Zwei Kriminelle überfallen am 4. August 1971 eine Bankfiliale in München. Sie setzen von Anfang an darauf, die Polizei zu erpressen. Jetzt hat das ZDF den dramatischen Fall mit filmischen Mitteln nachgestellt – und sogar eine Geisel sowie einen Polizisten befragt.

Der Horror beginnt um genau 15.55 Uhr: Kurz vor Schalterschluss stehen an diesem 4. August 1971 zwei Männer mit Motorradhelmen und Pistolen in der Filiale der Deutschen Bank an der Prinzregentenstraße 70 in Münchens Ortsteil Steinhausen. Aus dem bis dahin ganz normalen Mittwochnachmittag wird der Tag des ersten Geiseldramas der deutschen Geschichte. Am Ende sind eine junge Frau und einer der Täter tot.

Für das TrueCrime-Format „XY History“ hat das ZDF diesen Fall jetzt verfilmt; am 24. September 2025 wird der 45-Minüter ausgestrahlt. Besonders macht die Produktion, dass eine der damaligen Geiseln, der Kassierer Ludwig Kelnhofer, mehr als ein halbes Jahrhundert später zu Wort kommt, ebenso wie der damalige Streifenpolizist Walter Renner, Kelnhofers Frau und weitere Augenzeugen.

Bald nach Beginn des Überfalls haben die Täter ihre Helme gegen rote Masken ausgetauscht, außerdem eine Maschinenpistole herausgeholt. Sie meinen es tödlich ernst. Der 32-jährige Kelnhofer wird gezwungen, der Polizei am Telefon eine Forderung vorzulesen: „Zwei Millionen Mark in Scheinen bis spätestens 22 Uhr und freies Geleit, sonst sterben die Geiseln.“ Das Geld in der kleinen Bank reicht den Gangstern nicht, weshalb sie die erste geplante Erpressung der Polizei mittels Todesdrohung gegen Unbeteiligte in der Kriminalitätsgeschichte der Bundesrepublik begehen.

„Eine Geiselnahme gab es allenfalls, wenn die Polizei zu früh kam“, erinnert sich im ZDF-Film der am Einsatz beteiligte damalige Polizist Walter Renner. Das trifft zu – tatsächlich hatte es bei Banküberfällen in Deutschland bereits zuvor vereinzelt Geiselnahmen gegeben.

So hatten am 7. Mai 1970 drei Kriminelle in Neheim-Hüsten (Sauerland) auf der Flucht einen 57-jährigen Frührentner in ihre Gewalt gebracht und gezwungen, sie mit seinem Auto wegzubringen. Nach etwa 70 Kilometern stellten Polizisten das Fluchtfahrzeug. Die Bankräuber drohten, ihre Geisel zu ermorden, doch die Polizei blieb hart – da feuerten die Gangster aus dem Wagen. Die Beamten antworteten mit einem Kugelhagel: 20 Geschosse schlugen in den Wagen ein, bis die Gangster aufgaben. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt oder getötet.

Nur acht Tage später, vor Pfingsten 1970, überfielen ebenfalls drei maskierte Täter in West-Berlin die Filiale der Bank für Handel und Industrie am Kreuzberger Mehringdamm. Auf der Flucht nahmen sie eine 41-jährige Frau als Geisel, die sie erst freiließen, als sie in Sicherheit waren. Es war gemessen an der Beute von etwa 200.000 Mark der größte Banküberfall in der geteilten Stadt seit Kriegsende. Mitte Juli 1970 benutzten Täter in der Waren-Kredit-Bank Berlin sogar ein zweijähriges Kind, um ihre ungehinderte Flucht zu erzwingen.

Doch so eine vorsätzliche Geiselnahme wie in Deutschen Bank an der Prinzregentenstraße hatte es in der Bundesrepublik noch nie gegeben. Daher standen weder darauf vorbereitete Verhandlungsexperten bereit noch speziell geschulte Polizisten, um die Geiselnehmer gegebenenfalls gezielt auszuschalten. Ja, sogar die Rechtslage war höchst unklar. Zwar durfte jedermann (und daher auch Polizeibeamte) Gewalt einsetzen und sogar töten, um einen anderen Menschen aus einer akut lebensbedrohlichen Situation zu befreien. Juristisch hieß das: Nothilfe leisten. Doch konnte der Vorgesetzte eines Polizisten ein solches Vorgehen anordnen?

In München stellt die Landeszentralbank am 4. August 1971 gegen 18.40 Uhr das geforderte Lösegeld in bar zur Verfügung – auf Rechnung der Deutschen Bank. Vor Ort hat derweil der Oberstaatsanwalt Erich Sechser die Einsatzleitung an sich gezogen, obwohl sowohl Polizeipräsident Manfred Schreiber als auch sein Stellvertreter Georg Wolf anwesend sind: Die genauen Kompetenzabgrenzungen in so einem Fall sind ebenfalls noch nicht geregelt.

Der forsche Ankläger will die Räuber beim Verlassen der Bank gewaltsam ausschalten lassen. Doch die Münchner Polizei verfügt nicht über entsprechend ausgebildetes Personal. Also werden mehrere als Jäger bekannte Beamte in eine Kiesgrube geschickt und üben dort das Schießen mit Sturmgewehren des Bundeswehr-Typs G-3, die in der Waffenkammer des Polizeipräsidiums vorhanden sind. Immerhin: Für die soliden Waffen, die auf die voraussichtliche Einsatzentfernung von deutlich weniger als hundert Metern als präzise gelten, gibt es passende Zielfernrohre. Allerdings sind die Ergebnisse der „Ausbildung“ alles andere als überzeugend: Die Jäger sind einfach den Umgang mit militärischen Waffen nicht gewohnt.

Die Zeit verstreicht weiter, ohne dass eine Lösung des Dramas näherrückt. Eine der Geiseln in der Bank erleidet einen Herzanfall; ein Notarzt darf sie untersuchen und berichtet: „Einer der Täter hält immer noch die Maschinenpistole, der andere einen Revolver in der Hand.“ Gegen 21 Uhr tragen zwei Köche des genau gegenüber gelegenen Restaurants Käfer Platten mit einer bayerischen Brotzeit in die Bank: Schinken, Schwarzbrot, Radieschen und das dazugehörende Bier in Körben. Ein Kriminaldirektor informiert die Geiselnehmer per Megafon: „Das Geld ist unterwegs.“

Gegen 22 Uhr läuft das Ultimatum ab, das die Täter gesetzt haben. Inzwischen liegen sechs mittels Probeschießen in der Kiesgrube fortgebildete Beamte auf Positionen rund um die Bank bereit. Der Plan des forschen Oberstaatsanwaltes sieht vor, den Bankräuber beim Prüfen des Fluchtwagens kampfunfähig schießen zu lassen. Unmittelbar danach soll die Bank gleichzeitig von vorne und von hinten gestürmt werden, um den zweiten Geiselnehmer zu überwältigen.

Kurz vor Mitternacht erscheint einer der beiden Täter in der Tür der Bank – und schickt Ludwig Kelnhofer hinaus, der die Tasche mit dem Lösegeld in den bereitstehenden BMW trägt. Dann tritt eine gefesselte Frau mit Kapuze über dem Kopf aus der Filiale: die Bankangestellte Ingrid Reppel. Kelnhofer bringt sie zum Wagen. Es folgt einer der Bankräuber mit seinen Waffen. Er geht auf den Wagen zu.

Doch das Blitzlichtgewitter anwesender Fotografen und Schaulustigen blendet die Schützen, die zudem keinen Funkkontakt untereinander haben und deshalb wenige Sekunden lang orientierungslos sind. Dann krachen die ersten Schüsse – von oben, von unten und von der Seite. Ein wüster Kugelhagel bricht los, insgesamt 120 bis 150 Schüsse. Auch der Gangster schießt – fünfmal, bevor er stirbt. Sein Name ist Hans-Georg Rammelmayr, 31 Jahre alt und als Kleinkrimineller vorbestraft.

Noch während es knallt, springt ein Mann zum BMW. Es ist der Münchner CSU-Bürgermeister Hans Steinkohl, Chirurg und Unfallmediziner. Er reißt die Tür auf und holt Ingrid Reppel heraus, die vor Schmerzen stöhnt. Seine erste Blitz-Diagnose: „Sie lebt und hat keine Gehirnverletzung.“ Zusammen mit einem Helfer trägt Steinkohl die schwer verletzte Frau zum bereitstehenden Rettungswagenwagen; er ist auch dabei, als sie später in der Universitätsklinik rechts der Isar operiert wird. Doch Ingrid Reppel kann nicht mehr gerettet werden.

Anschließend befreien Beamte die übrigen Geiseln und nehmen den zweiten Bankräuber fest: Dimitri Todorov, 24 Jahre alt, geboren in Graz, vorbestraft wie sein toter Freund Rammelmayr. Er erhält wegen fünffachen versuchten Mordes, räuberischer Erpressung und Freiheitsberaubung eine lebenslange Haftstrafe.

Schon nach 22 Jahren hinter Gittern, im Alter von 46 Jahren, kommt er 1993 auf Bewährung frei; 1998 wird er wegen eines Rauschgiftdeliktes wieder inhaftiert, diesmal für zwei Jahre. Danach veröffentlicht er 2002 ein larmoyantes Buch, die „Biografie eines Lebenslänglichen“. Für die tote Ingrid Reppel oder die seelisch versehrten anderen Geiseln, darunter Ludwig Kelnhofer, interessiert sich kaum jemand.

Sven Felix Kellerhoff ist Leitender Redakteur bei WELTGeschichte. Zu seinen Themenschwerpunkten zählen der Nationalsozialismus, die SED-Diktatur, linker und rechter Terrorismus sowie Verschwörungstheorien.