Treuenbrietzen. Bunte Malstifte wohnen noch auf dem Schreibtisch von Stefanie Jeschke, sie kommen aber nur selten zum Zug. Ihre Ideen bringt die Illustratorin nicht mehr – wie noch vor fünf Jahren – aufs Papier, sondern auf ein Grafiktablett. Handzeichnungen? Die Zeiten sind vorbei.
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„Früher habe ich alle Auftragsarbeiten klassisch gezeichnet, per Boten an die Verlage geschickt und auf dem gleichen Weg Korrekturen erhalten“, erinnert sich die Strichvirtuosin. Digitalisierte Arbeiten brachten zusätzlich eine Pauschale ein.
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Stefanie Jeschke: Illustratorin aus Treuenbrietzen
Heute haben Dateien endgültig die Mappen verdrängt. „Digitales Zeichnen ist nicht weniger kreativ, verkürzt nur viele Prozesse ungemein“, sagt Jeschke. Nicht nur das Hin- und Herschicken, sondern auch das Testen erster Ideen oder die Korrekturen.
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Fast jeder Kinderbuchverlag in Deutschland kennt die Illustratorin aus Treuenbrietzen. Bücher mit ihren Zeichnungen sind schon auf Koreanisch oder Afrikaans erschienen. Doch nach ihrer größten Begabung gefragt, nennt Stefanie Jeschke nicht ihre Malkünste. „Ich habe das Talent, hartnäckig zu sein.“
Dank dieser Beharrlichkeit fand sie auch zu ihrem Beruf. „Wenn ich etwas will, dann mache ich das. Irgendwann habe ich entschieden, Kinderbücher zu illustrieren – und so lange tags und nachts gearbeitet, bis ich es konnte“, sagt die Diplomdesignerin.
In der Schule fand sie das Zeichnen „schrecklich“. Auch ihre Eltern hielten sie nicht für künstlerisch begabt. Sie war zwar schon immer voller schöpferischer Energie, vor allem aber als Erfinderin. „Ich habe gerne Sachen gebastelt, die es noch nicht gab“, erzählt die 44-Jährige.
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Erstes Buch noch im Studium
Ihre visuelle Gestaltungskraft hat Stefanie Jeschke nach dem Abitur entdeckt und in Zeichnungskursen weiterentwickelt. Ordentlich Rückenwind hat ihr das Studium der Visuellen Kommunikation in Weimar gebracht. Und auch den ersten Auftrag: das Erdmännchen-Buch, das sie zu den Texten ihres Professors Werner Holzwart illustrieren durfte.
Seitdem hat Jeschke ihre künstlerischen Spuren in über 60 Büchern hinterlassen und ist für zwei Jahre im Voraus ausgebucht. Nur freie Kunst reizt sie wenig. „Der Unterschied zur angewandten Kunst? Da gibt es einen Auftraggeber. Ich laufe zur Höchstform auf, wenn mir jemand eine Aufgabe gibt. Ich brauche ein Manuskript, und sofort sehe ich die Illustrationen vor mir“, so Jeschke.
Illustratorin sagt: „Randthemen liegen mir“
Dabei betrachtet sie Dinge gerne aus einer anderen Perspektive und zeichnet nicht nur, was ein Text direkt zeigt, sondern kreiert oft eine Zwischenebene. „Oft bekomme ich Rand- oder Tabuthemen, wie Tod, Abschied, Außenseitenkinder oder Ausscheidungen“, sagte sie.
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In dem Kinderroman, an dem sie gerade arbeitet, stirbt ein Elternteil. Doch statt das Kind am Sterbebett zu zeichnen, setzt Jeschke auf eine subtile Geschichte in der Geschichte. Eine kleine Episode – ein Huhn, das im Baum vor dem Zimmer des Kindes landet – bekommt in Jeschkes Illustrationen eine Hauptrolle.
„Das Huhn bewegt sich durch das Buch und fliegt in dem Moment weg, als der Vater stirbt“, erklärt die Zeichnerin. „Wenige Seiten später fällt ein Ei auf den Boden und plötzlich ist ein neues Leben da, denn das Huhn hat die ganze Zeit gebrütet.“
Mit ihren Illustrationen fühlt sie eine „Riesenverantwortung“ auf den Schultern lasten. „Seitdem ich Mutter bin, sehe ich, was Kindern Angst macht, was sie herausfordert und was sie spannend finden“, sagt Jeschke. „Meine Lektorin hatte recht: Kinder verändern den Blick auf meine Illustrationen.“
„Ponys passen nicht zu mir“
Im Laufe der Zeit hat sie ihren Stil und auch Vorlieben gefestigt. Nicht jeder Auftrag kommt infrage. „Ponys und klassische Mädchengeschichten? Zu weichgespült, zu kuschelig. Es passt nicht zu mir. Maximal ein Einhorn.“
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Was es der Illustratorin besonders angetan hat, sind Hühner – nicht nur als Motiv für Zeichnungen, sondern auch im Leben. Hinter der grünen Fassade ihres Hauses im Herzen von Treuenbrietzen leben ein paar Hennen und ein Hahn.
Das Gefiedervolk ist unter „Team“ auf der Webseite von „Hühnerhof“ zu finden, einer Pension, die Stefanie Jeschke mit ihrem Mann betreibt.
Es ist ihr zweites Standbein, „falls Illustratoren irgendwann mal nicht mehr gefragt sind“, sagt die Unternehmerin.
In Treuenbrietzen geht noch was
Ihre Entscheidung, in Treuenbrietzen sesshaft zu werden, war ein längerer Prozess. Nach dem Abitur, von einem tiefen Fernweh getrieben, reiste sie um die Welt, bis nach Neuseeland. „Aber woanders ist auch nicht anders“, so ihre Erkenntnis. Zurück in Treuenbrietzen spürte sie sofort: „Hier geht noch was.“
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Als Diplomarbeit entwickelte die Weltenbummlerin einen Stadtführer für Treuenbrietzen, der sie der Stadt und ihrer Geschichte näherbrachte. „Die Stadt hat noch keine Vision, wo sie genau hinwill.“ Daran möchte sie gerne – zusammen mit anderen engagierten Menschen – arbeiten.
In Treuenbrietzen geht noch was.
Stefanie Jeschke
Illustratorin
Eine Freie Montessori-Grundschule hat sie 2023 durchgeboxt – ein Projekt, das sehr viel Überzeugungskraft und Durchhaltevermögen erfordert hat und die regionale Bildungslandschaft nachhaltig verändert hat.
Und was kommt als Nächstes? Bei Stefanie Jeschke weiß man: Es wird wieder gegen den Strich gehen.
MAZ