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In einigen russischen Regionen und auch auf der Krim stehen Autofahrer wohl vor einem Problem. Behörden sollen bereits Prioritäten setzen.
Simferopol – Im Ukraine-Krieg machen vor allem die russischen Bombardements der Infrastruktur Schlagzeilen. Gerade dann, wenn Tote und Verletzte unter der ukrainischen Zivilbevölkerung zu beklagen sind. Die Gegenschläge der Kiewer Streitkräfte zielen vor allem auf Militäranlagen, aber auch Produktionsstätten von Öl und Gas oder Kraftwerke. Zuletzt waren insbesondere Raffinerien und Exportterminals ins Visier geraten.
Sein Volk hat neue Sorgen: Kreml-Chef Wladimir Putin muss sich wohl der Benzinversorgung auf der Krim und in anderen Regionen seines Landes annehmen. © IMAGO / ZUMA Press
Die Folgen dieser Luftangriffe versucht Moskau möglichst zu kaschieren. Nun aber deuten Aufnahmen und Berichte darauf hin, dass es Versorgungsengpässe für Tankstellen vor allem auf der Krim gibt, die 2014 von Kreml-Chef Wladimir Putin annektiert wurde. Wie die internationale Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Händler berichtet, könnten sich bestimmte Tankstellen keine Vorräte mehr leisten.
Benzinknappheit in Russland: Offenbar schließen Tankstellen wegen fehlendem Kraftstoff
An manchen Tagen sei die Produktion in den russischen Ölraffinerien um ein Fünftel reduziert worden, auch Exporte aus wichtigen Häfen fallen demnach geringer aus. Die beliebten Benzinsorten AI-92 und AI-95 könnten häufig nicht angeboten werden, lange Warteschlangen an den Tankstellen blieben aber aus.
Bereits im August seien Russlands äußerer Osten sowie die Krim betroffen gewesen, später dann auch die Wolga-Region sowie der Süden und die Mitte des Putins-Reichs. Fünf Händler, die anonym bleiben wollen, hätten der Agentur verraten, dass besonders private Tankstellen zu leiden hätten, hinter denen keiner der großen Ölkonzerne steht. Deren Anteil betrage etwa 40 Prozent. Auch von vorübergehenden Schließungen ist die Rede.
Kein Benzin im Angebot: Tankstellen auf der Krim und in Russland sollen mit Kraftstoffengpässen zu kämpfen haben. © Telegram/@Крым.РеалииKrim-Bewohner in Wut auf Putin-Regierung? Offenbar kein Benzin mehr auf Halbinsel
Das zum unter anderem in Osteuropa beheimateten Radio Free Europe/Radio Liberty zählende regionale Portal Crimea.Realities verbreitete Fotos von Preisanzeigen zweier Tankstellen. Während die eine komplett abgeschaltet zu sein scheint, zeigt die zweite nur für einen von vier Kraftstoffen einen Preis an.
Demnach sei an den Tankstellen auf der Halbinsel seit dem 24. September kein Benzin mehr erhältlich, auch die teuerste Sorte A-100 sei vergriffen. Ein Aktivist der Kampagne „Liberate Crimea“ habe davon gesprochen, die Lage habe sich binnen zehn Tagen verschärft und nun ihren Höhepunkt erreicht. Die Bewohner müssten lange auf Taxis warten, es seien deutlich weniger Autos auf den Straßen unterwegs. Besonders private Unternehmen würden unter der Situation leiden. Viele Menschen würden ihre Wut offen äußern und der Führung in Moskau Inkompetenz vorwerfen.
Kaum noch Benzin in russischen Regionen? Aktivist nennt Lage auf Krim „kritisch“
Das unabhängige Newsportal Cherta berichtet, in mehr als zehn russischen Regionen sei Benzin seit August knapp, zudem würden die Kraftstoffpreise steigen. Demnach nannte ein lokaler Aktivist die Lage in Teilen der Krim „kritisch“. „An den noch geöffneten Tankstellen gibt es kein Benzin, nur Diesel und Erdgas“, wird die nicht näher benannte Person zitiert: „Die lokalen Behörden haben ein Rationierungssystem eingeführt: Nur Regierungsfahrzeuge dürfen tanken.“
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Laut Sergey Vakulenko, Senior Fellow beim Carnegie Russia Eurasia Center, wurden „die chronischen Probleme des russischen Kraftstoffmarktes besonders deutlich“. Beamte würden die Engpässe jedoch mit „saisonalen Faktoren“ erklären, etwa dem Anstieg des Tourismus oder der Ernte.
Tatsächlich sei es so: „Im Spätsommer steigt die Nachfrage nach Kraftstoffen in Russland stets an: Die Landwirtschaft läuft auf Hochtouren und die Stadtbewohner fahren häufiger zu ihren Datschen oder unternehmen längere Autofahrten. Gleichzeitig sinkt das Angebot aufgrund saisonaler Wartungsarbeiten in den Raffinerien.“
Putin in Sorge wegen Benzinknappheit? Experte verweist auf staatliche Reserve und Belarus
Dem Experte zufolge müsste Russland aber die Inlandsnachfrage weiterhin decken können. Er beschreibt die Situation als „schwierig, aber beherrschbar“. Beschädigte Raffinerien würden auf reduziertem Niveau produzieren können, dazu könne die staatliche Reserve angezapft werden und auch Belarus aushelfen.
Vakulenko ist daher überzeugt: „Wir sind noch weit von einer tiefen, ausgewachsenen Versorgungskrise entfernt, die die Funktionsfähigkeit der russischen Wirtschaft oder des Militärs beeinträchtigen könnte.“ Seine Prognose lautet: Bis Oktober sollte sich die Treibstoffknappheit entspannen.
Angriff von oben: Das Feuer in dieser Ölraffinerie in Rjasan soll durch eine Drohnen-Attacke verursacht worden sein. (Szene aus dem März 2024) © IMAGO / ITAR-TASS
Russland und die Benzinknappheit: Exporte nun sogar bis Jahresende verboten
Mit einer Videobotschaft meldete sich derweil Sergei Aksjonow zu Wort. Der Präsident der international nicht anerkannten Republik Krim teilte darin via Telegram mit, es würden alle notwendigen Maßnahmen ergriffen. Binnen zwei Tagen sollen die Tankstellen wieder mit der erforderlichen Menge an AI-95 versorgt sein, bei AI-92 dauere es zwei Wochen.
Derweil kündigte der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Nowak an, es werde noch einige Monate lang kein Benzin exportiert werden. Wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtet, sagte er vor Journalisten: „Wir werden das Verbot von Benzin-Exporten bis zum Jahresende verlängern und auch ein Verbot von Dieselkraftstoff-Exporten für Nichtproduzenten bis zum Jahresende einführen.“
Diese Regelung gelte jedoch nicht für Lieferungen im Rahmen zwischenstaatlicher Abkommen. Das bisherige Verbot betraf alle Marktteilnehmer bis zum 30. September und Nichtproduzenten bis zum 31. Oktober. (Quellen: Reuters, Crimea.Realities, Cherta, Telegram, Tass; mg)