Ohne Halt durch Backnang und Murrhardt: Der neue ICE-Sprinter nach Berlin soll Tempo bringen – aber gefährdet er den Nahverkehr? Die Freien Wähler in der Region haken nach.

Ihr Vorsitzender, der frühere Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky, fordert vom Verband Region Stuttgart einen umfassenden Bericht zu den Folgen des Schnellzugs, insbesondere für den Nahverkehr im Rems-Murr-Kreis und die ohnehin überlastete Murrbahn.

Murrbahn bleibt Engpass für den Regionalverkehr

Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember will die Deutsche Bahn den neuen Sprinter starten. Der Zug soll direkt durchs Murrtal rauschen – vorbei an Backnang, Murrhardt und Schwäbisch Hall, ohne dort zu halten. Nur in Nürnberg ist ein Stopp vorgesehen. Die Fahrzeit nach Berlin verkürzt sich so auf unter fünf Stunden, das ist rund eine Stunde schneller als über Frankfurt.

Doch was für Reisende nach Berlin ein Fortschritt ist, klingt für Pendler in der Region wie ein Rückschritt. Die Murrbahn gilt als Dauerproblem: eingleisig, störanfällig, notorisch unpünktlich. „Einer fährt, der andere wartet“ – so sieht der Alltag auf der Strecke aus.

Rems-Murr-Kreis fordert Transparenz beim Bahnprojekt

Kaum waren die Pläne öffentlich, meldeten sich Bürgermeister der betroffenen Kommunen. Murrhardts Stadtoberhaupt Armin Mößner sagte deutlich: „Ein Fernzug, der durchfährt, aber nirgends hält – das kann nicht das Zukunftsmodell für unsere Region sein.“ Auch Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich forderte Zwischenhalte: „Backnang darf nicht zum Zuschauer degradiert werden.“

Der frühere Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky fordert Aufklärung in Sachen ICE-Sprinter nach Berlin. Foto: oh

Die Freien Wähler fordern deshalb nun Transparenz. In einem Antrag an den Vorsitzenden des Verbands Region Stuttgart, Rainer Wieland, verlangen sie einen Bericht zu den möglichen Auswirkungen auf den Regionalverkehr – insbesondere im Rems-Murr-Kreis.

ICE hat Vorrang – Pendler geraten ins Hintertreffen

Andreas Hesky und sein Fraktionskollege Frank Buß, verkehrspolitischer Sprecher, verweisen auf das Spannungsfeld: Einerseits braucht die Region bessere Fernverbindungen, andererseits darf der Nahverkehr nicht auf der Strecke bleiben. Ihre Sorge: Ein ICE, der durchfährt, bremst den Alltag in der Region aus.

Daniel Wiedmann, im Landratsamt zuständig für den öffentlichen Personennahverkehr, bestätigt auf Anfrage im Verkehrsausschuss des Kreistags die Befürchtungen: „Ein ICE hat immer erste Priorität.“ Das bedeutet konkret: Kommt ein Sprinter, muss der Regionalzug oder die S-Bahn warten. Schon jetzt sei die Murrbahn zu 140 Prozent ausgelastet. Mit dem Sprinter drohe das System, „noch fragiler“ zu werden.

Sprinter vs. Regionalexpress: Konflikt der Konzepte

Besonders brisant: Der ICE soll den Regionalexpress RE 90 überholen – die einzige durchgehende Verbindung von Stuttgart nach Nürnberg. Für Pendler im Berufsverkehr könnten tägliche Verspätungen zur Regel werden.

Doch es gibt auch Stimmen, die den Sprinter verteidigen. In einem Leserbrief aus Offenbach heißt es: „Warum heißt ein Sprinter wohl ‚Sprinter‘? Doch nicht deshalb, weil er zahlreiche Zwischenhalte einlegt.“ Schnelligkeit ergebe sich aus wenigen Stopps – das sei physikalisch, nicht politisch.

Zweigleisiger Ausbau bleibt politische Baustelle

Seit Jahrzehnten fordern Kommunen entlang der Murrbahn deren zweigleisigen Ausbau. Doch passiert ist kaum etwas. Jetzt droht ausgerechnet der neue ICE-Sprinter die alten Versäumnisse drastisch offenzulegen – und noch zu verschärfen.

Viele Menschen in der Region sehen darin einen Schnellschuss mit fatalen Nebenwirkungen. Der Traum von der Hochgeschwindigkeit könnte für den Nahverkehr zum Albtraum werden.