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Seite 1Kommt jetzt die erste chinesische Autofabrik nach Deutschland?
Seite 2″Mir ist rätselhaft, wie das klappen soll“
Es war Anfang September, als sich Yu Hao aus China aufmachte, um in Deutschland ein schönes Plätzchen für seine neue Autofabrik zu finden – obwohl sein Unternehmen bisher noch gar keine Autos baut. Geschweige denn welche verkauft. Hao, geboren 1987, ist der Gründer und CEO des Staubsaugerherstellers Dreame, dessen Staubsauger und Mähroboter in Deutschland schon länger in jedem MediaMarkt oder Saturn zu kaufen sind. Aber Autos, wie kommt er jetzt darauf?
Tatsächlich hat das Unternehmen aus Suzhou, einer Stadt in der Provinz Jiangsu im Osten Chinas, erst im August verkündet, in die Autoproduktion einsteigen zu wollen. Für chinesische Verhältnisse ist es nichts Ungewöhnliches, wenn ein Hersteller für Haushaltsgeräte, zumal in diesen viel Software steckt, nun auch Autos bauen will. Neue Fahrzeugfirmen sind Dutzende in den vergangenen Jahren dort entstanden. Nur warum ausgerechnet will man damit zuerst in Deutschland anfangen, das doch gerade so sehr unter der Krise seiner Automobilindustrie leidet? Es wäre zudem die erste chinesische Autofabrik in Deutschland überhaupt.
Für Yu Hao und seine Leute scheint das kein größeres Hindernis zu sein. „Am Nachmittag des 9. September“, sagte ein Sprecher des Unternehmens der ZEIT, „führte Dreame umfassende Gespräche mit den zuständigen Behörden in Berlin über lokale Investitionsmöglichkeiten.“ Erwogen werde ein Standort in Brandenburg, ganz in der Nähe der Tesla-Fabrik, die auch erst vor wenigen Jahren dort gebaut wurde. Produzieren will man ein „ultra-luxuriöses und vollelektrisches Fahrzeug“, das Dreame erst im Jahr 2027 der Öffentlichkeit vorstellen wolle.
„Ausgereifte, lokal verankerte Lieferkette“
In Brandenburg will das Unternehmen „die ausgereifte, lokal verankerte Lieferkette dieser Region für zentrale Automobilkomponenten nutzen, den Entwicklungszyklus deutlich verkürzen und die Logistikkosten senken“. Dreame habe in China bereits ein Team von nahezu 1.000 Beschäftigten für das Projekt zusammengestellt und erweitere dieses fortlaufend. Es handele sich um Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung, die Erfahrung hätten in der Automobilfertigung und im Geschäft mit digitalen Hardwareprodukten.
Sicher ist inzwischen auch, dass das Dreame-Team in Deutschland mit hochrangigen Politikern über sein Fabrikprojekt gesprochen hat. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte am Dienstagabend nach einer Kabinettssitzung seiner Landesregierung: „Es gibt Gespräche.“ Weiter allerdings wollte er sich dazu nicht äußern.
Über welche Fläche für die Fabrik gesprochen wird, ist unklar. In Medienberichten wird Grünheide genannt – also dort, wo seit März 2022 auch Tesla produziert. Doch Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) dementiert gegenüber der ZEIT: Er wisse von nichts. Und es gebe ohnehin aktuell keine Fläche im Industriegebiet Freienbrink, die dafür infrage käme.
Auch eine Fläche bei Fürstenwalde an der Spree im Südosten Brandenburgs kursiert als möglicher Standort. Östlich der Stadt soll ein 240 Hektar großes Industriegebiet ausgewiesen werden (bei Tesla waren es zu Beginn 300 Hektar). Darauf haben sich die Stadtverordnetenversammlung von Fürstenwalde und die Gemeindevertretung im Februar geeinigt, in deren Gebiet die Fläche liegt. Der Bürgermeister von Fürstenwalde hofft auf eine Industrieansiedlung, eine lokale Bürgerinitiative protestiert bereits dagegen. Auf Nachfrage der ZEIT gibt die Stadt jedoch an, nichts von einer Ansiedlung von Dreame zu wissen. Und bis auf der Fläche wirklich gebaut werden dürfe, würden ohnehin noch rund zweieinhalb Jahre vergehen, teilt die Stadt mit.
Es wäre aber nicht ungewöhnlich, dass eine solche Unternehmensansiedlung bis zum Schluss geheim gehalten wird. Die Verhandlungen darüber laufen auf der Spitzenebene in der Politik. Von den Gesprächen zwischen Tesla und Brandenburg erfuhr die Öffentlichkeit erst, als die Entscheidung bereits gefallen war.