Bielefeld. Das Geschäftsgebaren des privaten Parkplatzbewirtschafters Parkcontrol24 sorgt weiterhin für große Aufregung bei den Kunden des Wiva-Marktes an der Heeper Straße sowie denjenigen, die dort zu Ärzten oder ins Billardcafé wollten. Geschätzt fünf Beschwerden täglich erreichen aktuell die Verbraucherzentrale in Bielefeld, Rechtsanwalt Mirko Roßkamp beschäftigt sich inzwischen mit mehr als 100 dieser Fälle. Wie berichtet, sind für viele Autofahrer die Forderungen der Firma nicht nachvollziehbar. Ingrid Deutmeyer von der Verbraucherzentrale Bielefeld gibt Tipps.

Obwohl der Betreiber seit dem 1. August vom Parkplatz verschwunden ist, hagelte es in den vergangenen Wochen Hunderte Briefe. Verbraucherschützerin Deutmeyer betont, dass man tatsächlich jeden Fall individuell bewerten müsse. Nicht alle Forderungen seien unberechtigt. Anwalt Roßkamp und die Verbraucherzentrale sind sich aber darüber einig, dass zuletzt vor allem Geldforderungen und Vertragsstrafen bei Autohaltern eingingen, die innerhalb der als „kostenfrei“ beworbenen ersten Stunde auf dem Parkplatz standen.

„Wir haben schon den Eindruck, dass zuletzt all diejenigen noch Post bekommen, die zu den Kurzparkern gehören“, sagt Deutmeyer. Diese Briefe erreichen die Kunden oft Monate nach dem eigentlichen Parkvorgang. Parkcontrol24 behauptet, das Fahrzeug habe auf einem Behindertenparkplatz gestanden, die Parkscheibe habe nicht in der Windschutzscheibe gelegen oder der Nachweis, Kunde des Supermarktes gewesen zu sein, fehle. Tatsächlich finden sich Parkscheibe und Kundenstatus als Bedingungen für das kostenfreie Parken auf den veröffentlichten Geschäftsbedingungen. Das Problem: Die Firma liefert für die Behauptung keine Beweise, fordert diese aber vom Fahrzeughalter ein.

So geht Parkcontrol24 vor

Der Parkplatzbewirtschafter sendet zunächst an den Halter des Autos, dessen Kennzeichen und Parkzeit per Video-Technologie erfasst wurden, eine „Forderung aus Parkgebühren“. Dabei werden in der Regel Parkgebühren aufgeführt, aber auch diverse Vertragsstrafen sowie Gebühren für die Halterermittlung. Die Summe der Forderung liegt in der Regel zwischen 60 und 100 Euro.

Ärger um Parkcontrol24 in Bielefeld: Das sagt der umstrittene Anbieter zu den Vorwürfen

Egal, ob der Kunde den Brief ignoriert oder gegen die Forderungen Widerspruch einlegt, meistens erreicht ihn anschließend irgendwann ein Brief einer Inkassofirma, die die Forderungen von Parkcontrol24 übernommen hat. Diese Firma schlägt zusätzliche Gebühren auf die Rechnung auf. Das Inkassounternehmen schreibt in der Regel dann noch einen zweiten Brief mit Gebührenforderungen, bevor den vierten Brief mit weiteren Forderungen ein Anwalt übernimmt.

Anschließend passiert nichts mehr – bisher zumindest. Es besteht die Vermutung, dass sich Parkcontrol24 auf das Einziehen von Gebühren auf dem postalischen Weg konzentriert, nicht aber Klageverfahren anstrengt.


Ingrid Deutmeyer ist Leiterin der Verbraucherzentrale in Bielefeld. - © Martin Krause

Ingrid Deutmeyer ist Leiterin der Verbraucherzentrale in Bielefeld.
| © Martin Krause

Das raten die Experten

Es ist nicht ratsam, die Briefe unbeantwortet zu lassen, das sagen alle Experten unisono. Ingrid Deutmeyer hat festgestellt, dass manche der Forderungen – gerade bei den Langzeitparkenden – durchaus berechtigt seien. „Nicht aber bei der Höhe der Forderungen.“ Mit Hilfe der Juristen der Verbraucherzentrale hätten einige dieser Betroffenen einen außergerichtlichen Vergleich angeboten, auf den der Parkplatzbewirtschafter eingegangen sei. Es gibt aber auch Fälle, da reagierte die Firma gar nicht auf das anwaltliche Schreiben: „Meine Anwältin musste den Fall wieder abgeben, weil sie nie eine Antwort erhalten hat“, berichtet ein Leser von seinem vergeblichen Versuch, mit einem Vergleich den Fall vom Tisch zu kriegen.

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Rechtsanwalt Mirko Roßkamp kritisiert: Die Briefe gehen automatisch an den Halter, der nicht unbedingt der Fahrer gewesen sein muss. Außerdem liefere Parkcontrol24 nicht die erforderlichen Beweise dafür, dass etwa die Parkscheibe tatsächlich nicht hinter der Windschutzscheibe gelegen habe. Ingrid Deutmeyer ist da eindeutig: „Grundsätzlich hat derjenige, der eine Forderung stellt, auch eine Beweispflicht.“

Trotzdem rät sie Kunden, die Monate nach dem Parkvorgang möglicherweise keine Supermarktquittung mehr von dem Tag besitzen, ihre EC-Karten-Ausgaben zu prüfen: „Vielleicht habe ich ja mit Bankkarte bezahlt. Das würde als Nachweis helfen.“ Andere Fälle sind noch klarer: In einem Fall bekam ein Leser eine Rechnung für ein Fahrzeug, das zum Zeitpunkt des angeblichen Parkvergehens bereits abgemeldet war.


Genervte Unternehmer wettern gegen neue Parkplatzkontrolle von Parkcontrol24 - © BARBARA FRANKE

Genervte Unternehmer wettern gegen neue Parkplatzkontrolle von Parkcontrol24
| © BARBARA FRANKE

Ignorieren, einfach zahlen oder klagen?

Verkehrs- und Strafrechtsexperte Roßkamp rät dazu, der Forderung grundsätzlich zu widersprechen. Dieser Widerspruch sollte gut begründet sein, sodass ein Gespräch beim Anwalt (Kosten: 90 Euro) oder bei der Rechtsberatung der Verbraucherzentrale (50 Euro) lohnend sein könnte.

Bisher beschränkt sich die Firma laut Roßkamp auf das Ignorieren anwaltlicher Post und auf das weitere Kontaktieren der Betroffenen in einem ungewöhnlich „aggressivem Tonfall“. Die Leute sollen offenbar verängstigt oder mürbe gemacht werden. Klageverfahren scheinen bisher nicht zum Konzept zu gehören.

Schufa-Einträge bei Widerspruch sind nicht zulässig

Viele Betroffene zahlen einfach, um den Fall endlich vom Tisch zu haben. Darauf scheint der Anbieter in erster Linie zu setzen. Andere haben wiederum Angst vor negativen Schufa-Einträgen. Die „Schufa“ ist eine Auskunftei zur Kreditwürdigkeit von Kunden. Einträge zu ausgebliebenen Zahlungen könnten also Auswirkungen auf spätere Vertragsabschlüsse (Handyvertrag, Kreditvertrag, Mietvertrag) haben. Ist diese Angst berechtigt?

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„Jein“, sagt Verbraucherschützerin Ingrid Deutmeyer: „Wenn ich einer Forderung widersprochen habe, darf eigentlich kein negativer Schufa-Eintrag vorgenommen werden.“ Allerdings weiß die Schufa nicht, ob die Meldung ihre Berechtigung hat oder nicht. Es könne also trotzdem zu einem „nicht zulässigen“ Eintrag kommen. Deshalb rät Deutmeyer dazu, sich einmal im Jahr einen kostenfreien Auszug der eigenen Schufa-Einträge zusenden zu lassen (Achtung, im Internet verlangen dubiose Anbieter Gebühren für den kostenfreien Service!). „Sollte sich dort ein solcher Eintrag finden, kann ich diesen mit dem Nachweis meines Widerspruches löschen lassen.“

Verjährung der Parkforderungen erst nach drei Jahren

Und was sollen Betroffene nun machen? Abschließend bewerten lässt sich jeder Fall nur einzeln. Schließlich hänge alles davon ab, welche Beweise die Gegenseite vorlege und welche man selber einbringen könne. Für alle, die die Sache auszusitzen gedenken, gibt es keine guten Nachrichten: Eine Verjährung der Forderungen tritt laut Verbraucherzentrale erst nach drei Jahren ein.

Christian Landers, deutscher Gebietsmanager der in London ansässigen Parkcontrol24 Ltd., weist übrigens alle Vorwürfe zurück und unterstellt denjenigen, die Post erhalten haben, sich nicht über die eigenen Pflichten informiert zu haben. „Wir möchten unterstreichen, dass nicht derjenige, der am lautesten Kritik übt, automatisch im Recht ist. Ebenso wenig ist derjenige, gegen den Sanktionen ausgesprochen werden, zwangsläufig das Opfer. Vielmehr gilt es, die Gesamtsituation objektiv zu bewerten.“ Diese Objektivität fällt allerdings vielen Betroffenen angesichts der Kommunikationspolitik des Unternehmens schwer.

Verbraucherschützer raten: „Augen auf beim Erreichen von Kundenparkplätzen“

Aber auch Ingrid Deutmeyer von der Verbraucherzentrale appelliert an alle Autofahrer: „Auf den Kunden-Parkplätzen hat sich in den vergangenen Jahren vieles verändert.“ Viele Unternehmer greifen inzwischen auf Parkplatzbewirtschafter zurück, um das kostenfreie Langzeitparken zum Nachteil der eigenen Kunden zu unterbinden. „Nur weil früher der Parkplatz frei zugänglich war, muss das heute nicht mehr gelten“, sagt die Verbraucherschützerin. Deshalb rate sie, auf Kundenparkplätzen die Augen offen zu halten. Das erspare später den Gang zur Rechtsberatung.

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Im Fall von der Heeper Straße hat der Vermieter Parkcontrol24 inzwischen gekündigt. Seit dem 1. August sind alle Schilder abgebaut. Forderungen an mutmaßliche Falschparker gehen trotzdem derzeit noch an viele Bielefelder raus. In wenigen Wochen soll an Ort und Stelle ein neuer Anbieter das Parken regulieren – mit deutlich klareren Regeln, wie es heißt.