Brüssel – Wer schützt eine linksextreme Politikerin vor Orbans Ermittlern?

Für die einen ist die italienische Grundschul-Lehrerin Ilaria Salis (41) eine „Terroristin“, die schnellstens wieder hinter Schloss und Riegel muss. Für die anderen braucht sie ihre Immunität als EU-Abgeordnete heute mehr denn je – als Schutz vor einer „ideologischen Justiz“ im rechts-regierten Ungarn von Viktor Orban (62).

Seit Monaten sorgt der Fall der italienischen Linksradikalen in Brüssel für Streit. 15 Monate hat Salis in ungarischer U-Haft verbracht, weil sie im Februar 2023 mit Gleichgesinnten Jagd auf Teilnehmer einer Rechtsextremisten-Demo in Budapest gemacht haben soll. Die brutalen Angriffe u. a. mit Eisenstangen führten laut Polizei zu Quetschungen und Knochenbrüchen. In diesem Zusammenhang wurden auch mehrere deutsche Autonome, bekannt als Hammerbande, identifiziert und angeklagt.

In Handschellen und Fußfesseln vorgeführt

Salis bestreitet alles und erhebt ihrerseits schwere Vorwürfe gegen die ungarische Justiz. Die Vertreterin der Partei „Alleanza Verdi e Sinistra“ („Allianz der Grünen und Linken“) will sich zwar vor Gericht verantworten, aber nur in ihrer Heimat. In Ungarn fordert die Staatsanwaltschaft gegen sie 11 Jahre Haft.

Budapest, März 2024: Ilaria Salis, hier mit ihrem Anwalt, wird in Handschellen und an einer Kette vor Gericht vorgeführt

Budapest, März 2024: Ilaria Salis, hier mit ihrem Anwalt, wird in Handschellen und an einer Kette vor Gericht vorgeführt

Foto: REUTERS

Mehrheit dank Mitte-rechts-Stimmen

Ihr Fall stellt das EU-Parlament vor eine Zerreißprobe – mit ungewissem Ausgang bei der für den 7. Oktober geplanten Abstimmung in Straßburg. Seit Dienstag sind jedoch die Chancen der Italienerin gestiegen, dass sie ihre Immunität vorläufig behält.

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Der Ausschuss bestätigte mit hauchdünner Mehrheit (13 zu 12 Stimmen) ihre Immunität – und bislang ist es üblich, dass das Plenum dessen Empfehlungen folgt. Diesmal, so heißtv es unter Abgeordneten, sei der Ausgang aber offen

Auch wenn das Votum geheim war: Möglich wurde das Ergebnis nur mit mindestens einer Stimme aus dem Lager der Europäischen Volkspartei (EVP), also der Konservativen, die Orban rausgeworfen haben. Das Abstimmungsergebnis habe nichts mit Nachsicht gegenüber linksextremer Gewalt zu tun, sagt Ausschussmitglied Axel Voss (62, CDU) zu BILD: „Es geht darum, dass man in Ungarn nicht mehr auf rechtsstaatliche Verfahren vertrauen kann.“

„Gefährliche Kriminelle, die ins Gefängnis gehört“

Für die Rechtsaußen-Fraktionen grenzt das Ausschuss-Votum hingegen an Hochverrat: Mary Khan (31, AfD): „Das ist ein schwarzer Tag für die parlamentarische Glaubwürdigkeit. Die linke Hälfte dieses Parlaments ist bereit, linksextreme Gewalt zu verteidigen.“ Petr Bystron (52, AfD) sagte, Salis könne „dank den Stimmen der CDU ihre Immunität behalten“. Der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs zürnte: „Ilaria Salis ist eine gefährliche Kriminelle, die ins Gefängnis gehört.“

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Unterstützung bekam Salis aus dem eigenen Lager. Linke-Fraktionsvize Martin Schirdewan (50) sagte, die Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssten „in allen EU-Mitgliedstaaten gelten. Das muss auch Orban verstehen.“ Auch Grünen-Abgeordnete stellten sich öffentlich hinter die Italienerin.

Für Orban gab es noch eine zweite kalte Dusche: Sein Antrag, auch die Immunität von Oppositionsführer Péter Magyar (44) aufzuheben, fiel krachend durch. Zu offensichtlich war sein Plan, seinen Haupt-Rivalen im Umfeld der fürs Frühjahr 2026 geplanten Wahlen vor Gericht zu zerren.