Für ihre Fans in der einstigen DDR schienen sie viele Jahre unerreichbar zu sein: Künstler aus dem Westen, Musiker wie Peter Maffay, Udo Lindenberg, aber auch Weltstars wie Bruce Springsteen oder Joe Cocker. Um den Missmut der Jugend zu besänftigen, eröffneten sich ab Mitte der 80er Jahre Auftrittsmöglichkeiten für die Idole von „drüben.“ Doch bei aller Euphorie blieb die Polit-Elite den Exoten gegenüber skeptisch. In einem multimedialen Vortrag am 27. September berichtet der Musikjournalist Thomas Purschke von der groß angelegten Überwachung der Künstler und ihrer Fans.

Akten, dick wie Fäuste

Nach Suhl war Maffay im März 1987 mit einer 56-köpfigen Crew gekommen. Dazu zwei Reisebusse, ein PKW und vier Trucks mit Bühnentechnik und Instrumenten. Hunderte Vertreter der Staatsmacht waren im Einsatz, dokumentierten jeden Schritt und beäugten das Geschehen argwöhnisch. Aus Sicht der Staatsführung mit gutem Grund:

„Die widersprüchlichen Denk- und Verhaltensweisen des Maffay sind außerdem dadurch charakterisiert, dass er einerseits die permanente Aufrüstung und Hochrüstungspolitik, besonders der USA-Administration, ablehnt, andererseits finanzielle Unterstützung für die medizinische Betreuung afghanischer Konterrevolutionäre in der BRD übernommen hat.“

So informierte die Stasi-Hauptabteilung XX/7 (zuständig für die Sicherung des Kulturministeriums, des staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen, sowie operative Bearbeitung von Einrichtungen der Kultur, Kunst und Literatur) am 10. März 1987 die misstrauischen Genossen. Da hatte der Künstler bereits fünf Shows in Rostock, Suhl und Ost-Berlin gespielt.

Hunderte Seiten. Berichte, Einschätzungen, Anweisungen: Nichts blieb dem Geheimdienst verborgen. Foto: Benjamin WeinkaufHunderte Seiten von Berichten, Einschätzungen, Anweisungen: Nichts blieb dem Geheimdienst verborgen. Foto: Benjamin Weinkauf
Erst Konzert, dann Knast

In seinem multimedialen Vortrag erzählt der Musikjournalist Thomas Purschke über skurrile Begebenheiten der Überwachung von Westkünstlern. So beschäftigte sich die Staatssicherheit ausführlich mit der Frage, ob es Mick Jagger war, der während einer Transitfahrt durch die DDR eine Zigarette aus dem Tourbus warf. Oder „nur“ der Fahrer. Aber auch sehr schmerzliche Schicksale als Folge der Liebe zur Westmusik werden beschrieben.

So musste ein 16-jähriger Stones-Fan aus der DDR nach einer Rangelei mit der „Volkspolizei“ zwei Jahre ins Gefängnis. Eine junge Frau, die Maffay bei einem der Konzerte in Suhl im März 1987 einen Brief übergab, verschwand kurze Zeit später im Stasiknast.

Thomas Purschke wurde 1968 in Schmalkalden geboren und wuchs in der DDR auf. Seit 1992 arbeitet er als freier Journalist, u. a. für DIE ZEIT, taz, ROLLING STONE, Deutschlandfunk sowie für Produktionen von ARD/WDR. Er veröffentlichte 2004 die Studie „Staatsplan Sieg. Die Instrumentalisierung des DDR-Wintersports am Beispiel Oberhof“. Der Auftritt Maffays in Suhl war sein erstes Konzert mit einem Künstler aus dem Westen.

Den Vortrag „STONES, MAFFAY, SPRINGSTEEN UND IHRE FANS – Die Stasi kontra Westmusik“ hält er am 27. September 2025 um 14:00 Uhr im Leipziger Stasi-Unterlagen-Archiv in der „Runden Ecke“ (Dittrichring 24).

Der Eintritt ist kostenlos. Es wird darauf hingewiesen, dass das Gebäude nicht durchgehend barrierefrei ist. 

Keith Richards bei einem Konzert in Leipzig. Drei Mal spielten die Stones seit dem Mauerfall in Leipzig. Foto: Benjamin Weinkauf