Die seltsame Beziehungsgeschichte zwischen Donald Trump und den Telepromptern ist mindestens zehn Jahre alt. Schon damals in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf im Sommer 2015, als ihn noch niemand ernst nahm, stellte Trump die Forderung auf, alle Teleprompter müssten verboten werden. Wer abliest, betrügt – so in etwa war das zu verstehen. Er selbst spreche natürlich grundsätzlich frei, schwindelt er seither regelmäßig. Das Redehilfe-Bashing ist zu einem Leitmotiv von Trumps Reden geworden, egal, ob er irgendwo in Pennsylvania oder im Madison Square Garden spricht – fast immer geht es auch um Teleprompter. Und deshalb war es schon ein bemerkenswerter Zufall, als ausgerechnet zu Beginn von Trumps Rede in der UN-Generalversammlung der Teleprompter streikte.

Oder war es vielleicht gar kein Zufall? UN-Mitarbeiter ließen hinter den Kulissen nämlich wissen, das betreffende Gerät für den US-Präsidenten sei vom Weißen Haus betrieben worden.

Trump-Rede vor den Vereinten Nationen

:„Eure Länder werden zur Hölle fahren“

US-Präsident Donald Trump verstört bei seiner Rede in der UN-Vollversammlung das Publikum mit Fundamentalkritik an der Weltorganisation. Auch Europa und besonders Deutschland bekommen ihr Fett ab.

SZ PlusVon Boris Herrmann

Trump war auf seinem Weg in den Plenarsaal jedenfalls auch schon auf einer Rolltreppe stecken geblieben, er musste die Treppen nehmen. All das nahm er zum Anlass, um zu einer Generalabrechnung mit den Vereinten Nationen auszuholen. Er zeichnete das Bild von einer kaputten, überflüssigen Organisation, die Probleme schaffe, anstatt Probleme zu lösen. Die technischen Pannen zog er dafür als Sinnbild heran. „Das sind die beiden Dinge, die ich von den Vereinten Nationen bekommen habe: eine schlechte Rolltreppe und einen schlechten Teleprompter. Na, vielen Dank!“, sagte Trump.

Man kam nicht umhin, das auch als einen Frontalangriff auf jene Frau zu deuten, die der UN-Generalversammlung gerade formell vorsteht: „Madame President“ aus Deutschland.

„Ganz klar, wir müssen besser werden“, hatte Annalena Baerbock in ihrer Begrüßungsrede am Dienstagmorgen gesagt. „Aber wir sollten nicht zulassen, dass Zyniker diese Fehler ausschlachten“, etwa indem sie behaupteten, die UN sei überholt und irrelevant und reine Geldverschwendung. Als Baerbock das sagte, steckte Trump offenbar noch im UN-Treppenhaus, aber man konnte das bereits als klare Spitze in seine Richtung verstehen.

Trumps Replik war die eines Berufszynikers, der sehr wohl gewillt ist, jeden noch so kleinen Fehler auszuschlachten – selbst wenn ihn, wie beim Teleprompter, womöglich die eigenen Leute verursacht haben sollten. Seine Botschaft an die Präsidentin der Generalversammlung lässt sich leicht vereinfacht so zusammenfassen: Typisch Deutsch, große Klappe, aber nichts gebacken kriegen.

Trump sprach knapp eine Stunde lang über so ziemlich alles

Das, was da am Dienstag in New York zum allgemeinen Schrecken aufgeführt wurde, war nicht nur die längste, sondern auch chaotischste aller bisherigen Trump-Reden vor den Vereinten Nationen. Der US-Präsident sprach knapp eine Stunde lang über so ziemlich alles: über Lebensmittelpreise in den USA, Windmühlen in Schottland sowie Gefängnisse in Österreich und der Schweiz. Er behauptete, der Bürgermeister von London wolle die Scharia einführen und Umweltschützer „alle Kühe töten“. Er brachte außerdem seinen Frust zum Ausdruck, dass er einst als Bauunternehmer in einem Bieterverfahren zur Modernisierung des UN-Hauptquartiers übergangen worden war. „Mit mir hätten sie Mahagoni-Wände bekommen“, sagte Trump.

Wenn diese Rede überhaupt irgendeinen Fokus hatte, dann war es der Angriff auf Europa und insbesondere Deutschland. Eine fehlgeleitete Flüchtlings- und Energiepolitik, also die Migranten und die Erneuerbaren würden den Kontinent ins Verderben stürzen, das war seine zentrale Botschaft. Es wurde nicht vollends deutlich, welche Staats- und Regierungschefs Trump ansprach, als er sagte: „Eure Länder werden zur Hölle fahren.“ Aber eines steht wohl fest: Die Bundesrepublik zählte er dazu.

Es passte zu dem verwirrenden Verlauf dieses Vortrags, dass der US-Präsident seine Generalkritik an Deutschland mit einem ausdrücklichen Lob an Deutschland verband. „Deutschland wurde auf einen sehr kranken Weg geführt, sowohl in der Einwanderungspolitik als auch in der Energiepolitik“, erläuterte der Präsident. „Kurz vor den Bankrott“ habe der „grüne Weg“ das Land geführt, dann aber sei die „neue Führung“ gekommen. Mit „fossilen Brennstoffen und Atomkraft“ führe sie die Deutschen wieder dorthin zurück, „wo sie schon einmal waren, was gut ist“.  Dazu wüsste die mit regungsloser Miene zuhörende Präsidentin der Generalversammlung vermutlich das eine oder andere zu sagen, aber das verbietet natürlich das Protokoll.

Aber auch der am deutschen Platz sitzende Außenminister, immerhin ein Vertreter der von Trump so gepriesenen „neuen Führung“, schaut gar nicht glücklich aus. Zum einen vielleicht, weil Johann Wadephul (CDU) weiß, dass die schwarz-rote Koalition bisher gar keine neuen Atomkraftwerke ans Netz gebracht hat. Zum anderen wohl auch, weil ein paar scheinbar freundliche Worte diese verstörende Rede mit Angriffen auf Europa und die Vereinten Nationen ja auch nicht besser machen. Eines stimmt aber: Trump scheint einen Narren am neuen deutschen Kanzler gefressen zu haben. So sehr, dass er Friedrich Merz im August, als sieben Abgesandte aus Europa nach Washington geeilt waren, um dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Weißen Haus den Rücken zu stärken, einen „starken Anführer“ nannte.

Darüber, was Merz diese Ehre verschafft, gibt es ein paar Mutmaßungen. Helfen dürfte Trumps Abneigung gegen die ihn während seiner Amtszeit nervende Angela Merkel. Trump hat mitbekommen, dass Merz angetreten ist, das politische Vermächtnis seiner Vorgängerin abzuwickeln – vor allem in der Migrationspolitik. Außerdem kennt Merz die USA; er trifft bei Trump den Ton. Seine Körperlänge von knapp zwei Metern tut wohl ein Übriges.

Das ändert nichts daran, dass Trumps Maga-Politik ihre deutsche Entsprechung am ehesten in der AfD findet. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz kurz vor der Bundestagswahl hatte Trumps Vize J. D. Vance Merz mit einer Art Wahlkampfrede für die extrem Rechten noch schockiert. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich seitdem nicht bewahrheitet. Illusionen macht sich Merz wohl trotzdem keine mehr. Trumps Versprechen etwa, der Ukraine nach einem Waffenstillstand mit Sicherheitsgarantien beizustehen, gilt im Kanzleramt mittlerweile als begrenzt solide.

Zumal der Präsident, wie er in seiner Rede vor der Generalversammlung enthüllte, vor zwei Wochen entdeckt hat, was große Teile der Welt schon lange wissen. Nicht einmal alle Nato-Staaten hätten die Einfuhr von russischer Energie gestoppt, beschwerte er sich. „Sie kaufen Öl und Gas aus Russland, während sie gleichzeitig gegen Russland kämpfen“, klagte Trump. Das müsse aufhören, forderte er, sonst ergebe der ganze Druck auf Russland keinen Sinn. Da ist auch aus Sicht vieler in der EU etwas dran. Schon beim Treffen im Weißen Haus hatten die Europäer dem Präsidenten geraten, doch mal bei seinem Freund, dem Ungarn Viktor Orbán anzurufen. In Europa ist das Putins bester Kunde.