Dass Brasilien bei der jährlichen Generaldebatte in New York die Eröffnungsrede halten darf, hat bei den Vereinten Nationen Tradition. Dieses Jahr wirkte es wie ein launiger Einfall des Universums. 80 Jahre nachdem der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt die Gründungscharta der UN mitformuliert hatte, sind es inzwischen die anderen, die den USA Lektionen in Sachen Werte erteilen müssen.

Brasiliens Präsident Lula da Silva erwähnte den Namen Donald Trump kein einziges Mal, aber es war klar, von wem er sprach: Er lobte die demokratische Rechtsordnung seines Landes dafür, kürzlich seinen Vorgänger Jair Bolsonaro wegen des Putschversuches ins Gefängnis gebracht zu haben – ein offener Hieb gegen den US-Präsidenten, der versucht hatte, Brasilien mit horrenden Zöllen um eine Freilassung Bolsonaros zu erpressen. Lula warnte vor einer Weltordnung, die immer öfter von „Zugeständnissen an Machtpolitik“ geprägt sei. „Antidemokratische Kräfte versuchen, Institutionen zu unterwerfen und Freiheiten zu unterdrücken. Sie verherrlichen Gewalt, preisen Unwissenheit und schränken die Presse ein.“