Sie kommen aus Griechenland, vom Balkan oder aus Osteuropa. Mittlerweile gibt es rund vier Millionen zugewanderte und hier geborene orthodoxe Christen in Deutschland. In diesem Jahr feiern sie zum ersten Mal seit acht Jahren Ostern am selben Sonntag wie katholische und evangelische Christen. Emmanuel von Christopoulos, Vikarbischof der griechisch-orthodoxen Metropolie von Deutschland, über die Bedeutung des Osterfestes, die Spaltung der Christen und das Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche.

Bischof Emmanuel, wie feiern orthodoxe Christen Ostern?
Ostern ist für uns das Fest der Feste: Wir feiern die Auferstehung Christi von den Toten. Es ist das größte Fest im Kirchenjahr, und wir feiern es ausgiebig. Wir bereiten uns ziemlich lang darauf vor, etwa in einer mehr als 40-tägigen Fastenzeit. In den orthodoxen Gemeinden, die einen ständigen Geistlichen haben, feiern wir in der Karwoche zwischen 14 und 20 Gottesdienste.

Die Tagesspiegel-App Aktuelle Nachrichten, Hintergründe und Analysen direkt auf Ihr Smartphone. Dazu die digitale Zeitung. Hier gratis herunterladen.

Und das Fest geht nicht nur bis Ostersonntag. Auch in der Woche nach Ostern, der sogenannten „Lichten Woche“, feiern wir an jedem Tag die Liturgie der Osternacht. Mit Kerzen, Gesängen und dem immer wiederkehrenden Zeugnis des Glaubens an die Auferstehung, dem Oster-Hymnus: „Christus ist auferstanden von den Toten. Durch den Tod hat er den Tod zertreten und denen in den Gräbern das Leben geschenkt!“ Und bis Christi Himmelfahrt sagen wir bei jeder Begrüßung: „Christus ist auferstanden!“ und antworten: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Es ist wirklich ein wunderbares Fest.

20 Gottesdienste in einer Woche – wie viele davon machen normale Gläubige eigentlich mit?
Es gibt Gemeindeglieder, die jeden Tag in die Kirche kommen. Vor allem in der Karwoche lassen sie keinen Gottesdienst aus. Viele davon sind älteren Semesters. Sie sind mit der Kirche und dem Glauben aufgewachsen und es ist ihnen wichtig.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Externen Inhalt anzeigen

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Je jünger die Leute werden, desto seltener kommen sie. Trotzdem ist auch ihnen der Kirchenbesuch am Gründonnerstag und beim Passionsgottesdienst am Karfreitag wichtig. In unserer griechisch-orthodoxen Gemeinde hier in Berlin-Steglitz machen wir mit etwa 2000 bis 2500 Menschen dann eine Prozession mit dem symbolischen, blumengeschmückten Grab Christi. In der Nacht zum Ostersonntag haben wir hier rund 3500 bis 4000 Menschen, die mit uns das Fest der Auferstehung feiern. Dann muss das Ordnungsamt sogar die Straße sperren.

In diesem Jahr feiern evangelische, katholische und orthodoxe Christen Ostern gemeinsam, weil der gregorianische Kalender der Westkirchen und der julianische Kalender der Orthodoxie zum ersten Mal seit acht Jahren zueinander passen. Sollte das immer so sein?
Ein einheitlicher Termin wäre wünschenswert. Es wäre ein wichtiges Zeichen, wenn wir trotz unserer Unterschiede gleichzeitig feiern könnten. Ob und wie das möglich ist, ist weder meine Entscheidung noch die Entscheidung der Kirchen in Deutschland. Das muss auf der Weltebene entschieden werden, von den Kirchenleitungen.

Der Ökumenische Patriarch Bartholomäus hat schon oft gesagt, dass die Spaltung unter den Christen ein Skandal ist und dass wir unsere Bemühungen verstärken sollten, einen gemeinsamen Oster-Termin zu finden. Es gibt auch praktische Herausforderungen: Wenn wir hier in Berlin beim Ordnungsamt die Straßensperrung anmelden, kommt oft die Rückfrage: Wieso Ostern? Das war doch schon? Ein dauerhafter gemeinsamer Termin wäre für die Beziehungen der Kirchen untereinander jedenfalls ein großer Schritt nach vorn.

Zur Person

© Griechisch-Orthodoxe Metropolie/WALTER WETZLER

Emmanuel von Christopoulos ist Vikarbischof der griechisch-orthodoxen Metropolie von Deutschland und zugleich Beauftragter der Orthodoxen Bischofskonferenz Deutschlands (OBKD) am Sitz der Bundesregierung.

Was ist denn mit der dritten oder vierten Generation, die hier geboren ist? Sind die noch an die Kirche gebunden?
Das ist ganz unterschiedlich. Hier in Berlin erlebe ich viele junge Menschen, die den Sonntagsgottesdienst besuchen. In anderen großen Städten ist es ähnlich. Natürlich gibt es auch Menschen, die mit der Kirche fremdeln. Aber immer mehr junge Familien besuchen mit ihren Kindern die Kirche, wollen ihnen den Glauben, aber auch die Familientradition vermitteln. Allein in unserer griechisch-orthodoxen Gemeinde in Berlin hatten wir im vergangenen Jahr 80 Taufen. Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen.

Griechisch-orthodoxe Osterprozession in Thessaloniki: Das symbolische Grab Christi ist mit Blumen geschmückt und wird durch die Stadt getragen.

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Giannis Papanikos

Wie kommen die Menschen denn zurück?
Wir haben junge Paare, die sich bewusst für eine kirchliche Trauung und die Taufe ihre Kinder entscheiden. Es gibt aber auch Menschen, die über den Verlust eines geliebten Menschen, der Eltern, der Ehepartner wieder zur Kirche finden. Es scheint, dass es eine Rückbesinnung bei den Menschen gibt. Sie denken über den Glauben nach, über ihre Herkunft. Und wir erleben auch, dass in unseren Gemeinden immer mehr auf Deutsch stattfindet. Es wird auf Deutsch gesungen, das Vaterunser wird auf Deutsch gesprochen oder die Fürbitten. Das bedeutet, dass die gelungene Integration ein aktuelles Thema bleibt.

Ist die Orthodoxie in Deutschland angekommen?
Die Orthodoxie ist hier schon lange angekommen. Das bestätigt auch die Zahl von rund vier Millionen orthodoxen Gläubigen in diesem Land. Wir arbeiten in der Orthodoxen Bischofskonferenz (OBKD) zusammen, führen theologische und ökumenische Dialoge erfolgreich weiter, nehmen Stellung zu aktuellen Themen und sind Ansprechpartner bei allen Fragen.

Man merkt es auch in unseren Gemeinden. Vor zwanzig Jahren dachten die Menschen noch darüber nach, wann sie wieder nach Griechenland oder ihre anderen Herkunftsländer zurückgehen. Heute ist Deutschland ihre Heimat geworden. Und die Kirche gehört dazu. Die Menschen fühlen sich hier wohl, aufgehoben, haben bereichernde spirituelle Erfahrungen. Von einem Provisorium spricht keiner mehr. Außerdem bauen wir hier in Berlin ein neues Gemeindezentrum, wir bauen für die Zukunft.

Osterkerzen in einer griechisch-orthodoxen Kirche auf Kreta. Erstmals seit acht Jahren feiern evangelische, katholische und orthodoxe Christen wieder zum selben Zeitpunkt das Osterfest.

© imago/kolbert-press/IMAGO/kolbert-press/Ulrich Gamel

Wird die Orthodoxie in Deutschland denn auch als Kirche, die hier angekommen ist, wahrgenommen?
Ich denke schon, dass wir ganz anders wahrgenommen werden als bis vor einigen Jahren. Als Beauftragter der OBKD am Sitz des Bundestags und bei der Bundesregierung erlebe ich rege Teilnahme, wenn es um Fragen rund um die Orthodoxie und unseren Glauben geht.

Das Interesse ist sehr groß. Nicht nur die Corona-Pandemie war eine Herausforderung. Auch in der Debatte um die Suizidbeihilfe, wo wir Orthodoxe eine eher konservative Position vertreten – also den Schutz des menschlichen Lebens in den Vordergrund stellen. Allgemein gilt: Es würde uns sehr freuen, wenn man weiterhin mit uns, statt nur – was leider auch vorkommt – über uns sprechen würde.

Detailaufnahme eines Bischofs der griechisch-orthodoxen Kirche in Berlin.

© imago/photothek/Thomas Trutschel/photothek.net

Wie ist es mit dem Religionsunterricht?
Die OBKD sieht im Modell des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts, bei dem die evangelische und die katholische Kirche einen gemeinsamen Unterricht anbieten, viel Potenzial. Auch wir Orthodoxe sind an dieser Entwicklung interessiert. Es gibt aber auch Bundesländer in Deutschland, etwa Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg oder Bayern, wo orthodoxer Religionsunterricht ein ordentliches Fach an öffentlichen Schulen ist. In Berlin bemühe ich mich noch um die Realisierung dieses Vorhabens.

Ich glaube, dass jede Form der Zusammenarbeit der Kirchen eine Stärkung für uns alle darstellt. Wir müssen und sollten sehr auf die Werte achten, die wir vermitteln. Wir müssen uns natürlich auch fragen, wie kommen wir bei deren Vermittlung bei den Eltern, vor allem aber bei den Kindern, an? Wie vermitteln wir der Welt, was uns wichtig ist? Da hilft Religionsunterricht: Nicht nur, um religiöse Inhalte, sondern auch, um ethische, moralische Inhalte zu vermitteln. Er hat genau so seine Daseinsberechtigung wie alle anderen Unterrichtsfächer.

Die russisch-orthodoxe Christi-Auferstehungskathedrale in Berlin-Wilmersdorf.

© IMAGO/Depositphotos/bildradar via imago-images.de

Wie ist das Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche, die sich schon 2018 wegen des Konflikts zwischen Moskau und dem Ökumenischen Patriarchat aus der OBKD zurückgezogen hatte?
Die russisch-orthodoxe Kirche ist in der Orthodoxen Bischofskonferenz momentan durch Beobachter vertreten. Aber wir sprechen miteinander und halten die Kommunikationskanäle offen. Darüber hinaus gibt es weiterhin eine Zusammenarbeit in verschiedenen Kommissionen, etwa bei der Übersetzung liturgischer Texte. Es ist natürlich sehr beunruhigend und traurig, wie sich die Sache entwickelt hat und dass eine aktive Teilnahme der russisch-orthodoxen Kirche nicht mehr möglich ist. Als OBKD beten wir um eine rasche Klärung dieses Sachverhalts.

Seit 2022 gibt es den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Steht die russisch-orthodoxe Kirche in Deutschland hinter Putin?
Das kann ich nicht sagen. Ich spreche kein Russisch und weiß nicht, was dort gepredigt oder verlautbart wird. Leider bin ich auch lange nicht in einer russisch-orthodoxen Kirche gewesen. Aber, ich nehme bei allen orthodoxen Christen eine Unruhe, eine Traurigkeit und eine Unsicherheit wahr, vor allem wegen der aktuellen Situation und des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Die OBKD hat vor zwei Jahren diesen Krieg und seine Verbrechen gegen die Menschen aufs Äußerste verurteilt, genauso wie sie die Übergriffe auf die russisch-orthodoxen Gemeinden hierzulande scharf kritisierte, die es gerade zu Beginn des Kriegs leider auch gegeben hat.

Mehr zu Ostern in Berlin: Vier Geheimtipps für den Osterspaziergang Entdecken Sie Berlins schönste Kleingartenanlagen Einkaufen an Ostern in Berlin Hier erledigen Sie Ihre dringenden Besorgungen an den Feiertagen Osterbrunch & Ausstellungen in Berlin Die 6 besten Spots für Kulturgenuss mit Frühstück

Was muss aus Sicht der Orthodoxen in Deutschland besser werden?
Ich habe das Gefühl, dass das Gespräch auf Augenhöhe weiterhin intensiviert werden muss, mit dem Staat und auch mit den großen Kirchen. Darauf freuen wir orthodoxe Christen uns in Deutschland. Wir haben in diesem Jahr das 1700-jährige Jubiläum des ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa und das gemeinsame Osterdatum. Aus unserer Sicht sind das Chancen und gute Gründe, den Dialog weiterhin zu intensivieren und auch auf vielen weiteren Ebenen zu verstetigen. Es wäre schön und wünschenswert.

Aber es gibt noch so manche Hürden zu überwinden. Dass nicht alle Orthodoxen Weihnachten erst im Januar feiern, muss immer noch erklärt werden. Trotz aller guten Entwicklungen und anhaltender Bemühungen werden wir nicht ganz wahrgenommen in unserer Besonderheit. Und dennoch: Wir sind nicht mehr Exoten und wir sind nicht mehr eine Diaspora-Kirche. Wir sind eine Kirche, die zu Deutschland gehört und in der langsam, aber sicher die vierte Generation von Mitgliedern heranwächst. Wir sind hier angekommen, haben uns hier integriert. Wir wollen für die hiesige Gesellschaft ein Segen sein und sind bereit, Deutschland mitzugestalten.