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US-Präsident Donald Trump entwickelt seine Zoll-Agenda weiter – und legt den Fokus auf eine lukrative Branche. US-Branchenverbände sind alarmiert.
Washington – Donald Trump erweitert seine radikale Zollstrategie: Der US-Präsident hat eine Untersuchung zu Importzöllen auf Robotik, Industriemaschinen sowie medizinische Schutzausrüstung, Verbrauchsgüter und Geräte in Auftrag gegeben. Dabei stützt er sich auf die Section 232 des Trade Expansion Act von 1962. Das Handelsministerium hat nun bis zu 270 Tage Zeit, um zu analysieren, wie stark die USA bei diesen Produkten von Importen abhängig sind und ob dies die „nationale Sicherheit“ gefährdet. Die Untersuchung begann offiziell am 2. September 2025, nachdem die US-Regierung am gestrigen Mittwoch eine Vorab-Bekanntmachung herausgegeben hatte. Arzneimittel und pharmazeutische Wirkstoffe sind von dieser Prüfung zunächst ausgenommen, jedoch läuft hier bereits eine separate Untersuchung.
Neue Zölle in Planung: Trump nimmt Medizinprodukte und -technik ins Visier der nationalen Sicherheit
Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Bedürfnisse und Abhängigkeiten der US-Industrie. Das Handelsministerium untersucht, wie groß die Nachfrage nach medizinischen Verbrauchsgütern und medizintechnischen Geräten in den kommenden Jahren sein wird und ob die heimische Industrie diesen Bedarf zuverlässig decken kann. Dabei werden die Lieferketten detailliert betrachtet: Welche Länder sind die Hauptlieferanten? Wo ist die Versorgung zu stark auf wenige Exportländer konzentriert? Und wie leicht könnten Importe als politisches Druckmittel genutzt werden?
Donald Trump nimmt nach Zöllen auf Autos, Stahl, Aluminium sowie Kupfer nun auch Medizinprodukte und –technik ins Visier. ©
IMAGO / Sven Simon
Zusätzlich werden staatliche Subventionen im Ausland, Dumping-Preise durch Überkapazitäten und die Frage, wie schnell US-Hersteller ihre Produktion steigern könnten, untersucht. Im Fokus stehen Produkte wie OP-Masken, Handschuhe, Spritzen, Infusionspumpen, Katheter, Krankenhausbetten, Beatmungsgeräte, Herzschrittmacher und Insulinpumpen. Sollten sich hier Muster von Abhängigkeiten oder Engpässen zeigen, könnte der Präsident durch eine Proklamation Importanpassungen wie Zölle oder Quoten anordnen und einen Stichtag festlegen. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht neu.
Ähnliches Vorgehen bei Zöllen auf Autos, Stahl und Aluminium sowie Kupfer – Trump-Regierung bleibt hart
Bereits die zweite Welle von Zöllen wird von der US-Regierung auf Grundlage der Section 232 geprüft. In der ersten Jahreshälfte 2025 hatte Trump globale Zölle auf verschiedene Produktgruppen eingeführt: Stahl- und Aluminiumimporte wurden mit 50 Prozent belegt, Automobile und bestimmte Autoteile mit bis zu 25 Prozent und seit August Kupfer mit bis zu 50 Prozent.
Diese Maßnahmen bilden den Hintergrund für die aktuelle Prüfung von Robotik, Industriemaschinen sowie medizinischer Schutzausrüstung, Verbrauchsgütern und Geräten.
Trump länderübergreifende Zölle scheiterten vor dem Handelsgericht – nun entscheidet der Supreme Court
Trumps umfassende Zölle nach dem Notstandsgesetz IEEPA wurden bereits von zwei Instanzen überprüft: Das Handelsgericht (CIT) und das Berufungsgericht (Federal Circuit) erklärten die Zölle für rechtswidrig. Der Supreme Court wird den Fall am 5. November 2025 verhandeln. Die rechtliche Unsicherheit ergibt sich daraus, dass IEEPA ursprünglich für Sanktions- und Finanzmaßnahmen im Notfall gedacht ist und als Grundlage für flächendeckende „reziproke“ Zölle juristisch fragwürdig ist. Die angefochtenen Pakete umfassten länderübergreifende Zölle mit Ausnahmen und Übergangsregelungen.
In den bisherigen Verfahren wurden insbesondere China, teilweise auch Mexiko und Kanada als Streitpunkte genannt. Die Gerichte bezweifelten unter anderem Trumps Vorwürfe, dass diese Länder zu wenig gegen Fentanyl-Schmuggel und illegale Migration vorgegangen sind.
Gerichte haben bei Section-232-Zöllen wenig Einspruchsspielraum – und prüfen wohl nur Formalien
Als stabiler gelten die Zölle nach Section 232 des Trade Expansion Act. Seit dem Supreme-Court-Urteil „Algonquin“ von 1976 akzeptieren die Gerichte das Verfahren grundsätzlich. Zuerst prüft das US-Handelsministerium in einem geordneten Prozess, dann entscheidet der Präsident per Proklamation. Die richterliche Kontrolle konzentriert sich hauptsächlich darauf, ob die Formalitäten korrekt eingehalten wurden – also ob Zuständigkeiten, Fristen und der Prüfbericht von den Regierungsinstanzen beachtet wurden. Die inhaltliche Bewertung, ob Importe die „nationale Sicherheit“ gefährden, wird von den Gerichten kaum angefochten, da der Ermessensspielraum hier zu groß ist.
Daher gilt das Inkrafttreten der Zölle als wahrscheinlich, sofern das Handelsministerium eine entsprechende Empfehlung an Trump ausspricht. Er erhofft sich dadurch eine geringere Abhängigkeit bei sensiblen Lieferketten und eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Importländern.
Trumps Deal mit Europa bestärkt US-Regierung im Vorgehen – Zoll-Hürden sind gering
Mit der EU senkte Washington den 232-Zoll auf Autos und Verbundsteile aus Europa auf 15 Prozent. Im Gegenzug öffnete Brüssel gezielt seinen Markt für bestimmte US-Waren, darunter Flugzeuge und -teile, ausgewählte Generika und Vorprodukte, Kork sowie bestimmte mechanische und elektronische Industriekomponenten.
Nach Abschluss der Prüfung durch das US-Handelsministerium kann der Präsident Maßnahmen per Proklamation sehr zeitnah umsetzen – in früheren 232-Fällen lag der Stichtag oft schon am nächsten Kalendertag um kurz nach Mitternacht.
Kritik von Medizin- und Klinikverbänden an Trumps Zöllen – höhere Kosten könnten Patienten belasten
Im US-Gesundheitssektor stoßen die potenziellen Zölle auf Kritik. Bereits im April warnte der US-Medizintechnikverband AdvaMed, dass umfassende Zölle wie eine zusätzliche Steuer wirken könnten und letztlich die Kosten für Patienten erhöhen würden. Zudem beeinträchtige der Kostenschub die Innovationsbemühungen der Branche. Die American Hospital Association (AHA) sieht sogar die Versorgung gefährdet, sollten Zölle die Importe von Materialien und Medizintechnik einschränken.