. Ein demenzkranker Senior wird von seinem Sohn mit extremer Brutalität getötet. Ein frustrierter Sonderling, der sich beim Familienerbe übergangen fühlt, verteilt hochgefährliche, selbst gebastelte Rohrbomben. Ein Mann wird morgens vor einer Grundschule von einem Motorrad aus erschossen. Ein an der Weser sitzender Angler fällt einem unbekannten Mörder zum Opfer – keine Taten, die sich in irgendeiner Großstadt ereignet haben, sondern in einer sogenannten ländlichen Region, nämlich im großen Einzugsbereich der Staatsanwaltschaft Verden. Diese vier und noch zehn weitere prägnante Fälle sind ausgiebig in dem druckfrischen Buch dokumentiert, das den Titel „Ermittlungen hinter dem Deich“ trägt und in dem es um „Kapitaldelikte jenseits der Metropolen“ geht.
Wie die Ermittlungen nicht nur hinterm Deich ablaufen, welches Räderwerk ineinandergreifen muss, was hartnäckige Nachforschungen bewirken können, und warum auch bewährte Profis bei der Verbrechensaufklärung manchmal an ihre Grenzen stoßen, wird in dem fast 300 Seiten umfassenden Buch von einem fachkundigen Autorentrio dargestellt. Auf dem Cover steht nur „Marquardt/ Püschel/ Saimeh“, auf der Rückseite des Einbandes ein bisschen mehr, im Innenteil etliches Interessante.
Expertise auf drei Gebieten
Erste Staatsanwältin Annette Marquardt, seit 1999 bei der Behörde, befasst sich seit Gründung des Sonderdezernats Kapitaldelikte im Jahr 2011 vor allem mit den versuchten und vollendeten Tötungsdelikten im Bezirk des Landgerichts. Die promovierte Juristin gilt als Spezialistin für sogenannte Cold Cases und unterrichtet an der Polizeiakademie Niedersachsen. Professor Klaus Püschel leitete von 1991 bis 2020 das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und ist ein international renommierter Wissenschaftler. Nahlah Saimeh, in Düsseldorf ansässig, ist Fachärztin für Psychiatrie mit Schwerpunkt Forensik.
Ein starkes Team, und das hat nichts mit der gleichnamigen Fernsehserie zu tun. In dem Gemeinschaftswerk werden keine fiktiven „Regionalkrimis“ serviert, wie sie auf vielen Kanälen rauf und runter in meist oberflächlicher Unterhaltungsform laufen, sondern Fälle aus der knallharten Realität im zwar ländlichen, aber keineswegs verbrechensarmen Raum. Die erste offizielle Vorstellung des Buches findet am Montag, 6. Oktober, dort statt, wo vor sechs Jahren auch schon ein ähnliches Buch mit Verden-Bezug präsentiert wurde: in der Hauptstelle der Kreissparkasse (KSK) an der Ostertorstraße.
In bekannten Gefilden
Marquardt und Püschel sind „Wiederholungstäter“. Zusammen mit dem – pensionierten – Verdener Kriminalbeamten Martin Erftenbeck haben sie schon das 2019 erschienene Buch „Wahrheit – Tote haben Recht(e)“ geschrieben. Den umfangreichsten Part nahm darin der monströse Fall des „Markenmannes“ ein, der die Ermittler fast 20 Jahre beschäftigt hatte. Erftenbeck war seinerzeit Leiter der Sonderkommission Dennis. Wesentlich schneller sind die Fahnder dem Täter auf die Spur gekommen, dessen Verbrechen sowie deren Folgen, bis hin zur Verurteilung am Jahrestag, im neuen Buch den meisten Platz beanspruchen, immerhin rund 40 Seiten.
Der wahre Name und genaue Ort des Geschehens werden zwar, wie in allen Fällen, nicht genannt, aber allein die vergleichsweise lange Überschrift des achten Kapitels lässt bereits erahnen, wohin die Reise geht – nach Fischerhude. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2021, genau am 28. Dezember, war es mit der viel gepriesenen Beschaulichkeit in dem kleinen Künstlerdorf erst einmal vorbei. Auch unter „Hannoveranerzucht, Adel, Doppelmord oder: Strategischer Amoklauf eines ehemaligen Millionärs“ wird ein fundierter Einblick in die Arbeit und den Berufsalltag von Staatsanwaltschaft, Rechtsmedizin und forensischer Psychiatrie bei der Aufklärung von Kapitaldelikten geboten. Ergänzt werden die Darstellungen der faktenbasierten einzelnen Fälle, darunter auch der mutmaßlich auf „Blutrache“ basierende Mord an einem Albaner in Visselhövede (Januar 2017) und der „Klosterforst-Mord“ in Rehburg-Loccum (September 2015), durch zahlreiche kleine Zusatzerklärungen. Etwa unter den Stichworten Spurensuche, bedingter Tötungsvorsatz und Tötungsabsicht, Rechtsmittel der Revision und Sicherungsverwahrung.
„Ermittlungen hinter dem Deich“ ist ab sofort in der Buchhandlung erhältlich.
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FOCKE STRANGMANN
Zwecks Ankündigung und zur Einstimmung auf die Buchvorstellung hatte die Kreissparkasse jüngst zum Pressegespräch eingeladen. KSK-Vorstandsvorsitzender Dennis Gläß und Beate Patolla, die für die Öffentlichkeitsarbeit der KSK zuständig ist, konnten dazu zwei der drei fleißigen Verfasser begrüßen. Dabei wurde deutlich, dass Marquardt und Püschel nicht nur eine flotte und fachlich versierte Feder schwingen. Sie warfen sich auch verbal die Bälle zu und berichteten ebenso informativ wie interessant – und gelegentlich amüsant – über ihre Erinnerungen an die mehr oder weniger weit zurückliegenden Fälle. So auch die, denen sie sich unter den Überschriften „Die Rohrbombe“, „Mord im Bunker“ oder „Moora – die Moorleiche“ gewidmet haben.
Die Lesung mit anschließender Fragerunde findet am 6. Oktober ab 19.30 Uhr bei der KSK statt. Interessierte können sich bis diesen Donnerstag, 26. September, um Plätze auf der Gästeliste bemühen, maximal zwei pro Anfrage. E-Mails sind an werbung@ksk-verden.de zu richten. Am 29. September werden die Anfragenden erfahren, ob es mit einem Platz geklappt hat.