen Haus. Trump ist für sie ein Verbündeter in diesem Unterfangen.

Damit ist der Unterschied zu
Ursula von der Leyen deutlich markiert. Im Interview mit der ZEIT sagte sie
kürzlich: „Den Westen, wie wir ihn kannten, gibt es nicht mehr!“ Die
EU-Kommissionschefin macht sich da keine Illusionen. Meloni hingegen hält an
der Fiktion fest, dass im Westen nichts Fundamentales zerbrochen sei. Ihre Rede
von make the western civilization great again ist dafür der Beleg.

Im Ergebnis bremst das Gerede von
der westlichen Zivilisation den europäischen Emanzipationsprozess. Das ist
folgerichtig. Denn Meloni ist im Kern eine Nationalistin. Sie will keine weiteren
Souveränitätsrechte an eine übergeordnete Institution abgeben. Deswegen fürchtet sie eine enger
zusammenwachsende Europäische Union mehr als den amerikanischen Rabiat-Nationalismus
von Donald Trump und JD Vance. Die Brücke, die sie gerade zwischen den beiden
Kontinenten baut, soll bitte direkt nach Rom führen, nicht nach Brüssel.