Ist die Substanz aber noch gut genug, lohnt aber das Sanieren, Weiterbauen, Umwidmen schon allein deshalb, weil wertvolle Graue Energie gerettet und weniger CO2 freigesetzt wird. Auch gestalterisch kann ein Umbau reizvoll sein. Das zeigen die 25 Projekte von Wohnhäusern bis zu Bürobauten, die eine Jury für den Bund deutscher Innenarchitektinnen und Innenarchitekten (bdia) ausgewählt hat.

Stuttgarter Büros sind unter den Preisträgern

Das Buch zur Auszeichnung trägt den Titel „Umbauwende“ – und genau darum geht es vor allem: um die Gestaltung des Vorhandenen. „Das zunehmende Bewusstsein, dass die Baubranche ein zentraler Bestandteil zur Erreichung der Klimaziele ist, steckt in dem Begriff“, schreibt Carsten Wiewiorra, Innenarchitekt und Präsident des bdia im Vorwort des Buches, das auch mit interessanten Aufsätzen zur Bauwende aufwartet.

Ansprechend gestaltet müssen die Projekte selbstredend sein, so werden sie so lange wie möglich genutzt, geschätzt. Ein langes Weiterleben ist etwa der umgewidmeten ehemaligen Kirche in Berlin (Innenarchitektin Britta Weisser) vorauszusagen, das Gotteshaus ist nun ein Coworking-Space.

Arbeiten im ehemaligen Schwimmbad

Deutlich verlängern dürfte sich die Lebenszeit eines 14-stöckigen Hochhauses in Aachen. Das von Innenarchitektin Johanna Rybak von Urselmann Interior aus Düsseldorf umgestaltete Gebäude, bei dem viel wiederverwendetes und weiterverwendbares Material zum Einsatz kam, bietet neben möblierten Wohnungen flexible Büros, im ehemaligen Schwimmbad befindet sich nun ein Gemeinschaftsraum samt Küche für alle, dass hier einmal geschwommen wurde, daran erinnern noch die alte Poolleiter und die neuen wellenförmigen Akustikelemente an der Decke.

Auch, dass zum Wohnglück nicht immer eine Villa nötig ist, zeigen die Arbeiten. Elisabeth Müller aus Berlin hat eben dort eine 33 Quadratmeter großes Wohnung in einem 70er Jahre Haus umgebaut, die Auftraggeberin hatte sich bewusst für weniger Wohnraum entschieden und zog aus einer 87 Quadratmeterwohnung in das Einzimmerapartment. Passgenaue Einbaumöbel, die den Raum trennen, eine kompakte Küche haben dennoch Platz gefunden – und ein Foto von Willy Brandt an der Wand macht sich oberhalb eines Sideboards sehr gut.

Büro in Stuttgart, Restaurant in Sindelfingen

Geglückte Umbauarbeiten sind in der Region Stuttgart zu begutachten. Etwa das von Natalie Ziesemer und Annika Buttning neu gestaltete Restaurant Wolfgangs in Sindelfingen, das mit hellen Grüntönen und mit floraler Wandgestaltung und feinen Holzeinbauten überzeugt.

Innenarchitekt Ingo Haerlin von Design in Architektur hat in Schriesheim bei Heidelberg eine ehemalige Kerzenfabrik saniert und in ein glamouröses Restaurant namens Raro verwandelt. Der hohe offene Raum hat noch eine weite Ebene auf einer Galerie erhalten; Holzboden, Vorhänge, Hell-dunkel-Kontraste lassen das Gasthaus bei aller Größe fast schon behaglich wirken.

Wer Bücher mindestens so gern liest wie Speisekarten, wird in Waldshut-Tiengen im Süden des Landes glücklich, wenngleich erst einmal der Blick länger auf den Details des umgestalteten ehemaligen Kornhauses aus dem Jahr 1862 verweilt. In starken Farben und multifunktionalen Möbeln ist die Stadtbibliothek von Innenarchitekt Martin Klein-Wiele vom Büro UKW Innenarchitekten (Krefeld) in einen Ort zum Lesen und Spielen verwandelt worden.

Räume von Stuttgarter Innenarchitektinnen Innenarchitektin Anja Pangerl von Blocher Partners aus Stuttgart hat einen Showroom für Fahrräder entworfen. Foto: blocher partners/Bernd Kammerer, Stuttgart

Stuttgarter Gestaltungsbüros sind unter den Preisträgern ebenso vertreten. Innenarchitektin Anja Pangerl vom Stuttgarter Büro Blocher Partners hat einen hell glänzenden Showroom für Fahrräder in München gestaltet. Die würden sich auch gut im Büro von Vector Informatik in Stuttgart mit seinen monochrom gestalteten Industriearbeitsplätzen machen, die Innenarchitektin Isabell Ehring entworfen hat.

Architekt Frank Dittel von Dittel Architekten und Innenarchitektin Charlotte Greifenstein wiederum haben eine ehemalige Brauerei in ein kulturelles Zentrum umgebaut, die alten Mauern freigelegt und mit zeitgemäßen Einbauten kombiniert. Eine Reise in die Burgenstadt Schlitz in Hessen lohnt schon für die Besichtigung dieses eindrucksvollen Umnutzungsprojekts.

Bilder von den Umbauten aus Stuttgart – und anderswo – finden sich in der Bildergalerie.

Info

Buch
bdia Handbuch Innenarchitektur UmBauwende. Herausgegeben vom Bund deutscher Innenarchitektinnen und Innenarchitekten (bdia)/Carsten Wiewiorra. Callwey-Verlag, 208 Seiten, 39,95 Euro