Interview
Standdatum: 24. September 2025.
Autorinnen und Autoren:
Emmy Thume
Auch Kinder und Jugendliche können im Ernstfall Leben retten. Sofern sie gelernt haben, wie das geht.
Bild: dpa | Jochen Tack
Auch Kinder und Jugendliche können Leben retten – vorausgesetzt, sie lernen, worauf es in einer Notfallsituation ankommt. Eine Bremer Expertin erklärt, wie man ihnen das beibringt.
Rund die Hälfte der Herzdruckmassagen in Deutschland werden in Notfallsituationen von Laien durchgeführt. Die Quote ist in den letzten Jahren angestiegen – ein Indiz dafür, dass immer mehr Menschen akut Erste Hilfe leisten können. Ein Blick auf andere europäische Länder zeigt allerdings: Die Situation könnte noch deutlich besser sein. In den Niederlanden werden laut Studien schon Quoten von etwa 70 Prozent erreicht, in Schweden führen sogar bei über 80 Prozent der Herzstillstände Ersthelfer die lebensrettende Reanimation aus.
Damit sich auch hier mehr Menschen in der Lage fühlen, im Notfall eine Herzdruckmassage zu geben und diese stärker ins Bewusstsein rückt, finden im Rahmen der „Woche der Wiederbelebung“ viele Erste-Hilfe-Trainings statt. Die Bremer Notfallsanitäterin Sabrina Erbut schult dabei Kinder und Jugendliche in den Klassen drei bis neun.
Information zum Thema
Sabrina Erbut
Bild: Krankenhaus St. Joseph-Stift
Sabrina Erbut ist seit 2015 Notfallsanitäterin und arbeitet am St. Joseph Stift im Notfallmanagement und koordiniert und gibt dort Schulungen. Davor hat sie elf Jahre im Bremer Rettungsdienst gearbeitet.
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Frau Erbut, können Kinder in Notsituationen wie einem Herzstillstand überhaupt helfen?
Ja, da bin ich mir ganz sicher. Diese Woche haben wir zum Beispiel einen dritten Jahrgang geschult und ich war total positiv überrascht, wie viel die Kinder schon wissen und verstehen. Zum Beispiel, dass das Blut Sauerstoff transportiert und auch, wieso das so wichtig ist.
Dazu kommt: Die Kleinen haben diese Scham noch nicht, wie Jugendliche vielleicht später. Und wenn man denen wirklich von Anfang an sagt, was in einer Notfallsituation zu tun ist, trauen die sich viel eher auch, Erwachsene anzusprechen oder Hilfe zu holen. Dann läuft das.
Was kann man von Kindern erwarten, wenn es um Reanimation geht?
Auf jeden Fall, dass sie verstehen, worum es geht – und dass ihre Aufmerksamkeit einen großen Unterschied machen kann. Die Kinder sind ja auf den Straßen unterwegs, um vielleicht zum Spielplatz zu fahren oder zur Bushaltestelle zu gehen. Wenn die dann jemanden sehen, der da liegt und nichts mehr sagt, dann haben wir denen auch gesagt: Selbst, wenn ihr euch nicht selber traut, hinzugehen, dann sprecht doch einfach andere Leute an. Wenn man um Hilfe bittet, dann sagen die Meisten nicht Nein.
Inzwischen haben auch viele Kinder schon früh ein Handy oder eine Smartwatch, mit der sie im Notfall ihre Eltern erreichen können. Das kann im besten Fall dazu führen, dass die Eltern dann den Notruf absetzen.
Wir haben festgestellt: Die Erwachsenen haben oft eher Angst, was falsch zu machen, weil die vor zig Jahren mal einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht haben und gar nicht mehr wissen, wie das nochmal ging. Und dann gucken sie aus dem Grund eher weg.
Sabrina Erbut, Notfallsanitäterin
Und wir sagen jedes Mal zu den Kindern: Das Einzige, was man falsch machen kann, ist, wegzugucken und nichts zu tun. Von daher finden wir das total wichtig und sinnvoll, das eben auch schon in den Grundschulklassen beizubringen.
Wie bringen Sie Kindern das Thema näher?
Zum einen erklären wir die Notrufnummer auf einfache Weise: Wir haben eine Nase, einen Mund und zwei Augen – also 112. Das kann man sich gut merken. Dann bekommen die Kinder von uns ein Kärtchen, auf dem die Wörter „prüfen, rufen, drücken“ abgebildet sind. Daran kann man sich orientieren. Dass man einmal prüft: Schläft derjenige nur oder ist er bewusstlos? Hat er Atmung oder hat er keine Atmung? Und mit dieser Information wird dann die 112 angerufen.
Wir spielen auch immer einen Notruf ab, der sich anhört, wie im Echtfall, um den Kindern ganz genau zu erklären, was man machen muss. Und da zeigt sich auch: Selbst die Wiederbelebung wird einem angeleitet, wenn man den Notruf wählt. Und derjenige bleibt wirklich so lange am Telefon, bis der Rettungsdienst da ist, und sagt einem alles, was man tun muss. Das nimmt den Kindern ganz viel Angst. Weil man sich in solchen Notfallsituationen natürlich schnell überfordert fühlt und mit den Nerven am Ende ist.
Und wir versuchen, den Kindern zu vermitteln, dass sie das Erlernte gerne direkt auch den Eltern, Geschwistern und Oma und Opa weitererzählen können. Damit die auch davon profitieren, weil die Eltern freiwillig keinen Erste-Hilfe-Kurs machen und der letzte oft schon viele Jahre her ist, was zu Unsicherheit führt. Von daher versuchen wir es bei den Kindern, dass die das weitertragen.
Wieso ist das wichtig?
Die Bereitschaft, jemanden im Notfall zu reanimieren, ist hier in Deutschland viel geringer, als in anderen Ländern. Viele gucken halt weg. Wir sind europaweit fast Schlusslicht. Das wollen wir ändern.
Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 24. September 2025, 19.30 Uhr

