Paris – Der einst mächtigste Mann Frankreichs bald hinter Gittern? Das Urteil wegen Geldzahlungen des Libyen-Diktators Muammar Gaddafi (2011 getötet) hat ein politisches Erdbeben ausgelöst: Nicolas Sarkozy (70) muss für fünf Jahre ins Gefängnis – und das schon in spätestens einem Monat!

Nicolas Sarkozy regierte Frankreich von Mai 2007 bis Mai 2012. Jetzt soll er ebenso lange sitzen. Ein französischer Ex-Präsident im Knast – das hat es noch nie gegeben! Das Land ist gespalten: Entsetzen einerseits, Genugtuung andererseits.

Da gehörte Nicolas Sarkozy (3.v.l.) noch zu den Mächtigsten der Welt. Für das berühmte Strandkorbfoto beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) setzte er sich zwischen Kanadas Präsident Stephen Harper und Russlands Präsident Wladimir Putin

Da gehörte Nicolas Sarkozy (3.v.l.) noch zu den Mächtigsten der Welt. Für das berühmte Strandkorbfoto beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) setzte er sich zwischen Kanadas damaligen Premierminister Stephen Harper und Russlands Präsident Wladimir Putin

Foto: picture-alliance/ dpa

Als das Urteil am Donnerstagmittag verkündet wurde, war der Aufschrei im Gerichtssaal groß. Zeugen berichten von „lauten Entsetzensschreien“ – vor allem aus dem Umfeld Sarkozys. Mit im Saal: seine drei Söhne Pierre (39, DJ), Jean (38, Lokalpolitiker) und Louis (ebenfalls politisch aktiv). Ehefrau Carla Bruni-Sarkozy (57) wich ihrem Mann nicht von der Seite.

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Das Gefängnis La Santé im 14. Arrondissement von Paris – bis 1972 wurden zum Tode Verurteilte hier sogar hingerichtet

Foto: EPA-EFE

Im „Alcatraz von Paris“ saßen schon einige Promis ein – mit Sarkozy kommt jetzt aber der hochrangigste Insasse

Im „Alcatraz von Paris“ saßen schon einige Promis ein – mit Sarkozy kommt jetzt aber der bislang hochrangigste Insasse

Foto: EPA-EFE

Sarkozy kämpft gegen Tränen

Fast eine Stunde verging, ehe Sarkozy nach der Urteilsverkündung das Gericht verließ. Vor den Kameras war er aufgewühlt, wütend, fassungslos. An einer Stelle kämpfte er mit den Tränen.

„Da jeder meine Adresse kennt, fordert das Gericht also die sofortige Vollstreckung, ohne auf einen Berufungsprozess zu warten.“ Und weiter: „Sie wollen mich gedemütigt sehen, ins Gefängnis schicken.“

Sarkozy und der damalige libysche Machthaber Muammar Gaddafi 2007 in Paris. In dem Gerichtsverfahren ging es um den Vorwurf, dass Sarkozy Geld des damaligen libyschen Machthabers Muammar Gaddafi annahm, um damit seinen Wahlkampf zu finanzieren

Sarkozy rollte Gaddafi 2007 den roten Teppich im Elysée-Palast aus – und der brachte sogar ein Zelt mit, das er im Garten aufstellen ließ. Später soll er Leute mit Koffern voller Bargeld nach Paris geschickt haben, die Sarkozy annahm, um seinen Wahlkampf zu finanzieren

Foto: Michel Dufour/WireImage

Carla Bruni-Sarkozy stand bleich daneben, ihr Lächeln wirkte eingefroren. Sarkozy sagte weiter: „Der Hass in diesem Land kennt keine Grenzen. Ich werde all meinen Verpflichtungen nachkommen. Wenn sie wollen, dass ich im Gefängnis schlafe, dann werde ich das tun – mit erhobenem Haupt! Ich bin unschuldig! Natürlich werde ich Berufung einlegen und dann also mit Handschellen vor Gericht erscheinen.“

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Sein dramatischster Satz: „An alle die, die mich so sehr hassen: Sie sollten wissen, dass sie damit das Bild Frankreichs beschädigt haben. Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, um meine Unschuld zu beweisen.“

Was jetzt auf Sarkozy zukommt, erklärt der Strafrechtler Grégory Lévy beim Sender BFMTV: „Er wird in spätestens einem Monat inhaftiert. Mit seiner Adresse in Paris wird Sarkozy mit hoher Wahrscheinlichkeit in das einzige Gefängnis innerhalb der Stadtmauern kommen: La Santé.“ Und weiter: „Er wird wahrscheinlich eine Einzelzelle bekommen, und seine Hofzeiten werden vermutlich versetzt zu denen der anderen Insassen liegen.“

Ein Knast mit üblem Ruf

La Santé ist kein gewöhnlicher Knast. Der Gefängnis-Komplex im Süden von Paris hat einen üblen Ruf. Rapper wie MHD, Politiker wie der ehemalige Adidas- und Olympique-Marseille-Chef Bernard Tapie, Terroristen wie Illich Ramirez Sanchez, genannt Carlos, der Schakal – viele saßen dort bereits ein. Die ehemalige Chefärztin der Haftanstalt, Veronique Vasseur, zeichnete 2001 in ihrem Buch ein erschütterndes Bild:

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„Mittelalterliches Gefängnis, unsägliche Schmutzverhältnisse, mit Ratten, Kakerlaken und Wanzen. Krankheiten, die sonst nur in Kriegszeiten auftreten. Überfüllte Zellen. Selbstmorde in Serie. Aids, Drogenabhängigkeit, Prostitution und Vergewaltigungen…“

Ein Ort der Gewalt, der Verzweiflung, der Angst – mitten in der französischen Hauptstadt. Vasseur weiter: „Eine Stadt in der Stadt: La Santé hat eigene Viertel und Spielregeln, wo Ausländer aus aller Welt, Kleinkriminelle und große Terroristen, Illegale und VIPs aufeinandertreffen.“

Seitdem Veronique Vasseurs Buch erschienen ist, wurde zwar renoviert. Die Zellen bekamen Duschkabinen, Videoüberwachung und abgetrennte Toiletten. Doch NGOs schlagen weiter Alarm. Trotz der Verbesserungen sei La Santé noch immer ein „Pariser Alcatraz“, wie ehemalige Insassen das Gefängnis nennen.