Die anna-Netzwerk-Gruppe „Lesespaß“. Hier steht eindeutig das Vergnügen im Vordergrund. Fotos: Jens Uwe Mollenhauer
Freizeitgruppe „Lesespaß“ trifft sich einmal im Monat in der anna Hassee
Vor gut einem Jahr fiel in Hassee der Startschuss für das anna-Netzwerk, einem von der Stadt Kiel initiierten Projekt, um engagierte Menschen im Übergang vom Berufsleben zum Ruhestand für gemeinsame Freizeitgestaltung zusammenzubringen.

Der Begriff „anna“ steht für Anlaufstelle Nachbarschaft. KIEL LOKAL ist von Anfang an dabei und berichtet in lockerer Folge über einige der Vorhaben, die realisiert werden konnten. Diesmal war unser Reporter zu Gast bei der Gruppe „Lesespaß“.

Zugegeben, nicht alles, was in der anfänglichen Euphorie an nachbarschaftlichen Aktivitäten angedacht war, hat sich über das erste Jahr retten können. Aber so einiges an Ideen konnte eben doch nachhaltig mit Leben gefüllt werden. Einige Damen hatten die Idee zu einem Literaturkreis. Aber halt, hört sich viel zu abgehoben an? Denn die Vorstellung ging eher in Richtung einer gemütlichen Plauschrunde und nicht etwa eines Aufeinandertreffens literarisch-kritischer Schwergewichte.

Bis die Gruppe Fahrt aufgenommen hatte, vergingen ein paar Monate Findungsphase. Endlich ging es zum Jahresbeginn 2025 los. Mit „Lesespaß“ war ein Name gefunden, der den Kern des Unterfangens präzise traf. Und nun treffen sich Conny, Christane, Liane, Jana, Claudia und Barbara einmal im Monat zu einer gemütlichen Runde bei Kaffee und Knabbereien, um sich gegenseitig das Lesen zu verschönern.

Wie können wir uns eine solche Runde vorstellen? Grauenvolle Erinnerungen an den selbst genossenen Deutschunterricht mit Buchbesprechung und Erörterung beschleichen jetzt vielleicht den einen oder die andere. Machen die so etwas freiwillig? Ganz und gar nicht! Hier geht es ausschließlich um den zwanglosen gemeinsamen Spaß am Lesen. Grundsätzlich erfreut sich das Lesen als Inbegriff entspannten Fast-Nichtstuns auch in Zeiten von Netflix und Satelliten-TV gleichbleibender Beliebtheit. Doch bei rund 2,5 Millionen lieferbaren Büchern kann die Auswahl schon mal herausfordernd sein. Gemeinsam sammeln die Teilnehmerinnen Vorschläge, welche Bücher sie lesen möchten, um sich anschließend darüber auszutauschen. Dabei geht es um eigene Erwartungen und Erfahrungen mit dem Text – aber nicht darum, ein Buch in Grund und Boden zu kritisieren.
Alle entscheiden sich gemeinsam für das gleiche Buch. Es muss keine Neuerscheinung sein, sondern sollte als Taschenbuch und ebook erhältlich sein, gerne auch antiquarisch.

Dank Tablet und ebook kommen auch Menschen mit starker Sehbehinderung zu ihrem Lesespaß. Das nächste Treffen ist am 13. Oktober von 16–18 Uhr.

Jeden Monat wird auf die Weise ein Buchtitel in angenehmer Atmosphäre „vorgenommen“. Es geht durch alle Genres, vom Krimi bis zum Familienroman. Auch mal ein Buch, das nicht zu den eigenen Vorlieben zu gehören scheint. „Ich hätte das im Leben nicht gelesen“, meint Christiane über „Marzan mon amour – Geschichten einer Fußpflegerin“ von Katja Oskamp. Nun hat sie es doch und bereut es nicht. Conny findet: „Einen schönen Liebesroman müssen wir auch noch lesen“. Jana ergänzt: „Ich hätte gerne mal was tolles Satirisches mit Tiefsinn.“ Das sind schon Ideen für mehrere Monate.

Für diesen Nachmittag fällt die Entscheidung auf „Talk Talk“ von T.C. Boyle. Auf die Warteliste hat es „Windstärke 17“ von Caroline Wahl geschafft. Langeweile wird nicht aufkommen.
Die Damenrunde sieht es nicht verkniffen, wenn jemand das gemeinsam auserwählte Buch dann doch nicht liest. Christiane merkt dazu an: „Es kommt vor, dass ein Buch überhaupt nicht flutscht. Dann legst du es eben weg. Keiner muss sich erklären.“ Auch möchte die Gruppe gar nicht unbedingt unter sich bleiben, sondern ist offen für neue Leute. Gerne können auch ein paar Herren dazu stoßen. Liane meint: „Das wird euch gefallen. Hier ist immer gute Stimmung, es wird viel gelacht.“

Es soll auch nicht bei der gemütlichen Schnackrunde bleiben. „Wir möchten auch mal zusammen ins Literaturhaus, ins Kino und zu Lesungen“, findet Liane. Claudia schwärmt von der Stadtbücherei, die sie dank der Lesespaß-Gruppe neuerdings wieder für sich entdeckt hat: „Da könnte ich Tage und Nächte verbringen.“
Und wer weiß, was noch aus der Gruppe hervorgehen wird? Conny erwähnt ganz nebenbei, dass sie bereits rund 40 Kurzgeschichten geschrieben hat, die noch niemand gelesen hat – noch.

Die Lesespaß-Gruppe ist ziemlich dankbar, dass sie sich jeden Monat in der anna treffen kann, denn Räumlichkeiten sind rar im Stadtteil. Hier befindet sich ein Tauschregal. „Ein paar von den gelesenen Büchern kommen da hin“, ist die Damengruppe sich einig. „Denn wir sind nachhaltig und inklusiv“, ergänzt Conny. Damit spielt sie auf ihre Sehbehinderung an. Dank Tablet kann sie die Texte trotzdem in stark vergrößerter Schrift lesen. Technik macht es möglich.

Die Gruppe „Lesespaß“ trifft sich am zweiten Montag jedes Monats um 16–18 Uhr in der anna, Hamburger Chaussee 75, nächstes Mal also am 13. Oktober. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. JM