Ist in Stuttgart etwa eine Katastrophe passiert? Per Lautsprecher wird ein Großeinsatz verkündet. Zeitgleich gehen bei etwa 50 Einsatzfahrzeugen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) die Blaulichter an. Doch statt im Eiltempo loszufahren, steigen die Rettungskräfte aus und stellen sich im Ehrenhof des Neuen Schlosses in der Stuttgarter Innenstadt hinter einer symbolischen Schranke auf. Dort hängt ein Schild. „Halt! Erst Freistellung beantragen, dann helfen“, ist da zu lesen.
Es sind ehrenamtliche Retter im Bevölkerungsschutz, die am Donnerstagmittag aus ganz Baden-Württemberg nach Stuttgart gekommen sind. Von Lörrach über den Bodensee bis nach Heidelberg reicht das Einzugsgebiet. Die beiden DRK-Landesverbände haben rund 100 Retterinnen und Retter versammelt, die ausrücken, wenn es in Sachen Katastrophenschutz einen Notfall gibt – Hochwasser, Brände, Unfälle. Sie alle eint nicht nur die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, sondern auch ein großes Problem: Es gibt für sie keine verbindliche Freistellung von der Arbeit, wenn sie zum Einsatz müssen.
Das unterscheidet sie von den ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk (THW). Die werden gesetzlich geregelt freigestellt, die Lohnfortzahlung ist gesichert, es gibt Regelungen auch für Aus- und Fortbildung. Zwar retten sie gemeinsam mit den Angehörigen des „weißen Katastrophenschutzes“, haben aber deutlich bessere Voraussetzungen dafür.
„Bei uns muss das jeder für jeden Einsatz selbst klären. Manche Arbeitgeber lassen unsere Leute gerne gehen, weil sie die Sache unterstützen. Andere DRK-Angehörige müssen immer kämpfen“, berichtet Leonard von Hammerstein, Geschäftsführer des Badischen Roten Kreuzes, auf dem Schlossplatz. Das gilt auch für die Ehrenamtlichen anderer Rettungsorganisationen. Eine weitere Befürchtung: Die Hürde könnte Menschen davon abhalten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Das DRK stellt im Südwesten 95 Prozent der behördlich geplanten Katastrophenschutzeinheiten. 6000 Helferinnen und Helfer sind das. 35 000 weitere stehen darüber hinaus für größere Lagen bereit.
Sie alle fordern nun eine Gleichstellung aller Helfer. Das Land hat im Juni einen Entwurf für ein neues Katastrophenschutzgesetz auf den Weg gebracht. Es enthält diverse Verbesserungen. Freistellung und sichere Erstattung der Kosten gibt es für Helfer von DRK und ähnlicher Organisationen aber nur, wenn eine „außergewöhnliche Einsatzlage“ ausgerufen wird. Für die gibt es bisher aber keine klaren Vorgaben, außerdem liegt der Großteil der Einsätze unter dieser Kategorie.
Eine symbolische Schranke erschwert den Einsatz. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko
Auf dem Schlossplatz erfahren die Retter im strömenden Regen, dass es einen Hoffnungsschimmer für sie gibt. Als sie ihre Forderungen an Ulli Hockenberger, den Vorsitzenden des Innenausschusses, übergeben, signalisiert er ein mögliches Entgegenkommen des Landes. „Es gab viele Gespräche zur Helfergleichstellung“, sagt er. Im Innenministerium denke man offenbar über eine Nachbesserung nach. Dazu soll es noch eine Einladung an die Organisationen zum Austausch geben. „Ihre Sache ist angekommen“, sagt Hockenberger – und fügt hinzu: „Sie sind die Helden unseres Landes.“ Die in Zukunft nicht mehr im Regen stehen sollen, wenn sie als Retter ausrücken.