Die Stimmung in der Wirtschaft ist schlecht. Trotzdem feiern Brandenburgs Wirtschaftsförderer trotzig die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahre. Was sie hoffen lässt, dass Brandenburg gut durch die Krise kommt. Von Markus Woller
Es ist die IG-Metall, die in diesen Tagen eindringlich wie lange nicht vor einer Deindustrialisierung des Ostens – und damit auch von Brandenburg – warnt. „Die traumatische Erfahrung der 1990er Jahre darf sich nicht wiederholen“, lässt sich Jan Otto, der Bezirksleiter für Berlin-Brandenburg-Sachsen in dieser Woche zitieren. Vor diesem Hintergrund lassen sich die vermeintlichen Jubelzahlen, die die Brandenburger Wirtschaftsförderung am Freitag im Landtag präsentiert, anders deuten: Als Aufzählung dessen, was nach einem mühevollen, aber erfolgreichen Aufbau nach der Wende jetzt auf dem Spiel steht.
Kein ostdeutsches Bundesland habe sich nach dem Wende-Schock besser erholt als Brandenburg, heißt es in der Studie „Brandenburg in Bewegung“, die das Prognos-Institut im Auftrag der Wirtschaftsförderer erstellt hat: die wenigsten Arbeitslosen, den größten Bevölkerungszuwachs, den größten Zuwachs beim Bruttosozialprodukt, die höchste Produktivität, die meisten Start-up-Gründungen aller Ost-Bundesländer. „Brandenburg ist ein attraktiver Arbeitsstandort geworden“, resümiert Brandenburgs Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD).
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Der Tesla-Effekt
Natürlich hat die Tesla-Ansiedlung ihren Anteil an dieser Erfolgsgeschichte. Brandenburg hat seine Export-Quote auf heute fast 49 Prozent steigern können. Mittlerweile spüren diesen Effekt auch andere Landkreise als der Tesla-Landkreis Oder-Spree – von Zulieferern in Märkisch-Oderland bis zur Batterieindustrie in Oberspreewald-Lausitz.
Wichtiger Träger der guten Entwicklung seien vor allem die überdurchschnittlich vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen im Land, hieß es. Außerdem habe Brandenburg bei der Energie rechtzeitig auf das richtige Pferd gesetzt. „Die hohe Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien ist hoch attraktiv für Unternehmen, die klimaneutral produzieren wollen“, so Sebastian Saule, Geschäftsführer bei der Wirtschaftsförderung.
Studienmacher sehen seit 1990 richtige politische Entscheidungen
Die Studienmacher erklären sich die gute Entwicklung seit 1990 außerdem durch richtige politische Entscheidungen der vergangenen Jahre. Die Konzentration auf Wachstumskerne, die Bildung von industriellen Ankerräumen für Branchen im Automobil-, Schienen-, Flugfahrt- oder Chemiesektor. Dazu komme eine „starke Mixtur, aus Dienstleistungen, produktivem Gewerbe und Forschungs- und Entwicklungsbemühungen auch an Universitäten“, so Prognos-Geschäftsführer Christian Schoon.
Spätestens seit Ukrainekrieg auch Abwärtstrend in Brandenburg
Die gewachsene breite Branchen-Struktur, so hoffen Landesregierung und Wirtschaftsförderung, soll Brandenburg auch durch die aktuell schweren Fahrwasser helfen. Denn so beeindruckend die Zahlen der Studie sich auch lesen, so können sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass spätestens seit dem Beginn des Ukrainekrieges auch in Brandenburg ein deutlicher wirtschaftlicher Abwärtstrend zu verzeichnen ist.
Besonders schlimm trifft es die energieintensiven Industrien – eben jene, in denen die Arbeit meist durch Tarifbindungen überdurchschnittlich gut bezahlt wird. Die Insolvenz des Solar-Glasherstellers GMB in Tschernitz, Kurzarbeit bei Riva-Stahl in Hennigsdorf, Job-Abbau bei ZF in Brandenburg an der Havel – nur einige der besorgniserregenden Meldungen der vergangenen Monate.
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Neue Steueranreize und Investitionen müssten her
Die IG-Metall hat in dieser Woche einen subventionierten Industriestrompreis gefordert, um der gebeutelten Industrie unter die Arme zu greifen. Der Brandenburger Wirtschaftsminister warnte aber am Freitag davor, schon die Zeit einer erneuten Deindustrialisierung einzuläuten. Es gelte, die Herausforderungen schnell zu meistern. Zum einen durch die bereits angekündigte Entlastung der Unternehmen von Netzentgelten und Stromsteuer. „Das reicht aber noch nicht aus. Wir sind im Gespräch mit dem Bund, um zügiger Lösungen zu finden“, so der Minister. Außerdem wolle sich Brandenburg bei der EU dafür einsetzen, dass es weniger Zölle auf Stahlnebenprodukte wie Autobleche gebe. „Da werden wir hart diskutieren müssen“, prognostizierte Keller. In der kommenden Woche reist das ganze Kabinett dafür nach Brüssel.
Zum anderen müsse man nun für neue Steueranreize und Investitionen sorgen. Das Sondervermögen Infrastruktur des Bundes sei das wichtigste Instrument, bei dem man aber darauf achten müsse, auch langfristigen Nutzen aus dem vielen Geld zu schaffen.
Brandenburg sei, das habe die Studie gezeigt, sehr breit aufgestellt. Dieser vielfältige Mix aus Branchen, der sich in den vergangenen 35 Jahren angesiedelt habe, mache das Land gegen Krisen ein Stück weit widerstandsfähig. Ein Grund warum sich die schlechte Stimmung in der Wirtschaft bisher noch nicht so deutlich auf dem Arbeitsmarkt niedergeschlagen habe, hieß es.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 26.09.2025, 19:30 Uhr