Die Deutsche Telekom auf der einen sowie die Stadtwerke München und ihre Telekommunikationstochter M-net auf der anderen Seite haben das Kriegsbeil begraben. Die drei Firmen setzen nun auf eine langfristige Kooperation, um den Glasfaserausbau in der bayerischen Landeshauptstadt flächendeckend voranzutreiben. Ziel der Zusammenarbeit ist es, München zur ersten deutschen Großstadt mit einem umfassenden Glasfaserausbau-Plan für das gesamte Stadtgebiet zu machen.

Dass doch noch eine Einigung in dem jahrelangen Streit erfolgte, überrascht. Schon seit Längerem gab es an der Isar die Idee, dass M-net und die Telekom sich gegenseitig den Zugang zu ihren Netzen ermöglichen, um Endkunden zu versorgen und Ausbaukosten zu sparen. Doch die Telekom brach die Gespräche zwischendurch ab und drohte mit einem Doppelausbau in der Metropole. Beide Akteure wären sich dabei gehörig ins Gehege gekommen.

Die späte Friedenserklärung sieht vor, Glasfaserkabel als Fiber-to-the-Home (FTTH) direkt bis in jede Wohnung und Geschäftseinheit zu verlegen. Die Partner wollen die Stadt in den kommenden Jahren vollständig mit dieser zukunftssicheren Technologie ausstatten. Alle Bürger sowie Unternehmen sollen die Option erhalten, einen Glasfasertarif zu buchen. Damit werde eine nachhaltige Infrastruktur geschaffen, betonen beide Seiten, die den stetig wachsenden Anforderungen der Digitalisierung gerecht werde.

Die Stadtwerke haben bereits seit 2009 rund 650.000 Einheiten in der Innenstadt und angrenzenden Vierteln mit Glasfaser erschlossen. Dabei endeten die Leitungen bisher aber meist im Keller der Gebäude (Fiber-to-the-Building – FTTB). Mit der neuen Übereinkunft sollen die Anschlüsse nun konsequent vom Keller bis in jede einzelne Einheit weitergeführt werden. Florian Bieberbach, Vorsitzender der SWM-Geschäftsführung, bezeichnet den Ausbau als „digitale Daseinsvorsorge“, die München fit für die Zukunft mache und Maßstäbe für die kommenden Jahrzehnte setze. Stabiles, schnelles Internet sei die Basis für modernes Leben, Wohnen und Arbeiten.

Weniger Baustellen, mehr Auswahl

Die Kooperation umfasst perspektivisch rund 550.000 Anschlüsse, also einen Großteil der von den SWM erschlossenen Wohnungen und Büros. Jede Einheit erhält eine Glasfaser-Anschlussdose mit zwei Eingängen, je einen für M-net und die Telekom. Dies sichert den Kunden die freie Wahl zwischen den beiden Anbietern sowie anderen, die deren Netze nutzen.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sieht einen weiteren großen Vorteil in der Reduzierung von Baustellen: Statt dass Straßen mehrmals für die Verlegung unterschiedlicher Kabel aufgerissen werden müssten, könne dies durch die Zusammenarbeit deutlich vermindert werden. Wirtschaftsreferent Christian Scharpf betont, dass dieser Abschluss das Fundament für einen effizienten und kostensparenden Ausbau bilde und München technologisch an der Spitze halte.

Die Kooperation basiert darauf, dass die SWM der Telekom über M-net Teile ihres passiven FTTH-Glasfasernetzes verpachten. Im Gegenzug erhält M-net über einen aktiven Bitstream-Zugang einen offenen Zugang zu den Glasfaserbeständen der Telekom in München. Dieses Modell ermöglicht die komplette Erschließung der Stadt, wobei die Anschlüsse beider Netzbetreiber per Open Access auch für andere Telekommunikationsdienste-Anbieter zugänglich sind.

„Fatales Signal“

Der Verband der Anbieter im Digital- und Telekommunikationsmarkt (VATM) warnt, dass der Münchner Fall „den Erfolg des von Wettbewerberseite getriebenen Glasfaserausbaus massiv gefährdet“. Die Telekom sende im Süden ein „fatales Signal: Gewährt uns Zugang zur passiven Infrastruktur oder ihr werdet überbaut.“ Erst durch den Start entsprechender Aktivitäten und durch die konsequente Weigerung der Telekom, das gut ausgebaute Glasfasernetz der Stadtwerke-Tochter auf Bitstrom-Basis anzumieten, sei eine Vereinbarung zustande gekommen. Das zeige, wie hilflos selbst der größte kommunale Versorger Europas der Marktmacht der Telekom gegenüberstehe.

Eine vom VATM beauftragte Studie zeigt laut der Branchenvereinigung, dass der Platzhirsch statt auf offene Netzzugangs-Kooperationen auf exklusive Pachtmodelle setze. Dabei übernehme er ganze Glasfasernetze regionaler Infrastruktur-Errichter langfristig, öffne aber in seinem eigenen Netz keine passiven Zugänge für Wettbewerber. So kontrolliere die Telekom systematisch Bau, Betrieb und Vermarktung.

Weniger kritisch sieht der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) den Deal. „Die Menschen in München können aufatmen“, erklärte ein Sprecher gegenüber heise online. Der 2024 durch die Telekom öffentlichkeitswirksam angedrohte Doppelausbau sei wohl vom Tisch. Der Platzhirsch müsse sich aber endlich auch „für andere Formen der Kooperation öffnen – insbesondere für den Einkauf von Bitstrom-Vorleistungen auf den Glasfasernetzen der Wettbewerber“. Ferner wäre es folgerichtig, wenn sich die Telekom im Zuge einer solchen Vereinbarung dazu verpflichten würde, das Kupfernetz in Ausbauregionen abzuschalten.

(vbr)

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