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Die „Stiftung Familienunternehmen“ hat ein mittelständisches Image. Doch offenbar vertritt sie eher die Interessen superreicher Familien und Konzerne. Nach Panorama-Recherchen zählen einige der größten Firmen des Landes zu den Finanziers.
Von Sebastian Friedrich, Kevin Gensheimer, Timo Robben und Carlotta Smok, NDR
Das ganze Familienunternehmertum im Blick haben – das ist das Selbstverständnis der „Stiftung Familienunternehmen“. Doch Recherchen des ARD-Magazins Panorama zeigen, dass hinter dem Begriff Familienunternehmen in erster Linie Großkonzerne und Superreiche stehen.
„Groß und klein“ – so beschreibt die „Stiftung Familienunternehmen“ die Vielfalt der Familienunternehmen, die sie vertreten will. Zwar räumt die „Stiftung Familienunternehmen“ ein, dass auch Milliardäre zu ihren Unterstützern gehören, doch tatsächlich spielen Großunternehmen und Konzerne eine größere Rolle als bisher bekannt. Denn bislang war weitgehend unbekannt, wer konkret die Stiftung unterstützt. Die Stiftung selbst gibt dazu kaum Auskunft. Was bei anderen Lobbyorganisationen selbstverständlich ist, bleibt hier unklar.
Schwarz-Gruppe, Bertelsmann und Würth unter den Förderern
Recherchen von Panorama zeigen nun erstmals, dass zu den Unterstützern weitere Konzerne und Milliardärsfamilien gehören. So haben Rossmann, einer der größten Drogeriemarkt-Ketten Europas, Deichmann, Europas größter Schuhhändler, sowie die Würth-Gruppe, weltweiter Marktführer für Montage- und Befestigungsmaterial, ihre Förderschaft gegenüber Panorama bestätigt. Auch Bertelsmann, Europas größter Medienkonzern, gibt auf Anfrage an, die Stiftung zu fördern. Man pflege einen anlassbezogenen Austausch, etwa zu Themen wie Bürokratieabbau, erklärte ein Sprecher gegenüber Panorama.
Der mit Abstand größte Konzern unter den nun erstmals bekannten Förderern ist die Schwarz-Gruppe, zu der unter anderem Lidl und Kaufland gehören. Sie zählt zu den größten Einzelhändlern der Welt und erwirtschaftete im vergangenen Jahr, mit rund 175 Milliarden Euro, den höchsten Umsatz im europäischen Einzelhandel. Eine Sprecherin der Schwarz-Gruppe bestätigte, dass die Unternehmen der Schwarz Gruppe die „Stiftung Familienunternehmen“ fördern.
David Deißner, Geschäftsführer der Stiftung, möchte sich zu einzelnen Namen nicht äußern, betont aber mit Verweis auf das Stiftungskuratorium: „Es ist nicht so, dass wir nur die Interessen der großen Familienunternehmen vertreten würden und kleinere und mittlere Unternehmen irgendwie in Sippenhaft nehmen.“
Großkonzerne keine Einzelfälle
Doch solche Großkonzerne sind im Netzwerk der „Stiftung Familienunternehmen“ keine Einzelfälle. Das zeigt eine Datenanalyse von Panorama. Nach eigener Angabe zählt die Stiftung insgesamt 600 Förderer. Auf Grundlage interner Dokumente und Anfragen an Hunderte Unternehmen konnte Panorama rund 123 Firmen identifizieren, die ihre Förderschaft bestätigt haben oder bei denen es gravierende Hinweise auf eine Unterstützung gibt und die dies nicht dementiert haben.
Lediglich zwei Firmen auf dieser Liste sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), also Firmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro. Das entspricht einem Anteil von 1,6 Prozent, der in die Kategorie kleine oder mittlere Betriebe fällt. Demnach sind 98,4 Prozent der recherchierten Förderer Großunternehmen, also Firmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro.
„Mitglieder“ im formalen Sinn hat die Stiftung nicht. Die Namen der Förderer gibt sie nicht bekannt. Zur Begründung sagt ihr Geschäftsführer Deißner gegenüber: „Es ist so, dass wir nicht die gesamte Förderer-Community öffentlich machen können. Das dürfen wir nicht, das sind auch datenschutzrechtliche Fragen.“
Greenpeace: Stiftung repräsentiert Superreiche aus klimaschädlichen Branchen
Panorama nutzte unter anderem Dokumente, die Greenpeace zugespielt wurden. Die Redaktion überprüfte diese unabhängig und zog weitere Quellen hinzu. Die Umweltorganisation fand in einer eigenen Recherche zum größeren Netzwerk der „Stiftung Familienunternehmen“ und der damit verbundenen „Stiftung Familienunternehmen und Politik“ sogar 258 Unternehmen – und analysierte deren Klimaschädlichkeit.
2021 entstand zusätzlich die „Stiftung Familienunternehmen und Politik“, die im Lobbyregister geführt wird und nicht gemeinnützig ist – anders als die ursprüngliche Stiftung.
Wiebke Denkena von Greenpeace erklärt, man habe sich mit der „Stiftung Familienunternehmen“ befasst, weil Konzerne bestimmter Branchen in besonderer Weise klimaschädlich seien und Hochvermögende oft einen klimabelastenden Lebensstil pflegten. Die Recherche zeige auch, dass der Schwerpunkt der Unternehmen des Netzwerks der „Stiftung Familienunternehmen“ auf besonders klimaschädlichen Branchen liege.
Während Greenpeace also das weitere Netzwerk der Stiftung untersuchte, etwa Personen, Familien und Unternehmen, die im direkten und indirekten Kontakt mit der Stiftung stehen, nahm Panorama nur deren Kern, also die Förderstruktur, in den Blick.
Betreibt die „Stiftung Familienunternehmen“ einen Etikettenschwindel?
Der „Stiftung Familienunternehmen“ wird seit Jahren vorgeworfen, in erster Linie die Interessen von Superreichen und Konzernen zu vertreten – und dabei vom mittelständischen Image von Familienunternehmen zu profitieren. NGOs wie Finanzwende, Lobbycontrol und das Netzwerk Steuergerechtigkeit äußerten diesen Vorwurf bereits früher, ohne jedoch die hier recherchierten Namen zu kennen.
Deißner weist das zurück. Man habe immer deutlich gemacht, dass die Förderer eher größere Unternehmen seien. Tatsächlich heißt es auf der Homepage der Stiftung, sie werde „getragen von rund 600 Firmen aus dem Kreis größerer Familienunternehmen“. Gleichzeitig betont sie aber regelmäßig die Vielfalt der Familienunternehmen. 90 Prozent aller privatwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland seien Familienunternehmen – große wie kleine. In ihrer Selbstdarstellung schreibt die Stiftung auf ihrer Homepage: „Viele große und mittlere Familienunternehmen fördern die Stiftung.“
Lobby-Experte kritisiert mangelnde Transparenz
Wer die 600 Förderer genau sind, bleibt weiterhin unklar. Auf Anfrage verweist die Stiftung auf die Mitglieder ihres Kuratoriums. Unter den dort aufgeführten gut 50 Namen finden sich Vertreter etwa der Oetker-Gruppe, der Drogeriemarktkette dm und des Konsumgüter- und Chemiekonzerns Henkel.
Das reiche nicht aus, meint der Lobbyismus-Experte Dieter Plehwe vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialwissenschaften (WZB). Der Politikwissenschaftler beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit Lobbyismus und hat in den 2000er-Jahren die NGO Lobbycontrol mitgegründet, ist dort aber inzwischen nicht mehr aktiv. Wer nicht offenlege, wer die Arbeit finanziere, müsse sich den Vorwurf der Verschleierung gefallen lassen, so Plehwe.
Zentrale Themen: Erbschaftssteuer
Die Stiftung setzte sich in der Vergangenheit etwa beim Thema Erbschaftsteuer besonders für eine Ausnahmeregelung auch für große Erbschaften ein. Dank dieser sogenannten „Verschonungsbedarfsprüfung“ können auch große Erbschaften von über 26 Millionen Euro bei geschickter Gestaltung weitgehend steuerfrei bleiben. „Der größte Erfolg der Stiftung war es, ein transparentes, übersichtliches und faires Erbschaftsteuerrecht zu verhindern“, sagt der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding gegenüber Panorama.
Die Stiftung Familienunternehmen wurde 2002 von Brun-Hagen Hennerkes gegründet. Jährlich lädt die Stiftung Familienunternehmen und seit 2021 die Stiftung Familienunternehmen und Politik zum „Tag des Familienunternehmens“ ein, zuletzt im Mai ins Hotel Adlon in Berlin. Dort sprach unter anderem CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche.
Mehr zu diesem und anderen Themen sehen Sie heute um 21:45 Uhr bei Panorama im Ersten.