Mit einem lauten Knall zerbricht ein Boot auf dem Chemnitzer Theaterplatz. 2020 hatten Rolf Lieberknecht und Christian von Borczyskowski diese Aktion als Sinnbild für Migrationsströme realisiert, die sich über das Mittelmeer ins vermeintlich sichere Europa aufmachen. Jetzt zeigt die multimediale Installation der beiden Künstler das aus 50 Metern herabstürzende Boot und lässt die Aufzeichnung des Vorgangs dann rückwärts laufen.
Diese besondere Arbeit ist nur eine von vielen Werken, die ab Sonntag, 28. September, im Reizholzer Hafen zu sehen ist. Die Ausstellung „Stadt am Fluss – Stadt im Fluss“ in der Halle Werft 77 bildet den krönenden Abschluss eines besonderen Künstleraustauschs zwischen Düsseldorf und der Partnerstadt Chemnitz. Die Vereine Düsseldorfer Künstler 1844 und Tankstelle Projektraum Chemnitz hatten sich als Leitmotiv den Fluss vorgenommen. Denn sowohl die Kulturhauptstadt Europas 2025 als auch die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt liegen an einem Fluss. Während man im Osten das zugegeben im Vergleich eher kleine Gewässer Chemnitz (dem namensgebenden Fluss der Stadt) ins Zentrum der Arbeiten stellt, hat man sich im Westen dem Thema metaphorisch genähert. Alles im Fluss, bedeutet auch Bewegung, Reisen, Veränderungen. Das spiegelt sich in den Arbeiten der zwölf Kunstschaffenden wider, die in ihren Ausprägungen ein breites kreatives Spektrum einnehmen. Von Malerei, über Bildhauerei bis hin zu Fotografie und Videoinstallationen reichen die Positionen
So ließen sich sowohl Gisela Happe als auch Till Hausmann von Wellenbewegungen inspirieren. Die Düsseldorferin hatte für den ersten Teil des Projekts, der in Chemnitz zu sehen war, den Rhein nahe der Fleher Brücke fotografiert und das Bild vertikal projiziert. „Der Ausstellungsraum für den Prolog des Projekts war klein, weil er sich in einer ehemaligen Tankstelle befand“, erinnert sich die Künstlerin. Die Installation verfehlte ihre Wirkung nicht, wäre aber für die Hallen der großen Schauen in Chemnitz wie in Düsseldorf ungeeignet gewesen. Deshalb hat Happe die beiden Räume für ihre Installation „Welle 2.0“ mitgedacht. Sie zieht sich in Holthausen entlang einer Wand, deren Tor den Blick auf den Rhein freigibt.
Auch Till Hausmann greift das Wellenmotiv für seine Installation „Tabledance“ auf. „Mein Material ist Holz“ erzählt der Düsseldorfer beim Rundgang durch die Ausstellung. Aus Tischen formte er sein Werk so, dass es die Dynamik des Flusses aufzeigt und gleichzeitig wirkt, als würden die Tische tanzen“.
Diese Dynamik hat auch Uwe Priefert interessiert. „Man schaut nie zweimal auf den gleichen Fluss“, sagt er. Um das zu dokumentieren, fotografierte er Wasser. Die daraus entstandenen 20 Fotografien sind so lebendig wie das Element, das sie abbilden. Ein kleines spannendes Detail am Rande: „Bei der Hängung in Chemnitz und dann auf dem Weg hierher, wurden die Bilder feucht und das Papier wellte sich“, erzählt Priefert. Das verleiht seiner Bilderserie nun noch einen weiteren Effekt, passend zum Thema.
Auch die Malerin Elke Hopfe hatte so ihre Erfahrungen mit dem nassen Element machen müssen. Bei einem Oderhochwasser wurden ihre Arbeiten beschädigt, doch nicht so sehr, dass die Chemnitzer Künstlerin darin nicht ein Zeichen sah und entschied: die passen genau zum Künstleraustauschprojekt. So sind nun auch ihre Bilder mit dem heimlichen Mitarbeiter Wasser Teil der Schau in Düsseldorf.
Dirk Krülls Ansatz ist nachhaltig. Denn der Düsseldorfer verwendete für seine Installation „The Worm“ Monoblock-Stapelstühle. „Die standen früher gefühlt in jedem Garten und überall dort, wo man preiswert sitzen wollte. Heute sind sie schon fast schwer zu finden“, sagt er. Für seinen Wurm hat er die Plastikstühle mit Geschichte einer neuen Bestimmung übergeben.
Vergänglichkeit und Veränderung zeigen sich in einer Videoinstallation für die Till Hausmann eine Karl-Marx-Büste zu einem schmelzenden Eisblock macht. „In rund fünf Minuten zerfließt nicht nur das Eis, am Ende kippt der Kopf einfach zu Seite“, erklärt Hausmann und verrät, dass Letzteres gar nicht geplant war, aber „gar nicht besser hätte kommen können, um Wandlung von Vergänglichkeit zu zeigen“.