Das 115 Jahre alte Prachtgebäude in Stuttgart steht seit 2012 leer und sein Zustand wird immer erbärmlicher. Warum will die Stadt das Städtebaujuwel nicht kaufen?

Auf dem Hallschlag hat sich in den vergangenen Jahren vieles zum Positiven verändert. Großen Anteil daran hat die Umnutzung der denkmalgeschützten Reiterkaserne. Doch in diesem Zusammenhang haben sich Stuttgarts Stadtplaner und Landschaftsarchitekten an einem Thema die Zähne ausgebissen: die Sanierung des Offizierscasinos an der Rommelstraße im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt, das gegenüber dem Haupteingang der ehemaligen Kaserne liegt und seit 2012 leer steht.

Offizierscasino in Bad Cannstatt wurde 1910 erbaut

Das Gebäude wurde im Jahr 1910 als Offizierscasino der benachbarten Reiterkaserne gebaut. In Geschichtsbüchern und alten Artikeln wird das Casino oft als „sogenannte Speiseanstalt der einst ruhmreichen Dragoner“ bezeichnet. Damit war nach dem Zweiten Weltkrieg Schluss.

Das Offizierscasino diente nur noch dem US-Militär als Verwaltungs- und Bürogebäude. Nach dem Abzug der US-Amerikaner in den 1990er-Jahren wurde das Gebäude bis 2012 von verschiedene Bundes- und Landesstellen genutzt. Seitdem steht das Gebäude leer und verfällt immer mehr.

Blick übers Stuttgarter Neckartal

Rund 3000 Quadratmeter groß ist das Grundstück, auf dem das Offizierscasino sein erbärmliches Dasein fristet. Eine Schande, denn mit seiner Lage oberhalb der Altenburger Steige bietet sich ein herrlicher Blick auf Bad Cannstatt und das Neckartal. Eigentlich ein beschauliches Stück Stuttgart zum Wohnen, zumal das Gebäude mit dem Frontbalkon samt eiserner Brüstung und den vier sandfarbenen Säulen eher eine Luxusimmobilie vermuten lässt.

Super Lage, steht aber steht seit 2012 leer. Foto: Uli Nagel

Wer genauer hinschaut, der sieht schnell: das Gebäude gleicht von außen eher einer Bruchbude, bei der die Natur Herrin des dazugehörigen Gartens ist. Wo einst ein Zaun das Gelände von Gehsteig trennte, wuchern dichte Brombeersträucher, die Fenster sind von innen mit Brettern zugenagelt.

An den Toren zum Garten hängen dicke Ketten und sollen unerlaubtes Betreten verhindern. „Dieses Grundstück ist alarmgesichert und Videoüberwacht“, warnt zudem ein Schild. Das schreckt nicht alle ab, wie Trampelpfade durch das Gestrüpp um das Haus, Graffiti auf den Wänden und jede Menge Müll belegen.

Polizei ist Stammgast im Offizierscasino

Anwohner berichten von regelmäßigen Anrufen bei der Polizei, da nachts immer wieder Unbekannte in dem Gebäude ihr Unwesen treiben. Seit geraumer Zeit ist sogar ein Blick ins Innere möglich; zumindest einige Meter, denn die Eingangstür ist sperrangelweit offen. Davor liegen jede Menge Glasscherben auf den Stufen.

Ebenfalls ein Beweis, dass sich im Offizierscasino regelmäßig Menschen herumtreiben, die Freude am Glaszerdeppern haben. Das wunderschön gelegene Gebäude ist fraglos Sinnbild dafür, wie potenzieller Wohnraum ungenutzt bleibt und immer weiter verfällt.

Und das seit neun Jahren. Denn bereits 2016 stellte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) das Offizierskasino zum Verkauf. Dem damaligen Stuttgarter Finanzbürgermeister Michael Föll war der Kaufpreis von 1,5 Millionen Euro angesichts der hohen Sanierungskosten zu teuer. Das Gebäude hatte laut dem Exposé zur Ausschreibung viele Schäden durch Risse, vor allem im Untergeschoss. Zudem zeigten Untersuchungen, dass sich das Gebäude um mehrere Zentimeter gesenkt hatte.

Kritik am Finanzbürgermeister

Einige Fraktionen kritisierten den ihrer Meinung nach „knausrigen Föll“. SÖS, Linke und Puls verwiesen dabei auf eine Bürgerinitiative, die unter dem Motto „Leuchtturmprojekt faires Wohnen im Offizierscasino“ gut 11 000 Unterschriften gesammelt und sich für das Kulturdenkmal eingesetzt hatte. Die Fraktionsgemeinschaft hätte sich in dem denkmalgeschützten Gebäude neben Wohnungen auch eine soziale und kulturelle Nutzung vorstellen können.

Trotz der Mängelliste fand das Casino, das über 20 Räume mit gut 1200 Quadratmeter Nutzfläche verfügt, einen Käufer. Dabei handelte es sich um einen in der Immobilienbranche schillernden Namen: Christoph Gröner, Geschäftsführer mehrerer nach ihm benannter Unternehmen, die in verschiedenen nach ihm benannten Gruppen organisiert sind.

Gröners Ziel: 1000 Quadratmeter Wohnraum mit einem „unverbauten Blick über das Neckartal“ zu schaffen. Die Fertigstellung war für 2023 geplant. Das Projektvolumen soll sich auf über zehn Millionen Euro belaufen haben. Passiert ist dort aber nichts.

Skateranlage verbietet Wohnungsbau

Der Grund: Unterhalb des Grundstücks befindet sich im Bereich der Altenburger Steige eine rege genutzte Skateranlage. Laut Stadtverwaltung sind die Lärmwerte so hoch, dass sie einer Wohnnutzung entgegenstehen. Die Folgen: Sämtliche Konzepte verschwanden wieder in den Schubladen und das Grundstück samt Gebäude verfällt immer weiter.

Im September 2024 startete die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke erneut einen Anlauf und fordert die Stadt auf, das Gebäude endlich zu erwerben. „Wir erwarten jetzt, dass die Stadt dem jetzigen Investor ein Kaufangebot unterbreitet, das Gebäude saniert und einer gemeinwohlorientierten Nutzung zuführt“, so Fraktionssprecherin Johanna Tiarks (Die Linke).

Allemal erhaltenswert ist das 115 Jahre alte Gebäude im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt. Foto: Uli Nagel

Warum die Beantwortung des Antrags ein Jahr in Anspruch nahm, bleibt das Geheimnis der Verwaltung. Zumal sich an ihrer Argumentation, die gegen einen Kauf spricht, nichts geändert hat. „Neben den erforderlichen Mitteln für einen Grunderwerb entstehen Sanierungskosten in einem erheblichen Umfang“, heißt es in dem Papier.

Gleichzeitig bestehe weiterhin die Unsicherheit, ob sich die genannten sozialen Nutzungen auf dem Grundstück tatsächlich umsetzen lassen. Die Hanglage des Außenbereich und eine notwendige Umgestaltung werden als kritisch bewertet.

Stadt Stuttgart will mit Besitzer im Gespräch bleiben

Immerhin verspricht die Verwaltung, mit dem Eigentümer weiter „unterstützend“ im Gespräch zu bleiben. Doch wie lange ist das überhaupt noch möglich? Immerhin werden dem Unternehmer Christoph Gröner bereits seit Monaten Insolvenzverschleppung, Veruntreuung und Vermögensverschiebung vorgeworfen.

Der Name hat übrigens auch in Fellbach Spuren hinterlassen. Der Immobilienentwickler tauchte im Spätsommer 2018 überraschend auf und galt für einige Jahre als Retter des Wolkenkratzers – ehe der Schwabenlandtower dann an die Adler Group ging.