Stand: 27.09.2025 21:34 Uhr

Unter dem Motto „All Eyes on Gaza“ haben in Berlin Zehntausende Menschen gegen den Krieg im Gazastreifen demonstriert. In der Stadt kommt es zu Verkehrsbehinderungen, die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz.

  • Größte Demonstration zum Gaza-Konflikt in Deutschland in Berlin
  • Weitere Demo mit rund 1.500 Teilnehmern in Kreuzberg nach Straftaten aufgelöst
  • Rund 100 pro-Israelische Demonstranten am Lustgarten
  • Polizei mit 1.800 Beamten im Stadtgebiet unterwegs

Rund zwei Jahre nach Beginn des Gaza-Kriegs haben sich in Berlins Mitte so viele Menschen wie noch nie in Deutschland an Protesten gegen das israelische Vorgehen beteiligt. Die Veranstalter sprachen von mehr als 100.000 Menschen – die Polizei schätzte die Zahl auf etwa 60.000. Beides übertrifft die bis dahin größte deutsche Gaza-Demonstration mit 50.000 Menschen im Sommer in Berlin.
 
Eine Polizeisprecherin sprach von einem „mehrheitlich sehr friedlichen Verlauf“. Es habe am Rande etwa 30 „Freiheitsbeschränkungen“ gegeben, davon 20 wegen einer Sachbeschädigung vor der Demonstration. Aktivisten hatten Sprüche auf die Straße gemalt. Die Polizei hatte nach eigenen Angaben im ganzen Berliner Stadtgebiet etwa 1.800 Beamte im Einsatz.

Archivbild: More than 10,000 demonstrators gathered in Berlin on Saturday, June 21, 2025, to protest Israels military operations in Gaza and Germanys continued arms exports to the Israeli government. (Quelle: dpa/Sipa)

„Es geht nicht mehr darum, die deutsche Mehrheitsgesellschaft mitzunehmen“

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Aufruf von Dutzenden Organisationen

Am Nachmittag waren Zehntausende vom Roten Rathaus in Berlin-Mitte zu einer Kundgebung an der Siegessäule im Tiergarten gezogen. Die Demonstranten forderten unter anderem den sofortigen Stopp deutscher Waffenexporte an Israel, Zugang für humanitäre Hilfe nach Gaza sowie EU-Sanktionen gegen Israel.
 
Zu der Demonstration hatte ein Bündnis von etwa 50 Gruppen aufgerufen, darunter propalästinensische Gruppen, Medico International, Amnesty International und die Partei Die Linke. Im Demo-Aufruf wurde die Bundesregierung zu einer Kursumkehr in der Nahost-Politik aufgefordert. Die Bundesregierung „muss jetzt endlich handeln und den Druck auf die israelische Regierung erhöhen“, hieß es in dem Aufruf.
 
Im Aufruf zur Demonstration hieß es: „Wir verurteilen alle Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, unabhängig davon, ob sie von israelischen oder palästinensischen Akteur:innen begangen werden.“ Wegen der Tötungen und Zerstörungen in Gaza richte sich die „Hauptkritik aber an die israelische Regierung und ihre Unterstützer:innen.“ Gefordert wird unter anderem ein Stopp aller deutschen Waffenlieferungen.

Auf dem Demonstrationszug zur Siegessäule wurden in Sprechchören „Free, free Palestine“ und „Hoch die internationale Solidarität“ skandiert. Auf Plakaten waren Forderungen wie „Gaza – Stoppt das Massaker“, „Nie wieder für alle“ und „Freiheit für Palästina“ zu sehen.
 
An der Siegessäule angekommen, fand am Abend eine Solidaritätskundgebung unter dem Titel „All Eyes on Gaza – Stoppt den Genozid“ statt. Neben politischen Redebeiträgen gab es auch Musikbeiträge.

Demonstranten mit Israel-Flagge demonstrieren am Rand der pro-palästinensischen Demo am Humboldt-Forum

Linken-Chefin Schwerdtner: Beeindruckendes Zeichen

Linken-Chefin Ines Schwerdtner erklärte am Abend: „Was wir heute erlebt haben, ist beeindruckend: Mehr als 100.000 Bürgerinnen und Bürger sind nach Berlin gekommen, um Solidarität mit Palästina zu zeigen – und zwar friedlich und kraftvoll.“
 
Zum Auftakt hatte Schwerdtner bereits am Nachmittag eine kurze Rede gehalten. Sie sprach von einem Völkermord in Gaza und von einer Mitschuld der Bundesregierung. Die Kritik richte sich gegen die israelische Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. „Aber unsere Solidarität gilt den Menschen – in Palästina wie in Israel, die sich gegen die extrem rechte Regierung stellen“, sagte die Linken-Vorsitzende.

Auch der Mitorganisator der Kundgebung, Michael Barenboim, sprach im rbb24 Inforadio am Samstagvormittag von einem „Völkermord“, der sich in Gaza ereigne. Auch er stelle sich die Frage, ob Deutschland sich mitschuldig mache, sagte Barenboim, Konzertmeister des von seinem Vater Daniel Barenboim gegründeten West-Eastern-Divan Orchestra. „Völkermord verhindern und bestrafen, ist die Pflicht von uns allen.“

Symbolbild:Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift:"Existenzrecht für Palästina" bei einer Demo in der Hand.(Quelle:picture alliance/IPON/S.Boness)

Zehntausende zu Gaza-Demo am Samstag in Berlin erwartet

Unter dem Motto „All Eyes on Gaza“ wird am Samstag am Großen Stern in Berlin gegen den Krieg im Gaza-Streifen demonstriert. Die Veranstalter erwarten mehr als 50.000 Teilnehmer. Bereits ab Freitag werden in Mitte Straßen gesperrt.mehr

Weitere Gaza-Demo in Kreuzberg aufgelöst

Anders sah es bei einer kleineren Gaza-Demo mit etwa 1.500 Menschen in Berlin-Kreuzberg aus, die unabhängig von der Großveranstaltung in der Innenstadt lief. Sie wurde nach Angaben der Polizei wegen Straftaten aufgelöst. Es seien „verbotene Ausrufe und Zeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen festgestellt worden“, teilte die Polizei mit. Auch seien Journalisten behindert worden.
 
Da die Versammlungsleitung und ihre Ordner keinen Einfluss auf die Teilnehmer gehabt hätten, habe die Polizei die Versammlung aufgelöst und die Menschen aufgefordert, den Ort zu verlassen. Einige seien dem nicht nachgekommen.
 
Knapp 40 Teilnehmer wurden deshalb zeitweise von der Polizei festgehalten. Dabei sei es zu einem medizinischen Notfall bei einer Person gekommen, ergänzte die Polizei in sozialen Netzwerken. Auch seien sieben Beamte verletzt worden, die nach gezündeten Böllern aus dem Demozug heraus über Knalltraumata klagten, so eine Polizeisprecherin.
 
Am Berliner Lustgarten gab es am Nachmittag eine weitere Demonstration unter dem Titel „Antifaschistischer Protest gegen jeden Antisemitismus“. rbb-Reporter schätzten die Zahl der Teilnehmenden am Nachmittag auf rund 100 Menschen. Beim Aufeinandertreffen von Demonstranten dieser Veranstaltung und dem pro-palästinensischen Demozug zum Großen Stern sei es vereinzelt Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei gekommen, hieß es.

Israelische Regierung weist Kritik zurück

Die israelische Regierung weist den Vorwurf des Völkermords strikt zurück. Auslöser des Gazakriegs war der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Die israelische Regierung reagierte mit großflächigen Bombardements und einer Bodenoffensive. Tausende Menschen wurden getötet.
 
Internationale Organisationen und die Vereinten Nationen haben für Teile des Gazastreifens eine Hungersnot erklärt und immer wieder direkt Israels Abriegelung des Gebiets für den Mangel an Nahrung verantwortlich gemacht. Israels Regierung sagt dagegen, es würden ausreichend Lebensmittel in den Gazastreifen gebracht und wirft der Hamas vor, humanitäre Hilfe abzugreifen.

Start der pro-palästinensischen Demo am Roten Rathaus

Sendung: rbb24 Abendschau, 27.09.2025, 19:30 Uhr

Rundfunk Berlin-Brandenburg