Ki-generierte Illustration.
Ein Mockup im Allgäu, gefeiert wie ein iPhone-Launch. CA-1 Europa verspricht Tempo, Stealth und KI-Pilot. Doch hält sie mehr als große Worte? Einschätzung.
Die Szene erinnerte mehr an eine Tech-Konferenz im Silicon Valley als an eine deutsche Rüstungspräsentation. Am 25. September 2025 verwandelte sich das Grob-Aircraft-Werksgelände in Tussenhausen-Mattsies in eine futuristische Bühne.
Zwei große Bildschirme zeigten zunächst ein Lichtstakkato-trächtiges Video, bevor sie sich dramatisch zur Seite bewegten und den Blick auf das freilegten, was das deutsche KI-Rüstungsunternehmen Helsing als seine Vision der Kriegsführung der Zukunft präsentiert: die CA-1 Europa.
Das maßstabsgetreue Mockup der unbemannten Kampfdrohne strahlte in einem gleißenden Weiß, das Publikum war dagegen in mysteriöses Blau getaucht. Für ein deutsches Rüstungsunternehmen war diese theatralische Inszenierung ungewöhnlich.
Wolfgang Gammel, Geschäftsführer von Grob Aircraft und Helsing Deutschland, betonte bei der Präsentation, dass dieses lebensgroße Mockup in weniger als 14 Wochen von der Konzeption bis zur Fertigstellung entstanden sei.
Das ist eine Geschwindigkeit, die selbst für Mockups außergewöhnlich ist, wie Flugrevue berichtet.
Technische Daten und Konzept der CA-1
Die CA-1 Europa ist ein kompaktes System mit rund elf Metern Länge, zehn Metern Spannweite und einem maximalen Startgewicht von vier Tonnen. Das Design folgt klassischen Stealth-Prinzipien mit internen Waffenschächten, versenkbarem Fahrwerk, geknickten Tragflächen und V-Leitwerk, wie Flugrevue berichtet.
Der Antrieb erfolgt über ein einzelnes Strahltriebwerk, das laut Hartpunkt Geschwindigkeiten knapp unter der Schallgrenze ermöglichen soll. Welches Triebwerk konkret zum Einsatz kommt, ist noch offen. Stephanie Lingemann bestätigte gegenüber FlightGlobal lediglich, dass bereits eine Auswahl getroffen wurde.
Der modulare Aufbau der CA-1 soll Aufklärung, elektronische Kampfführung sowie Luft-Luft- und Luft-Boden-Missionen ermöglichen. Die Nutzlastkapazität schätzt Hartpunkt auf etwa 500 Kilogramm. Das Herzstück der Drohne ist der KI-Pilot „Centaur“, der laut The Aviationist schon in Testflügen mit einem Saab Gripen E erprobt wurde.
Der Erstflug ist für 2027 vorgesehen, die Einsatzbereitschaft soll laut FlightGlobal bis 2029 erreicht werden.
Kontrast zu traditionellen Programmen: FCAS
Während Helsing seine CA-1 in nur 14 Wochen vom Konzept zum Mockup entwickelte, steckt Europas prestigeträchtigstes Rüstungsprojekt fest.
Das Future Combat Air System (FCAS), ein 100-Milliarden-Euro-Programm für einen Kampfjet der sechsten Generation, droht an Rivalitäten und nationalen Egoismen zu scheitern, wie das indische Fachportal Aviation A2Z berichtet. Frankreichs Dassault fordert fast 80 Prozent des Arbeitsanteils, Deutschland und Airbus lehnen dies ab.
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Während die FCAS-Verhandlungen seit Jahren stocken und erst Ende 2025 eine Entscheidung erwartet wird, plant Helsing den Erstflug der CA-1 bereits für 2027. Das bemannte FCAS soll zwar Geschwindigkeiten über Mach 2,5 und Reichweiten von 3.500–4.000 Kilometern erreichen, doch zu mutmaßlichen Stückkosten von mehreren Hundert Millionen Euro.
Die CA-1 hingegen soll nach Aussage von Mitgründer Torsten Reil nur „einen Bruchteil“ kosten und dabei spezialisierte Aufgaben ebenso effektiv erfüllen.
Eine neue Waffenkategorie: Der wiederverwendbare Marschflugkörper
Die Grenzen zwischen Drohne und Marschflugkörper verschwimmen, wie der Ukraine-Krieg zeigt. Heute lassen sich zum Preis eines Mittelkassewagens Marschflugkörper mit 500 Kilometer Reichweite aus handelsüblichen Komponenten bauen – Systeme, die früher Millionen kosteten.
Die CA-1 könnte eine neue Kategorie darstellen: den wiederverwendbaren Marschflugkörper. Sie vereint klassische Marschflugkörper-Eigenschaften mit der Rückkehrfähigkeit einer Drohne. Wie traditionelle Marschflugkörper ist sie für Tiefflug optimiert, verfügt über Stealth-Eigenschaften und soll Ziele tief im feindlichen Hinterland angreifen. Der entscheidende Unterschied: Nach dem Einsatz kehrt sie zur Basis zurück.
Der Größenvergleich ist aufschlussreich. Die ukrainische Flamingo wiegt sechs Tonnen, trägt einen 1.000 Kilogramm schweren Sprengkopf über 3.000 Kilometer Reichweite, wie Interesting Engineering berichtet – ist aber ein Einwegsystem. Die CA-1 ist mit vier Tonnen leichter, trägt wiederverwendbare Effektoren statt eines Sprengkopfs und kann multiple Missionen fliegen.
Diese Wiederverwendbarkeit bedeutet erhebliche Kostenvorteile. Während Einweg-Marschflugkörper nach jedem Einsatz verloren sind, kann eine CA-1 dutzende Male eingesetzt werden.
Bei geschätzten 500 Kilogramm Nutzlast könnte sie verschiedene Waffen oder Sensoren transportieren – von Präzisionsmunition bis hin zu elektronischen Kampfmitteln.
Helsing – zwischen Innovation und Vaporware-Verdacht
Helsing präsentiert sich als europäisches Erfolgsmärchen: 2021 gegründet, über 1,3 Milliarden Euro eingesammelt und eine Bewertung von 12 Milliarden Dollar erreicht, wie Reuters berichtet. Doch die operationellen Erfolge bleiben unklar.
Die Ukraine gilt als Testlabor: Nach Angaben von Ukrinform wurden 1.950 HF-1 von 4.000 bestellten Drohnen geliefert. Die HX-2 soll mit 450 Stück pro Monat produziert werden, ausbaubar auf 1.000.
Im Februar kündigte Helsing 6.000 für die Ukraine an. Auf Nachfrage wich Mitgründer Gundbert Scherf aus: Das System werde getestet und „in sehr naher Zukunft“ eingeführt.
Auffällig ist der Mangel an verifizierbaren Einsatzbelegen. Während von anderen ukrainischen Drohnen hunderte Videos kursieren, existieren von Helsings Systemen nur wenige fragliche Aufnahmen. Eine Recherche ergab vier YouTube-Clips zweifelhafter Authentizität und einen Telegram-Post.
Für ein angeblich fast 2.000-fach geliefertes System ist das auffallend wenig. Reuters fasst zusammen: „Analysten sagen, das Unternehmen habe noch keine signifikanten Einsätze im Feld demonstriert.“
Helsing verweist auf laufende „interne Tests“ und bittet um Geduld. Doch nach über einem Jahr Lieferungen wirkt diese Erklärung dünn.
Die Übernahme von Grob Aircraft im Juli könnte ein Versuch sein, Glaubwürdigkeit durch etablierte Luftfahrtkompetenz zu gewinnen. Doch wie International Institute for Strategic Studies-Experte Douglas Barrie gegenüber Reuters anmerkt, ist der Sprung von Grobs leichten Trainingsflugzeugen zu komplexen autonomen Kampfsystemen erheblich.
Die theatralische CA-1-Präsentation wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Ablenkungsmanöver von den nicht erfüllten Ukraine-Versprechen – ein Mockup statt operationeller Beweise.
Fazit: Das Ende bemannter Kampfflugzeuge?
Die CA-1 Europa könnte mehr sein als nur eine weitere Drohne – sie könnte ein Vorbote für das Ende einer ganzen Ära der Kriegsführung darstellen. Während Europa noch 100 Milliarden Euro in das bemannte FCAS-System investieren will, zeigt der Ukraine-Krieg täglich, dass kostengünstige, unbemannte Systeme die Schlachtfelder dominieren.
Die CA-1 verkörpert einen fundamentalen Paradigmenwechsel: die Zergliederung komplexer bemannter Waffensysteme in spezialisierte, kostengünstige Subsysteme. Statt eines 200-Millionen-Euro-Kampfjets, der alles können muss – Luftkampf, Bodenziele bekämpfen, aufklären, elektronische Kampfführung – entstehen dutzende spezialisierte Drohnen für jeweils spezifische Aufgaben.
Eine CA-1 für Tiefschläge, Aufklärungsdrohnen für Aufklärung, kleinere elektronische Kampfdrohnen für Störmaßnahmen.
Ein bemanntes Kampfflugzeug bindet nicht nur hunderte Millionen Euro Kapital, sondern auch jahrelang ausgebildete Piloten, deren Verlust unersetzlich ist. Drohnen dagegen sind, wie Helsing-Mitgründer Torsten Reil betont, „entbehrlich“. Verluste können schnell kompensiert werden, während ein abgeschossener F-35 oder FCAS-Jet einen irreparablen Schaden bedeutet.
Die Ukraine demonstriert bereits heute diese neue Realität. Russlands Schwarzmeerflotte wurde ohne eigene Marine dezimiert – durch kostengünstige Schwärme von Marinedrohnen.
Was dort im Kleinen geschieht, deutet auf eine globale Transformation hin: Wer weiterhin auf teure bemannte Alleskönner setzt, wird von Gegnern mit kostengünstigen Spezialsystemen überwältigt werden.