Dass ZF den Mann an der Spitze während der Automesse IAA ausgetauscht hat, hat in der Branche für Verwunderung und Spott gesorgt. Niemand kann sich erinnern, dass sowas bei einem der großen Zulieferer schon mal passiert ist. Doch offensichtlich war das kein Zufall, wie Recherchen und Veröffentlichungen verschiedener Medien deutlich machen.

Oberbürgermeister ist im Zwiespalt

Vor allem das „Handelsblatt“ hat nach eigenen Angaben mit Aufsichtsräten und anderen Menschen aus dem Umfeld von ZF gesprochen, um zu erklären, wie es zu dem Schritt gekommen ist und was die Verantwortlichen damit bezwecken.

Demnach hat der Wechsel an der Spitze von ZF eine längere Vorgeschichte. Bekanntlich gehört das Unternehmen der Zeppelin-Stiftung, deren Chef Friedrichshafens Oberbürgermeister Simon Blümcke ist.

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Als OB in Friedrichshafen ist Simon Blümcke Chef der Zeppelin-Stiftung und auch der starke Mann bei ZF. (Foto: lix/dpa (Archiv))

ZF spielt deshalb eine ganz besondere Rolle: Einerseits arbeiten dort viele Häfler, die einen sicheren Arbeitsplatz wollen und die das sicher auch bedenken, wenn sie bei den Wahlen ihr Kreuz machen.

Andererseits ist die Stadt darauf angewiesen, dass ZF möglichst erfolgreich arbeitet, um hohe Dividenden an die Stiftung zu zahlen, die damit nicht nur Zeppelin-Museum und Ähnliches finanziert, sondern beispielsweise auch sämtliche Kitas der Stadt.

Jahr für Jahr stehen auf der Ausgabenseite der Stiftung deutlich mehr als hundert Millionen Euro. Geld, das erst einmal reinkommen muss. Da ist es erheblich, wenn ZF und die anderen Stiftungsbetriebe in diesem Jahr nur noch 67,3 Millionen Euro überweisen, während es im Spitzenjahr 2018 mehr als 192 Millionen Euro waren. Friedrichshafen muss deshalb Gebühren für Kitas, Parkplätze und anderes anheben und darüber nachdenken, ob und welche Leistungen man streichen muss. Auch davon sind Wähler betroffen, die sich nach den Zeiten hoher Dividenden sehnen, damit der eigene Geldbeutel verschont bleibt.

OB hat Verantwortliche ausgetauscht

In diesem Zwiespalt hat OB Blümcke laut „Handelsblatt“ erkannt, dass er handelnde Personen austauschen muss. Im Frühjahr habe er deshalb den Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt, weil Ex Heinrich Hiesinger zu lange zugeschaut habe, als der Vorstand den Niedergang des Unternehmens managte.

Dazu zählen Fachleute die Firmenkäufe von TRW und Wabco für viele Milliarden Euro. Bei niedrigen Zinsen und einer boomenden Autokonjunktur sei zunächst alles gut gegangen. Doch dann wurde Klimaschutz immer wichtiger, hinzu kamen Pandemie und später der Ukrainekrieg, sodass der Boom verebbte und die Schulden stiegen.

Allein für Zinszahlungen muss ZF inzwischen 600 bis 700 Millionen Euro im Jahr aufbringen. Erst danach sind Investitionen möglich, von Gewinnen, die als Dividenden an die Stiftung fließen können, gar nicht zu reden.

Hohe Zinsen und Managementfehler senken Erträge

Dabei könnte ZF die hohen Schulden vielleicht noch schultern, nicht aber, wenn Managementfehler hinzukommen. So hat der Vorstand mit einem Auftragsvolumen von 30 Milliarden Euro geprahlt, dabei aber laut „Handelsblatt“ verschwiegen, dass man sich bei den Kosten, beim Hochlauf der Produktion und beim Einkauf mangelhafter Komponenten verkalkuliert habe. So stellten sich die Milliardenaufträge als defizitär heraus. ZF verdient daran nicht, sondern zahlt drauf.

Vor einem Jahr bereits habe deshalb der zuständige Vorstand Stephan von Schuckmann ZF verlassen müssen. Der Konzern prüft laut „Handelsblatt“, ob man die Verantwortlichen noch irgendwie zur Rechenschaft ziehen kann.

Rolf Breidenbach ist seitdem Frühjahr Aufsichtsratsvorsitzender bei ZF.Bild vergrößern

Rolf Breidenbach ist seitdem Frühjahr Aufsichtsratsvorsitzender bei ZF. (Foto: ZF (Archiv))

ZF soll wieder in die Erfolgsspur

Seit März ist nun der frühere Chef des Autozulieferers Hella, Rolf Breidenbach, Chef des ZF-Aufsichtsrats. Mit Blümcke habe der dem Vorstand klargemacht, dass ZF wieder zurück in die Erfolgsspur muss. Ende Juli sollte CEO Holger Klein seine Strategie und das Sanierungsprogramm präsentieren.

Zuvor legten sich die Arbeitnehmervertreter quer. Es kam in Friedrichshafen, aber auch an allen anderen Standorten von ZF in Deutschland zu Protesten. Der Aufsichtsrat zwang daraufhin Vorstand und Betriebsrat an einen Tisch, um gemeinsam über den richtigen Weg bei der für ZF wichtigen Division E nachzudenken.

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Laut „Handelsblatt“ kamen Blümcke und Breidenbach spätestens da zur Erkenntnis, dass Klein durchsetzungsschwach sei und die Sanierung nicht bis zum Ende durchziehen könne. Außerdem habe Klein so viele Beteiligte vergrätzt, dass ihm kaum jemand mehr vertraut habe.

Nutzfahrzeugchef Peter Laier sei zwar ein guter Manager und beliebt bei der Belegschaft gewesen. Er habe aber zu sehr darauf geschielt, selbst CEO zu werden. Deshalb habe auch er gehen müssen. Dabei waren laut „Handelsblatt“ auch die Arbeitnehmervertreter uneinig, denn IG-Metall-Vertreterin Barbara Resch habe, anders als die Betriebsräte, gegen Laier gestimmt.

Der neue CEO gilt als kommunikationsstark

Letztlich habe man nun bei ZF um Vorstandschef Mathias Miedreich erstmals seit Langem wieder ein Team an der Spitze, heiße es nun aus dem Konzern. Dabei ist die Aufgabe nicht einfacher geworden. ZF muss schnell Kosten sparen. Denn das Unternehmen hat zwar am Wochenende eine neue Anleihe über 1,5 Milliarden Euro erhalten, muss dafür aber deutlich höhere Zinsen zahlen als zuletzt. Die Belastung steigt also weiter. Ähnliches gilt für eine Anleihe, die im Februar fällig wird.

Der neue CEO Mathias Miedreich gilt als kommunikationsstark.Bild vergrößern

Der neue CEO Mathias Miedreich gilt als kommunikationsstark. (Foto: Felix Kästle (Archiv))

Miedreich gilt als kommunikationsstark, er nehme die Leute mit. Das wird der Neue brauchen, denn in ersten Interviews kündigte er schon an, dass die Sparziele eher noch höher sind als zu Beginn des Sommers angenommen.

Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen

Da wundert es nicht, dass Miedreich in einem Gespräch mit der FAZ ein Ausgliedern der Antriebssparte in Teilen oder in Gänze nicht ausschließt – genau dieses Thema hatte im Juli die Mitarbeiter auf die Straßen getrieben. Bis Ende September verhandelt das Management mit dem Betriebsrat über Kostensenkungen und Personalabbau in der Division E.

„Es gibt kein Szenario, in dem ein weißer Ritter auf einem Pferd geritten kommt und uns da herausholt“, sagte Miedrich im Interview mit der „Wirtschaftswoche“. Vielmehr müsse ZF das selbst schaffen. Allerdings könnte ein Partner dabei laut Miedreich sehr wohl helfen, wenn ZF allein nicht die nötigen Einsparungen erreicht. Und der neue Chef fügte hinzu: „Zum jetzigen Zeitpunkt aber kann ich betriebsbedingte Kündigungen nicht komplett ausschließen.“

ZF baut in Koblenz 450 Stellen ab

So wurde in den vergangenen Tagen auch bekannt, dass ZF im Werk Koblenz weitere 450 von 2100 Arbeitsplätzen streichen will. Der Stellenabbau sei vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung sowie in der Verwaltung geplant. Für die Hälfte der Betroffenen gibt es laut ZF bereits sozialverträgliche Lösungen. Ein guter Teil der Stellen soll bereits im kommenden Jahr wegfallen, die anderen bis zum Jahr 2030.

Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall zeigen sich gesprächsbereit, wenn das infolge der Autokrise unumgänglich sei. Widerstand werde es aber geben, wenn diese Arbeitsplätze nach China oder Indien verlagert würden.