40 Jahre nach dem Hit „Rock Me Amadeus“ kommt die Show „Falco in Concert“ nach Stuttgart. Vorher äußern sich Weggefährten über das Leben und Sterben von Österreichs größtem Popstar.
Sieben Wochen vor seinem Tod spielte Falco am 18. Dezember 1997 auf der Weihnachtsfeier der Lauda-Air in den Wiener Sophiensälen sein damals noch unveröffentlichtes Lied „Out oft he Dark“. Seine Mimik explodierte grotesk Richtung Verächtlichkeit, als er die Zeile sang, die später Anlass für Spekulationen bieten sollte: „Muss ich denn sterben, um zu leben?“ Bei seinem vorletzten öffentlichen Auftritt trug Österreichs größter Popstar einen viel zu großen Anzug.
Der Anzug gehörte Thomas Rabitsch, Falcos Bandleader, der auch beim Überraschungsauftritt in den Sophiensälen Keyboard spielte. Falco hatte seine Garderobe zu Hause in Gars am Kamp im Waldviertel vergessen, also lieh Rabitsch ihm zwecks Vermeidung einer unnötigen Autofahrt seinen neuen Anzug, den ihm Falcos Mutter kurz nach dessen Beerdigung frisch gereinigt in die Hand drückte. „Als letzten Gruß, das war schon ein bisschen arg für mich“, sagt Thomas Rabitsch 27 Jahre später.
Eine Geburtstagsfeier für „Rock Me Amadeus“
Der Wiener Musiker spricht jetzt wieder viel über Falco, weil er demnächst mit Falcos alter Band und vielen neuen Sängern mit einer neuen Live-und-Konserve-Produktion namens „Falco in Concert“ auf Tournee geht. Falcos Stimme wird samt den Bewegtbildern vom legendären Konzert beim Donauinselfest 1993 duetthaft zur Live-Darbietung der Band gemischt: „Er platzt dann auf seine eigene Art immer rein“, sagt Thomas Rabitsch zu der Show, der das 40-Jahre-Jubiläum von Falcos Welterfolg „Rock Me Amadeus“ als Anlass dient: Im März 1986 erklomm die wegweisende Mozart-Hommage als erster deutschsprachiger Song Platz eins der amerikanischen Billboard-Charts.
Den Hit hat 1985 Ferdi Bolland mit seinem Bruder Rob unter dem Namen Bolland und Bolland produziert – so wie das dazugehörige Album „Falco 3“, das Falco endlich den Erfolg bescherte, den er immer für sich beansprucht hatte. Der Absturz kam später, und am 6. Februar 1998 starb er in der Dominikanischen Republik, nachdem unweit von Puerto Plata sein Geländewagen bei der Ausfahrt vom Parkplatz einer Bar frontal mit einem Bus kollidiert war. Offenbar hatte Falco, der sein Album „Out of the Dark“ bereits fertig aufgenommen aber noch nicht veröffentlicht hatte, weder versucht zu bremsen, noch auszuweichen. Stattdessen fand die Polizei viel Kokain, viel Alkohol und etwas Marihuana in seinem Blut.
„Er war in einer sehr dunklen Periode“, sagt Ferdi Bolland, der Produzent seines erfolgreichsten Albums. Der Veranstalter der „Falco in Concert“-Tournee, die am 3. November im Stuttgarter Apollo-Theater gastiert, hat diesen Sommer über Telefongespräche mit Falcos einstigen Weggefährten vermittelt, und Ferdi Bolland hat eine klare Meinung zu Falcos Tod: „Ich denke, es war Selbstmord. Ich denke, er hat mitten am Tag in extremer Hitze bei dieser Bar darauf gewartet, dass der Bus kommt. Weil er ein guter Mensch war, muss er vorher geprüft haben, ob er nur sich selbst verletzt.“
Thomas Rabitsch, einst Falcos Bandleader – und jetzt in gewisser Weise wieder –, widerspricht entschieden: „Es war kein Selbstmord, weil er ziemliche Angst vor dem Tod gehabt hat“, sagt er. Der „Verkehrsunfall“ sei „sicher nicht mit Absicht“ passiert, denn Falco sei kurz vor seinem Tod „voller Pläne“ gewesen. „Er war ziemlich drüber, es ist dumm gelaufen“, sagt Rabitsch, „er hat ned g’schaut, und dann kam der Bus.“
Ferdi Bolland, Thomas Rabitsch und Hannes Rossacher (von links) machen sich Gedanken über Falcos Tod. Foto: Bolland/Semmel/Imago/
Dass der zu schnell gefahren sei, vermutet Hannes Rossacher, der gemeinsam mit Rudi Dolezal einst unter der Marke DoRo bei „Rock me Amadeus“ und vielen anderen Musikvideos von Falco Regie geführt hat. Auch Rossacher, der mit Rabitsch befreundet ist, wurde vom Tourneeveranstalter der neuen Falco-Show gebeten, über den viel zu früh gestorbenen Popstar zu sprechen: „Er war ein sauschlechter Autofahrer“, so erinnert sich der Filmemacher, der aus einem verzweifelten Anruf Falcos um 2 Uhr nachts in den Achtzigerjahren zitiert: „Ich bin grad am Naschmarkt in ein Auto hineingefahren.“ Am Tag seines Todes habe der Popstar sein Fahrzeug wahrscheinlich „dusselig“ gelenkt, glaubt Rossacher: „Dass der Wunsch irgendeine Rolle gespielt haben könnte, sein eigenes Leben zu beenden, das war aus meiner Perspektive hundert Prozent nicht der Fall.“
So unterschiedliche Theorien Falcos einstige Weggefährten bezüglich seines Ablebens vertreten, so übereinstimmend beschreiben sie Hans Hölzel, den Mann hinter der überdrehten Kunstfigur: „In der Arbeit war er unglaublich angenehm und präzise“, sagt Hannes Rossacher, sein Regisseur. „Privat war er sehr still und introvertiert“, erinnert sich Ferdi Bolland, sein Produzent. „Ein penibel genauer, fokussiert arbeitender Mensch“ sei Österreichs erster international erfolgreicher Popstar gewesen, erzählt Thomas Rabitsch, sein Bandleader: „Lustig, easy, gemütlich“ im privaten Umgang, „man hat nur aufpassen müssen, dass er nicht zu viel Alkohol bekommt.“
Falco würde bald 70 Jahre alt
Doch offenbar wurde nicht genug aufgepasst: „Die Figur Falco ist eine Kunstfigur, die sehr wohlüberlegte Facetten hatte, die der Hans genau erfüllt hat“, weiß Hannes Rossacher. Und Ferdi Bolland präzisiert: „Er hat einen destruktiven Lifestyle mit Drogen und Alkohol geschaffen, der zu seinem Alter Ego gepasst hat.“
Der zur Maßlosigkeit tendierende Überschwang, der das Werk des ersten global erfolgreichen Rappers auf Deutsch so faszinierend machte, riss im Leben von Hans Hölzel, wie er eigentlich hieß, offenbar Leerstellen auf, die zu füllen ihm schwerfiel. Er würde bald 70 werden. Er könnte „Rock me Amadeus“, „Junge Römer“, „Out of the Dark“ und womöglich Dutzende neue Lieder in Fußballstadien singen oder alleine zur Gitarre in mittlerweile rauchfreien Cafés. Er könnte mit seiner Uferlosigkeit nach wie vor zur Relativierung von alltäglichen Problemen beitragen. Aber er ist seit 27 Jahren tot, und deshalb muss man sich, wenn man seine Musik live erleben möchte, neben diversen Musicals mit einer neuen Show begnügen. Falls sie Falcos Genie neuen Leuten näherbringt, ist sie sehr zu begrüßen. Falls sie Falco-Fans Gänsehaut beschert, ist sie hoch willkommen.