„Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten“: Im Ranking der langen Buchtitel ist der Debütroman von Anna Maschik schon mal sehr weit oben. Aber auch aus anderen Gründen ist diese eigenwillige Familienerzählung weit vorne.

Von Zita Bereuter

„Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten“, weiß die Urgroßmutter Henrike, die „ruhig und gekonnt“ ein Schaf schlachtet. Mit einer detaillierten Schilderung davon beginnt dieser Roman, der eine Familiengeschichte über mehrere Generationen zusammenfügt. In der zweiten Szene erzählt Anna: „Wir betreten die Geschichte durch die Innereien eines Schafes und wie auch ich die Welt betreten habe durch einen Schnitt im Unterleib.“ Die Namensgleichheit mit der Autorin Anna Maschik ist Absicht, wie sie in einem Interview im hinteren Buchteil erklärt. Sie wollte der Frage nachgehen, „auf welche Weise die Leben jener, die vor uns kamen, unser eigenes formen. Und wie kommt es dazu, dass jede Generation, obwohl sie versucht, die Dinge anders zu machen als die Eltern und Großeltern, doch immer wieder zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt?“

Was mir die Großmutter nicht über den Krieg erzählt: Alles.

Buchcover mit in Scheiben geschnittener Zitrone

Luchterhand | Radio FM4

„Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten“ von Anna Maschik ist im Verlag Luchterhand erschienen. Der Roman ist für den Debütpreis beim Österreichischen Buchpreis nominiert. Hier gibt es eine Leseprobe.

Manche Dinge wiederholen sich in dieser Familie. So sind es die Väter, denen viel an der Ausbildung der Töchter liegt. Es sind die Mütter, die diese überflüssig finden. Generell bestimmen die Frauen, sie sind es, die den Erzählfluss vorgeben.

Beginnend mit der Urgroßmutter, die sich in Norddeutschland selbstständig durch die karge Zeit des Ersten Weltkrieges schlagen muss. Die später zwei Kinder gebärt, aber sich weniger um die Tochter Hilde als viel mehr um ihren Sohn Benedikt kümmert. Beeindruckend dargestellt auf einer Doppelseite. Links liest man „Was Henrike an Benedikts Bettchen singt: ‚Dat du min Leevsten büst, dat du woll weeßt.‘“ Der Liedtitel dieses plattdeutschen Volksliedes (übersetzt in etwa „Dass du mein Liebster bist, dass weißt du wohl.“) wiederholt sich über die ganze Seite. Dem gegenüber: „Was Henrike an Hildes Bettchen singt:“ – gähnende Leere. Ihr wurde nie was vorgesungen.

Es sind derartige Sprach- und Wortspielereien, Listen und Aufzählungen, die diese Familiengeschichte besonders machen.

Foto von zwei gegenüberliegenden Seiten in Anna Maschiks Roman

Luchterhand | Radio FM4

In Fragmenten wechselt Vergangenes mit der Gegenwart. Persönliches mit Politischem. Wird eine Szene aus mehreren Blickwinkeln erzählt. Wird der Fokus mal auf unscheinbare Details, dann wieder auf große Szenen gelegt. Wird auch einiges nicht erzählt. Es ist wie das Blättern durch eine Familienchronik, aus der vereinzelt Seiten und Fotos rausgefallen sind. Das ist ebenso verspielt wie poetisch, schlau wie humorvoll, sensibel wie hart.

Synonyme für ‚Früher‘:
Im Norden
Im Krieg
Im Dorf
Daheim

Anna Maschik

Luca Senoner

Anna Maschik lebt in Wien, hat dort Sprachkunst studiert und u.a. auch in Leipzig studiert. Die 30-Jährige unterrichtet an einem Wiener Gymnasium.

Hilde lernt einen österreichischen Soldaten kennen, mit dem sie nach Kriegsende nach Österreich zieht. „In der ersten Nacht im neuen Zuhause wird Hilde klar, dass sie mit einem Fremden gegangen ist.“ Die Sehnsucht nach der Heimat, nach einem Daheim, prägt die Frauen. Linderung gegen das Heimweh bieten Gärten, auch wenn das Gemüse verblasst, wenn jemand stirbt. Magische Elemente tauchen immer wieder auf und führen zu einem überraschenden Schluss, der auch die Zitrone auf dem Cover erklärt.

Die Frauen in dieser Familie haben über Generationen ein gutes Händchen für besondere Pflanzen. Anna Maschik bringt dieses Zitronenbäumchen prächtig zum Blühen.