Christoph Kramer war lange genug Gladbacher, um genau zu wissen, wie groß die Rivalität der beiden Borussias ist. Doch am Dienstagabend gestand der langjährige Gladbach-Profi, dass sein Herz auch etwas für Borussia Dortmund geschlagen habe: Da war Kramer als TV-Experte beim BVB zu Gast und erlebte mit, wie Dortmund in der Champions League gar nicht so weit entfernt war von einem Sensations-Comeback gegen den FC Barcelona.
Letztlich genügte der beeindruckende 3:1-Erfolg nicht, um die 0:4-Hinspielniederlage wettzumachen. Doch Kramer glaubt, dass dieses Spiel dem Klub im Saisonendspurt nochmals einen Push geben kann. Selbst den erneuten Einzug in die Königsklasse hält der Weltmeister von 2014 trotz derzeit sechs Punkten Rückstand für nicht ausgeschlossen. BVB-Verteidiger Niklas Süle äußerte sich ähnlich: „Wir haben fünf schwierige Spiele. Aber wenn wir die alle gewinnen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir trotzdem nächstes Jahr Champions League spielen. Das muss das Ziel sein für unsere Truppe.“
Die Gladbacher Borussia wird sich also auf hoch motivierte Gastgeber einstellen müssen, wenn sie am Sonntag (17.30 Uhr, Dazn) in Dortmund zu Gast ist. Deswegen – und wegen der jüngsten Negativserie von elf Pflichtspielniederlagen am Stück in Dortmund – wird sie im Vorfeld nicht gleich die weiße Fahne hissen. Vielmehr sollte sich Gerardo Seoanes Mannschaft daran erinnern, dass sie Aufgaben bei Gegnern, die wenige Tage zuvor noch ein Europapokalspiel bestritten haben, in der laufenden Saison gut gemeistert hat.
Gladbach: Vorige Saison nur Niederlagen gegen Europacup-Teams
Das war zuvor keine ausgewiesene Stärke der Gladbacher gewesen. Chancen gegen von Europa-Strapazen geschlauchte Teams ließen die Borussen gerne ungenutzt. Erinnert sei beispielsweise an die 1:2-Niederlage im Oktober 2022 bei Union Berlin: Den Köpenickern war die Zusatzbelastung in einem durch die Winter-Weltmeisterschaft in Katar komprimierten Terminkalender deutlich anzumerken. In der Schlussphase verspielten passive Gladbacher noch ihre 1:0-Führung.
In der vergangenen Saison setzte es gegen Europapokal-Teilnehmer am Ende ihrer Englischen Wochen stets Niederlagen – zweimal gegen RB Leipzig (0:1, 0:2) und daheim gegen den BVB (1:2). Da sieht die Bilanz im zweiten Jahr unter Seoane besser aus. Angesichts der acht Europacup-Starter hatte Gladbach allerdings überraschend wenige solcher Spiele.
Am zehnten Spieltag war es bei RB Leipzig zu Gast, das vier Tage zuvor in der Champions League bei Celtic Glasgow 1:3 verloren hatte. Borussia überzeugte vor allem in der ersten Halbzeit und hätte zwingend führen müssen, am Ende erkämpfte sie sich verdient einen Punkt (0:0). Noch besser lief es Anfang Februar beim VfB Stuttgart. Die Schwaben waren unter der Woche mit einem 1:4 gegen Paris Saint-Germain aus der Champions League ausgeschieden, drei Tage später nutzten die Borussen die Schwächephase des VfB aus.
In Stuttgart blieb Borussia beharrlich und belohnte sich
Zwar kassierten sie durch ein unglückliches Eigentor Nico Elvedis kurz nach der Pause den 1:1-Ausgleich, nachdem Nathan Ngoumou die Führung besorgt hatte. Doch dann war entscheidend, dass sich Seoanes Team nicht zurückfallen ließ, sondern weiter nach vorne spielte und sich letztlich mit Tim Kleindiensts 2:1 in der Schlussphase belohnte.
Borussia wird dieses mutige und entschlossene Gesicht aus Stuttgart am Sonntag benötigen. Anders als Leipzig und Stuttgart geht der BVB trotz des Ausscheidens mit dem positiven Gefühl eines Sieges in die Partie. Zudem liegen immerhin fünf Tage zwischen den Begegnungen gegen Barcelona und Borussia – ohne lästigen Reisestress.
Für Gladbach ist es das letzte Spiel gegen ein Team, das Tage zuvor noch europäisch aktiv war. Gegen die Bayern hätte am 33. Spieltag noch so eine Aufgabe auf dem Programm gestanden, hätten die Münchner das Halbfinale der Champions League erreicht. Doch erging es ihnen diese Woche wie Dortmund – das nun seine Highlight-Form auch in der Bundesliga unter Beweis stellen will.