A priori eine abenteuerliche Idee: Stefan Kastner, der philosophischste unter den Münchner Theatermachern, der Erfinder fabelhaft versponnener Kopf- und Geistesabenteuer, macht „Schtonk!“. Der Film kam 1993 heraus und war sicherlich nicht Helmut Dietls subtilstes Werk. Es geht um die Hitler-Tagebücher, die der Stern zehn Jahre zuvor der erstaunten Weltöffentlichkeit präsentiert hatte und die wenige Tage später als kompletter Humbug entlarvt wurden.
Der Stern war damals bis auf den Urgrund seiner Existenz blamiert, Dietl machte zehn Jahre später daraus eine krachende Satire. Alte Nazis kriegen zitternde Hände, wenn sie die Tagebücher in die Hand nehmen, die Chefredaktion glaubt, die Weltgeschichte müsse umgeschrieben werden, die Tagebücher müssen echt sein, weil sie echt sein sollen. Ein durchgeknallter Götz George raste als geld- und publicitygeiler Sensationsreporter durch den Film, Uwe Ochsenknecht verlor als Fälscher fast den Verstand und Görings Nichte bekam schwer zu bändigende Gelüste.
Und bei Kastner? Er muss, so sind die Rechte, den Film sorgsam nachstellen, und macht dies mit musikalisch durchrhythmisierter Rasanz, öffnet aber immer wieder kleine Fenster für Kastner’sche Eigenheiten, für Puccinis „Vissi d’arte“ oder Wirtshaus. Die Bühne im Zentraltheater ist ausgestattet wie noch nie, da ein Dietl-Foto, dort der Satz „zwischendurch fühle ich mich wie ein Hochstapler“.
Mara Widmann und Franz-Xaver Zeller, hier als zwei Nazi-Experten: Er erschaft Devotionalien, sie liebt sie. (Foto: Lea Mahler)
Die größte Freude aber sind Gerd Lohmeyer, er unterläuft als Reporter mit Grandezza allen dampfenden Wahn, Franz-Xaver Zeller, der als Fälscher ins brodelnde Fieber versinkt, Chiara Piu, die als alte Nazisse ebenso brilliert wie als junge Muse, und Mara Widmann. Alle spielen viele Rollen neben den eigentlichen, bei Widmann weiß man gar nicht mehr, welche die Hauptpartie ist. Alles ist im Moment punktgenau ausformuliert, man muss vor allem deshalb lachen, weil die vier so gut sind, nicht unbedingt wegen der Vorlage, die angesichts der Gegenwart doch etwas staubig wirkt. Kastner aber bläst den Staub weg.