Auf Antrag der Kiekert AG hat das Amtsgericht Wuppertal am heutigen Dienstag, 23. September, ein vorläufiges Insolvenzverfahren angeordnet. Ziel ist die geordnete Fortführung des Geschäftsbetriebs unter dem Schutz des Insolvenzrechts und sodann die Restrukturierung des Unternehmens. Das zuständige Amtsgericht hat Rechtsanwalt Joachim Exner von der Kanzlei Dr. Beck & Partner zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

In einer ersten Reaktion der Stadt Heiligenhaus auf die Lage des Traditionsunternehmens heißt es: „Das heute auf Antrag der Kiekert AG vom Amtsgericht Wuppertal angeordnete, vorläufige Insolvenzverfahren hat auch die Stadt Heiligenhaus überrascht.“ Bürgermeister Michael Beck macht deutlich, dass „wir grundsätzlich um die angespannte Situation des Unternehmens wissen und daher seit mehreren Monaten mit dem Vorstand im Gespräch sind. Gemeinsam wurde der Kontakt zum Wirtschaftsministerium und Förderbanken gesucht und nach entsprechenden Lösungen gerungen. Gerade mit Blick auf die lange Tradition des Unternehmens vor Ort und die Sicherung der großen Anzahl an Arbeitsplätzen wurden alle Möglichkeiten in Betracht gezogen.“ Weiterhin fügt er an, dass „auch die Stadt Heiligenhaus hofft, dass es zu einer zielführenden Restrukturierung des Geschäftsbetriebs unter dem vorläufigen Insolvenzschutz kommen kann.“

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Beyer pflegt, wie er auf Anfrage sagte, seit Jahren enge Kontakte in das Unternehmen hinein. Seine erste Einschätzung nun: „Die Meldung ist noch ganz frisch und für sich schon ein Schock. Ich könnte mir vorstellen, dass neue internationale Investoren an den Start kommen. Wir wissen allerdings auch um die schwierige Lage bei Autozulieferern.“ Für eine detaillierte Einschätzung der Lage sei es noch zu früh. Aber das Ziel aller folgenden Bemühungen sei klar: Erhalt des Standorts Heiligenhaus.

Der operative Geschäftsbetrieb läuft im vorläufigen Verfahren an allen Standorten regulär weiter, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens selbst. Auch die Löhne und Gehälter der rund 700 Mitarbeitenden in Deutschland sind über das Insolvenzgeld bis einschließlich November gesichert. Die Mitarbeitenden wurden aktuell über die aktuelle Situation informiert.

Kiekert-CEO Jérôme Debreu erklärt: „Der Insolvenzantrag ist ein unabwendbarer Schritt, um die Zukunftsfähigkeit der Kiekert-Gruppe zu sichern. Die Kiekert AG hat sich in den vergangenen Jahren erfolgreich restrukturiert und auf der Kundenseite erheblich an Vertrauen gewonnen – davon zeugt ein Auftragsbestand von zehn Milliarden Euro. Die Insolvenz ist die Konsequenz daraus, dass der chinesische Gesellschafter keine weiteren Mittel bereitgestellt und seine finanziellen Verpflichtungen im dreistelligen Millionenbereich nicht erfüllt hat. Der von Sanktionen betroffene Gesellschafter verwehrt uns den Zugang zu wichtigen Märkten und Finanzierungen, was unsere Geschäftstätigkeit erheblich gefährdet. Mit nur vier Prozent unseres Umsatzes mit chinesischen OEMs und Kapital, das in China gebunden ist, dürfen wir nicht zulassen, dass geopolitische Restriktionen unser 96-prozentiges Kerngeschäft in Europa, Amerika, Japan und Südkorea gefährden. Der Ausstieg des Gesellschafters ist entscheidend, um unser Wachstum zu beschleunigen und die 168-jährige Geschichte von Kiekert als systemischen Zulieferer der Automobilindustrie fortzusetzen.“

Debreu betont, dass sein internationales Top-Management-Team bereit ist, alle Wachstumschancen zu nutzen und das Unternehmen von Einschränkungen zu befreien. „Wir werden eng mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter zusammenarbeiten, um eine erfolgreiche Restrukturierung sicherzustellen und Kiekert als verlässlichen Partner in der Automobilindustrie zu erhalten ‚back home‘.“

Mit der Ernennung von Jérôme Debreu zum CEO im Jahr 2021 hatte Kiekert eine strategische Neuausrichtung erfahren, die auf langfristige Stabilität und Innovation setzte. Trotz der Herausforderungen der vergangenen Jahre sah man sich finanziell und operativ solide aufgestellt.

Zum Hintergrund der nun enstandenen Lage äußerte sich das Unternehmen so: Zuletzt hat die Kiekert AG auch durch die geopolitischen Entwicklungen – insbesondere die US-Sanktionspolitik – erhebliche Auftragsverluste hinnehmen müssen. Amerikanische Kunden haben bereits erteilte Großaufträge zurückgezogen, Rating-Agenturen das Unternehmen aufgrund des chinesischen Gesellschafters heruntergestuft, Banken verweigern neue Kredite. In dieser Situation ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die einzig verbliebene Option, um die Kiekert AG zu restrukturieren und zukunftsfähig aufzustellen. Die Kiekert AG wird nun die Arbeit des vorläufigen Insolvenzverwalters bestmöglich unterstützen und eng mit ihm zusammenarbeiten, um die Voraussetzungen für eine tragfähige Restrukturierung zu schaffen.

Uwe Höhndorf, Betriebsratsvorsitzender der Kiekert AG, betont: „Die Beschäftigten haben alles gegeben und waren bereit, ein millionenschweres Sanierungspaket zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit mitzutragen, um das Unternehmen zu stützen: Viele Kolleginnen und Kollegen stammen aus Familien, die seit Generationen bei Kiekert arbeiten und das Unternehmen geprägt haben. Die Belegschaft unterstützt den amtierenden Vorstand – der eingeschlagene Weg war und ist richtig.“